Einleitung
Bonus-Programme gehen regelmässig davon aus, dass an einem bestimmten Stichtag das Arbeitsverhältnis zum Arbeitnehmer noch bestehen muss. Arbeitgeber wollen in der Regel Arbeitnehmer, die sie verlassen, nicht noch honorieren.
Stichtag-Erreichung
In der Regel soll daher ein Bonus-Anspruch infolge Arbeitnehmer-Kündigung verfallen, wenn der Arbeitnehmer vor dem nächsten Bonus-Stichtag austritt; die Freistellung ist kein für den Bonus-Stichtag relevanter Zeitfaktor. – Damit verfallen bereits erworbene Bonus-Anwartschaften. – Erfahrungsgemäss achten viele Arbeitnehmer beim Stellenwechsel auf das Erreichen des Stichtags (entsprechende Stellensuche, Kündigung bzw. Antritt der neuen Stelle nach dem nächsten Bonus-Stichtag).
Verfall-Arten
Hiefür verabreden Arbeitgeber mit ihren Arbeitnehmern:
- Bonus-Verfallklauseln
- Dahinfallen der Bonus-Anwartschaft des Arbeitnehmers
- Bonus-Rückübertragungsklauseln
- Verpflichtung zur Rückübertragung von Aktien und / oder Optionen an den Arbeitgeber
Gleichwohl sind die Bonus-Folgen unterschiedlich, je nach der Partei, die die Kündigung ausspricht:
1. Kündigung durch Arbeitnehmer
- Grundsätze
- Bonus mit Lohncharakter
- Zwingender pro rata-Anspruch (Ausschluss durch Parteiabrede nicht möglich)
- Bonus mit Gratifikationscharakter
- Von Gesetzes wegen kein Pro rata temporis-Anspruch des Arbeitnehmers, solange die Parteien nichts gegenteiliges verabredet haben (vgl. OR 322d Abs. 2)
- Zulässigkeit von Bedingungen
- Ausschluss des pro rata-Anspruchs
- Wegfall des Bonusanspruchs bei gekündigtem Arbeitsverhältnis am Bonus-Stichtag
- uam.
- Bonus mit Lohncharakter
- Dogmatische Fragen zur Gültigkeit von Verfallklauseln
- Faktische Einschränkung der Kündigungsfreiheit?
- Persönlichkeitsschutz-Verletzung?
- Regelfall
- Nein
- Ausnahmen (Verletzung der Kündigungsfreiheit)
- Bindungsdauer von mehr als 10 Jahren
- Rückübertragungspflicht mit mehrjähriger Bindungsdauer (Summierung der resolutiv bedingten Boni)
- Regelfall
2. Kündigung durch Arbeitgeber
- Grundsätze
- Auch die Arbeitgeberkündigung führt zum Bonus-Verlust für den Arbeitnehmer
- Ausnahme (Bonus-Anspruch)
- Bonus mit Lohncharakter, ungeachtet einer Wegfallklausel!
- Spezialtatbestände
- Aushebelung des Bonusverfalls bzw. des Rückübertragungspflicht analog OR 340c Abs. 2?
- Persönlichkeitsverletzende Existenzgefährdung?
- Keine übermässige Überwälzung einer betriebsbedingten Kündigung auf den Arbeitnehmer (Risikoverteilung setzt Arbeitgeber Grenzen)
- Kündigung mit Grund ausserhalb des Betriebsrisikos
- Individuelle Beurteilung erforderlich
- Kündigung zur Vereitelung des Bonus-Anspruchs
- Grundsatz
- Kündigung wenige Tage oder Wochen vor dem Bonus-Stichtag dürfte als gegen Treu und Glauben gelten (= treuwidrige Kündigung; vgl. OR 156)
- Rechtsfolge
- Bedingungseintritt (vgl. OR 156)
- Entstehen der Bonus-Schuld zulasten Arbeitgeber bzw. Bonus-Anspruch zugunsten Arbeitnehmer
- Ausnahme
- Nachvollziehbare Gründe für eine Kündigung kurz vor Bonus-Stichtag
- Grundsatz
- Missbräuchliche Kündigung
- Grundsätze
- Die Regel der Annahme des Eintritts der vereitelten Bedingung bei Kündigung kurz vor dem Bonus-Stichtag ist auch hier anwendbar (= treuwidrige Kündigung; vgl. OR 156)
- Die Kündigung ist in dem hier interessierenden Sinne dann missbräuchlich, wenn sie vom Arbeitgeber ausgesprochen wird, „ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln“ (vgl. OR 336 Abs. 1 lit. c)
- Beweislast (ZGB 8)
- Freie richterliche Beweiswürdigung im Arbeitsprozess (vgl. OR 343 Abs. 4)
- Natürliche Vermutung bei zeitlicher Nähe der Kündigung (+ ggf. der Bonus-Höhe)
- Verhältnis von Missbräuchlichkeit (OR 336 Abs. 1 lit. c) und Bedingungseintritt bei Vereitelung (OR 156)
- Grundsatz
- Treuwidrige Kündigung im Sinne von OR 156 ist immer auch eine missbräuchliche Kündigung
- vgl. Urteil OGer ZH vom 18.11.2002, in: JAR 2003 S. 300 ff.
- Unterschiede
- OR 156 » Arbeitnehmer erhält einfach den normalen Bonus
- OR 336 Abs. 1 lit. c » zusätzlicher Entschädigungsanspruch, bis zum 6-fachen Monatslohn (vgl. OR 336a Abs. 2).
- Grundsatz
- Grundsätze
Weiterführende Informationen
» Freistellung im Schweizer Arbeitsrecht
Art. 156 OR
II. Verhinderung wider Treu und Glauben
Eine Bedingung gilt als erfüllt, wenn ihr Eintritt von dem einen Teile wider Treu und Glauben verhindert worden ist.
Art. 336 OR, Abs. 1 lit. c
III. Kündigungsschutz
1. Missbräuchliche Kündigung
a. Grundsatz
1 Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist missbräuchlich, wenn eine Partei sie ausspricht:
c. ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln;
Art. 336a OR
b. Sanktionen
1 Die Partei, die das Arbeitsverhältnis missbräuchlich kündigt, hat der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten.
2 Die Entschädigung wird vom Richter unter Würdigung aller Umstände festgesetzt, darf aber den Betrag nicht übersteigen, der dem Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate entspricht. Schadenersatzansprüche aus einem anderen Rechtstitel sind vorbehalten.
3 Ist die Kündigung nach Artikel 336 Absatz 2 Buchstabe c missbräuchlich, so darf die Entschädigung nicht mehr als den Lohn des Arbeitnehmers für zwei Monate betragen.
» JAR – Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts, Band 2003, S. 300 ff.