Ausgangslage
Der Erblasser mit schweizerischer Staatsbürgerschaft und letztem Wohnsitz/Aufenthalt in der Schweiz, hinterlässt Nachlassvermögen sowohl in der Schweiz als auch in einem EU-Mitgliedstaat.
Aus schweizerischer Sicht
Aus schweizerischer Sicht sind für das Nachlassverfahren und für erbrechtliche Streitigkeiten die schweizerischen Gerichte/Behörden am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig (IPRG 86 Abs. 1). Diese wenden schweizerisches materielles Erbrecht (Erbstatut) und schweizerisches Verfahrensrecht (Eröffnungsstatut) an (IPRG 90 Abs. 1 und 92 Abs. 2). Eine Zuständigkeit der Gerichte/Behörden eines EU-Mitgliedstaates für in der EU gelegene Grundstücke wird akzeptiert (IPRG 86 Abs. 2).
Aus EU-Sicht*
* Gilt nicht für Grossbritannien, Irland und Dänemark. Diese Staaten sind der Europäischen Erbrechtsverordnung nicht beigetreten und gelten daher aus international-erbrechtlicher Sicht der EU (wie die Schweiz) als Dritt- bzw. Non-EU-Staaten.
Aus EU-Sicht sind (für sämtliche Nachlässe ab 17.08.2015) für das im EU-Mitgliedstaat gelegene Vermögen die Gerichte/Behörden dieses EU-Mitgliedstaates zuständig (EuErbVO 10 Abs. 1 und 2). Diese wenden schweizerisches materielles Erbrecht (Erbstatut), jedoch ihr eigenes Verfahrensrecht (Eröffnungsstatut) an (EuErbVO 22 Abs. 1).
Ergebnis
Handelt es sich bei dem im EU-Mitgliedstaat gelegenen Vermögen lediglich um Grundstücke, so besteht kein Kompetenzkonflikt, weil die internationale Zuständigkeit des EU-Mitgliedstaates diesfalls seitens der Schweiz akzeptiert wird. Es erfolgt eine Nachlassspaltung.
Handelt es sich bei dem im EU-Mitgliedstaat gelegenen Vermögen (auch) um bewegliches Vermögen, so besteht ein Kompetenzkonflikt, da sowohl die schweizerischen als auch die ausländischen Behörden/Gerichte sich für dieses bewegliche Nachlassvermögen als zuständig erachten. Dies kann zu einem Rennen der Erben auf das für sie günstigere Gericht (Forum Running) führen.
Durch auf den konkreten Fall zugeschnittene Nachlassplanung, insbesondere faktische Massnahmen wie Vermögensabzug bzw. -konzentration und/oder erblasserische Anordnungen in Verfügungen von Todes wegen, ist allenfalls eine Beseitigung oder aber zumindest Reduktion der Kompetenzkonflikte bzw. Forum-Running-Gefahren durch den Erblasser anzustreben.