Im Falle der Arbeitsverhinderung stellt sich die Frage, ob für den Bonus ähnliche Regeln wie für die Lohnfortzahlungspflicht gemäss OR 324 (Annahmeverzug des Arbeitgebers) und OR 324a (Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers) beim Festlohn gelten.
Bei Arbeitsverhinderung gelten folgende Prinzipien für Boni:
1. Ermessensabhängiger Bonus
Grundsatz:
- Bonus-Bestimmung mit in beschränktem Rahmen völlig freiem Ermessen des Arbeitgebers
- Bonus-Anteile sind nach billigem Ermessen auszurichten
- Arbeitsverhinderung ist ein sachlicher Streichungs- oder Kürzungsgrund
- Der Ermessensentscheid darf den Arbeitsverhinderungs-Grund des Arbeitnehmers nicht ignorieren
- Kürzung oder Ausschluss
- Es ist zulässig, Kürzungs- oder Ausschlussklauseln in der Bonusabrede zu statutieren, die den Bonus und nicht den Festlohn tangieren und den Arbeitnehmer nicht permanent in Abhängigkeitsverhältnis versetzen
Leistungs-Boni:
- Annahmeverzug des Arbeitgebers (OR 324)
- Arbeitnehmer ist so zu stellen, wie wenn er hätte arbeiten können
- Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers (OR 324a)
- Bonus-Bemessung nach der tatsächlich erbrachten Leistung
- Einfluss der Bonus-Parameter-Festlegung (ausdrücklich oder konkludent)
- Massgeblichkeit des konkreten Einzelfalls
Erfolgs-Boni:
- Annahmeverzug des Arbeitgebers (OR 324)
- Anwendbarkeit der Grundsätze wie bei ermessensunabhängigen Gewinnbeteiligungen
- Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers (OR 324a)
- i.d.R. Anspruch pro rata temporis bezüglich erfolgsabhängiger Bonusteile bei längerer Arbeitsverhinderung
Mischformen:
- Beurteilung im konkreten Einzelfall
2. Ermessensunabhängiger Bonus
Grundsatz:
- Anwendbares Recht
- Es gelten für die ermessensunabhängigen Boni (= variable oder unter Bedingung stehende Boni Lohnbestandteile) die Regeln für die Lohnfortzahlung von OR 324 und OR 324a ebenfalls.
- Kürzung
- Eine Kürzung geschuldeter Lohnbestandteile wegen unverschuldeter Arbeitsverhinderung
- Kürzungsvorbehalt in der Bonusabrede
- Zulässigkeit
- Kürzung über Fehlzeiten-Umschreibung
Leistungs-Boni:
- Annahmeverzug des Arbeitgebers (OR 324)
- Abwägung arbeitgeberseitiges Annahmeverschulden und Erreichbarkeit der individuellen Leistungsziele des Arbeitnehmers
- Komplexe Fragestellung ist am konkreten Einzelfall zu beurteilen
- Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers (OR 324a)
- Verfehlen der Leistungsziele wegen Arbeitsverhinderung
- Abzustellen ist auf die mögliche Leistung des konkreten Arbeitnehmers (und nicht auf objektive Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen Arbeitnehmers)
- Berechnung des wahrscheinlich erreichten Bonus während der lohnfortzahlungspflichtigen Zeit der Arbeitsverhinderung
- Annäherung unter Berücksichtigung
- Berücksichtigung Umsatzphasen (schwache / starke Monate)
- Berücksichtigung allenfalls vom Arbeitnehmer nach dem Wiedereintritt höher generierte Umsätze für den Betrieb
- Erfahrungswerte
- Annäherung unter Berücksichtigung
- Ferien gelten nicht als Arbeitsverhinderung
- Verfehlen der Leistungsziele wegen Arbeitsverhinderung
Erfolgs- Boni:
- Annahmeverzug des Arbeitgebers (OR 324)
- Arbeitnehmer ist so zu stellen wie wenn der Annahmeverzug nicht stattgefunden hätte
- Der Annahmeverzug lässt i.d.R. auf betriebliche Schwierigkeiten schliessen, die einen geringeren oder gar keinen Gewinn resultieren lassen dürften
- Arbeitnehmer hat Bonus-Anspruch gleichwohl nur vom effektiv erwirtschafteten Betriebsergebnis
- Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers (OR 324a)
- Bonus-Anspruch
- Dauer
- solange die Lohnfortzahlungspflicht besteht
- bei längerer Arbeitsverhinderung: pro rata temporis
Mischformen:
- Beurteilung im konkreten Einzelfall
Weiterführende Informationen
» Arbeitsverhinderung und Lohnfortzahlungspflicht
Art. 324 OR
III. Lohn bei Verhinderung an der Arbeitsleistung
1. bei Annahmeverzug des Arbeitgebers
1 Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.
2 Der Arbeitnehmer muss sich auf den Lohn anrechnen lassen, was er wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erworben oder zu erwerben absichtlich unterlassen hat.
Art. 324a OR
2. bei Verhinderung des Arbeitnehmers
a. Grundsatz
1 Wird der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, wie Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten oder Ausübung eines öffentlichen Amtes, ohne sein Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert, so hat ihm der Arbeitgeber für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten, samt einer angemessenen Vergütung für ausfallenden Naturallohn, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist.
2 Sind durch Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag nicht längere Zeitabschnitte bestimmt, so hat der Arbeitgeber im ersten Dienstjahr den Lohn für drei Wochen und nachher für eine angemessene längere Zeit zu entrichten, je nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und den besonderen Umständen.
3 Bei Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat der Arbeitgeber den Lohn im gleichen Umfang zu entrichten.
4 Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Regelung getroffen werden, wenn sie für den Arbeitnehmer mindestens gleichwertig ist.