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AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen

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Einführung ins AGB-Recht

Rechtsgebiet:
AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen
Stichworte:
AGB - Allgemeine Geschäftsbedingungen
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Die «Risikoabwälzungsfunktion» der AGB ist bedenklich und ruft nach rechtlicher Kontrolle.

Missbrauchsgefahr

Die AGB-Ausarbeitung durch den AGB-Verwender bewirkt eine privatautonome, einseitige Gestaltungsmacht (= einseitige Normsetzung).

Es liegt in der «Logik» des Geschäftslebens, dass der AGB-Verwender seine Gestaltungsmacht nicht altruistisch einsetzt, sondern versucht, seine Interessen möglichst weitgehend zum Durchbruch zu verhelfen:

  • «Risikoabwälzungsfunktion» der AGB
    • zB Wegbedingung der Gewährleistungsansprüche für Mängel der Leistung;
    • zB Haftung für Schäden aus Vertragsverletzung
      • «Gewährleistungsklauseln»
      • «Haftungsfreizeichnungsklauseln».

Literatur

  • KRAMER ERNST A. / PROBST THOMAS / PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2. Auflage, Bern 2023, S. 5 ff.
  • BAUDENBACHER CARL, Wirtschafts-, schuld- und verfassungsrechtliche Grundsatzprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Zürich 1983, S. 174 ff.
  • ATAMER YESIM M., Unlauterer Wettbewerb durch Nutzung von ungültigen AGB?, in: Emmenegger/Hrubesch-Millauer/Krauskopf/Wolf(Hrsg.), Brücken bauen. Festschrift Thomas Koller, Bern 2018, S. 38 ff.

Schutzbedürftigkeit des Kunden (AGB-Übernehmers)

Die Schutzbedürftigkeit des AGB-Übernehmers (Kunden) gegenüber dem seine Position einseitig ausnützenden AGB-Verwenders wird mit der sog. „Ungleichgewichtsthese“ begründet:

  • Übermacht des AGB-Verwenders
  • Schwäche des AGB-Übernehmers (Kunde).

Mitentscheidend ist die Art des AGB-Verwender (Kunde):

  • Konsumentenvertrag bzw. Verbrauchervertrag,
    • Unternehmen-Konsumenten-Geschäft (B2C),
      • den der Kunde zu privaten Zwecken mit einem Unternehmer (in wirtschaftlicher Unterlegenheit) schliesst.
  • Geschäftsvertrag
    • Unternehmen-Unternehmens-Geschäft (B2B),
      • den der Kunde als Unternehmen im Geschäftsverkehr zwischen einem Drittunternehmen (Produzent, Händler, Zulieferer etc.), ohne Anwendung des Konsumentenschutzrechts schliesst;
      • Hier können sich die Fragen stellen:
        • Übermacht (marktbeherrschende Stellung);
        • Ausweichmöglichkeit zu Konkurrent («take it or leave it»-Situation)(vgl. MORIN, a.a.O., S. 522).

Literatur

  • KRAMER ERNST A. / PROBST THOMAS / PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2. Auflage, Bern 2023, S. 7 ff.
  • BAUDENBACHER CARL, Wirtschafts-, schuld- und verfassungsrechtliche Grundsatzprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Zürich 1983, S. 318 ff.
  • HEISS HELMUT, Kommentierung des Art. 8 UWG, in: Holzmann/Loacker (Hrsg.) UWG-Kommentar, Zürich / St. Gallen 2018 , Art. 8 UWG N 15 f.
  • MORIN ARIANE, Les clauses contractuelles non négociées, ZSR 128 (2009) I, S. 522

Ansatzpunkte einer AGB-Kontrolle

Die Missbrauchsgefahr des AGB-Verwenders und die Schutzbedürftigkeit des AGB-Übernehmers (Kunde) verlangen eine spezifische rechtliche Kontrolle:

Dafür kommen zwei alternative Kontrollmodelle in Frage:

  • ex ante-Variante
    • Modell einer präventiven, ex ante eingesetzten Verwaltungskontrolle der AGB;
      • Vor einer Geschäftsverkehrverwendung müssen die AGB einer Verwaltungsbehörde zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt werden (vor 2004: VAG).
  • Richterliche ex post-Variante
    • Modell einer richterlichen ex-post-Kontrolle
      • Dieses Modell hat Vorteile:
        • Breitenwirkung der Kontrolle;
        • Keine unerwünschte Verbürokratisierung des unternehmerischen Vertragsverkehrs;
        • AGB-Übernehmer müssen sich gegen Einseitigkeit der AGB vor Gericht individuell wehren,
          • OR 20
            • (Geltendmachung der Nichtigkeit einzelner Klauseln)
          • UWG 9
            • (durch die im UWG vorgesehenen Klagemöglichkeiten);
        • relativ geringe «Ahndungswahrscheinlichkeit“,
          • Kundenindividualklagen
            • (Im Obsiegensfalle Rechtskraft für das einzelne Vertragsverhältnis (vgl. UWG 10 Abs. 2)
          • Verbandsklage
            • (ns. Konsumentenschutzverbände);
          •  Klagemöglichkeit des Bundes
            • (vgl. UWG 10 Abs. 3 UWG).

Literatur

  • KRAMER ERNST A. / PROBST THOMAS / PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2. Auflage, Bern 2023, S. 15 ff.
  • KRAMER ERNST A., Konzeptionsfragen zur Vertragsinhaltskontrolle, in: ZSR 137 (2018) I. S. 319 ff.

Ansatzpunkte der richterlichen AGB-Kontrolle

Der Ansatz zur richterlichen Kontrolle von AGB‘s ist im Wesentlichen ein vierfacher:

  • Konsenskontrolle (Einbeziehungskontrolle)
    • Grundsatz
      • Die AGB müssen dem Kunden vom AGB-Verwender vor Vertragsschluss in zumutbarer Weise zur Kenntnis gebracht worden sein.
    • Maximen
      • «Ungewöhnlichkeitsregel“
      • Konsenskontrolle der sog. «battle of the forms»
      • AGB-rechtliches „Transparenzgebot“
        • Besonderer Kontrollaspekt an der Schnittstelle zwischen
          • Konsenskontrolle;
          • Interpretationskontrolle;
          • Inhaltskontrolle
  • Auslegungskontrolle (Interpretationskontrolle)
    • Grundsatz
      • Die Konsenskontrolle bei AGB-Verträgen ist untrennbar verzahnt mit der AGB-Auslegungskontrolle (Interpretationskontrolle).
    • Maximen
      • AGB-Klauseln unterliegen als Vertragsbestandteile den allgemeinen, zu OR 18 entwickelten, auf den konkreten Vertragsschluss abstellenden vertragsrechtlichen Interpretationsregen;
      • AGB-Formulierungen können auch Sonderregeln des Kundenschutzes folgen, wie
        • Unklarheitenregeln
          • interpretatio contra proferentem
          • in dubio contra stipulatorem
        • Vorrang der Individualabrede.
  • allgemeine Gültigkeitskontrolle,
    • Grundsatz
      • Wenn beide Kontrahenten den AGB zugestimmt haben, muss schliesslich auch ihr Inhalt auf seine rechtliche Haltbarkeit überprüft werden.
    • Maximen
      • Die allgemeine Gültigkeitskontrolle ist eine Kontrolle nach den im schweizerischen Recht geltenden Regeln, wie
        • OR 19
        • OR 20 OR i.V.m. ZGB 27 Abs. 2.
  • verschärfte Inhaltskontrolle.
    • Grundsatz
      • Aufgrund von UWG 8 werden die AGB einer verschärften Inhaltskontrolle («Angemessenheitskontrolle»)
    • Maxime
      • Ein rechtlich tolerierbarer Inhalt kann trotz der obg. abgehandelten Schutzerwägungen sozusagen getoppt werden:
        • Vertragsinhalte, welche individuell ausgehandelt wurden, können, wenn es sich um eine AGB-Klauseln handelt, nicht mehr als akzeptabel erachtet werden (sog. „Theorie der Ordnungsfunktion des dispositiven Rechts“).
      • Vgl. hiezu KRAMER ERNST A. / PROBST THOMAS / PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2. Auflage, Bern 2023, S. 20 ff., N 22 ff.

Literatur

  • KRAMER ERNST A. / PROBST THOMAS / PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2. Auflage, Bern 2023, S. 17 ff.
  • KRAMER ERNST A., Konzeptionsfragen zur Vertragsinhaltskontrolle, in: ZSR 137 (2018) I. S. 319 ff.

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