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Die Grossbanken-Fusion: Sog. «Antrittsboni» für ausfallende CS-Boni

Datum:
11.05.2023
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Arbeitsrecht
Thema:
Grossbanken-Fusion + Personalabwerbung
Stichworte:
Angeld, Antrittsboni, Bonuszahlungen, CS-Boni, Draufgeld, Haftgeld, Handgeld, Reugeld
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Der Versuch einer rechtlichen Einordnung

Einleitung

Der Bund hat am 05.04.2023 den Top-CS-Bankern die Boni gestrichen.

Wir berichteten:

Gemäss Medienberichten locken nun Konkurrenten die CS-Top-Bankkader damit, die Bezahlung der gestrichenen bzw. sistierten Boni zu übernehmen.

Streichung / Sistierung der Variablen Vergütungen als Problem

Vor allem die Streichung der variablen Vergütungen zeitigt Folgen:

  • Für die CS-Kader und -Mitarbeiter
    • Enttäuschung
    • Wegfall der Jobtreue
    • Ausbleiben von Mitteln für Familie, Lebensstandard und Steuerzahlungen
    • Karrierewechsel oder berufliche Neuorientierung
  • Für die UBS
    • Risiko,
      • die Mitarbeiter bei der Stange zu halten
      • den Mitarbeitern sog. «Halteprämien» bezahlen zu müssen
    • Beachtung des Business Continuity Management (BCM)
    • Beschränkte Einflussnahme, da sich die Kontakte zwischen beiden Banken auf die Grundsatzfragen zum Deal beschränken
    • etc.

Personalabwerbung durch die Bankenkonkurrenz

Der Kampf um CS-Kaderleute soll bereits begonnen haben:

  • Angeboten würde begehrten CS-Kadermitarbeiternder Ersatz dervom Bund gekürzten Boni-Anteile, wenn sie wechseln.
  • Je begehrter der Kadermitarbeiter sei, umso höhere Anteile seines staatlich gekürzten Bonus-Pakets würdeer bei einem Wechsel erhalten.

Anstelle entgangener «variabler Vergütungen» würden für einen Jobwechsel angeboten:

  • «Antrittsprämien»und progressivere Kompensationsstrukturen.

UBS-Wunschliste für CS-Topkader

Laut den Finanzkreisen ist bei der UBS bzw. bei der CS eine Liste in Arbeit, auf der CS-Kader stehen sollen, die man wegen ihrer Betriebskenntnisse unbedingt halten wolle. Das Problem ist dabei:

  • Die CS selbst darf keine Halteboni zahlen, sonst kriegtsie Ärger mit dem Bund der EFD.
  • Demgegenüber darf die UBS Halteboni bTreueprämien bieten.
  • Könnte die Bank kein wettbewerbsrechtlich zulässiges und wettbewerbs-adäquates Vergütungssystem mehr bieten, entstünde – auf personeller Ebene – ein beträchtliches Risiko für die operative Stabilität und letztlich für das gesamte Geschäft der UBS.
    • Allgemein angesprochen ist das Business Continuity Management (BCM), welches insbesondere für beaufsichtigte Institute als Pflicht gilt
  • Die einzige Vorgabe des Bundes in Sachen Boni bei der UBS betrifft:
    • Übernommene CS-Mitarbeiter, welchemit der Abwicklung des Problemportfolios der CS-Investmentbank beschäftigt sind.

Qualifikationsbegriff «Antrittsbonus» in den Medien

Landläufig und manchmal auch von promovierten Juristen wird heute jeder «Leistungszuschlag» als Bonus bezeichnet, obwohl ein «Bonus» an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist: Verpflichtung zur Zahlung, Voraussetzungen (Zielvorgaben und Zielerreichung, Akzessorietät, spätere Berechnung usw.). Ebenso setzen Prämien besondere Leistungen des Arbeitnehmers voraus, die der Arbeitgeber honorieren will.

Es ist den Medien nicht zu verargen, dass sie in ihren Berichterstattungen auf die Schnelle ebenfalls von einem «Bonus», einem sog. «Antrittsbonus», oder von «Prämien», einer sog. «Antrittsprämie», berichten.

Gesetzliche Grundlage

Der Gesetzgeber hat «Leistungs- und Sicherungszuschläge» in OR 158 geregelt. Althergebrachte und heute wenig gebräuchliche Begriffe machen die Einordnung nicht sehr einfach.

Unterschieden wird in Handgeld, Angeld, Draufgeld, Haftgeld und Reugeld.

Auf die Abgrenzungen und Unterschiede wird hernach eingegangen.

«Handgeld» oder «Draufgeld»?

Aus der Rechtslehre

«Haftgeld i.S.v. Art. 158 liegt vor, wenn das Handgeld (bloss) als Zeichen für den Vertragsschluss gegeben wird (arrha confirmatoria; …). Wird das Haftgeld an die Hauptleistung des Gebers angerechnet, so wird es als Angeld bezeichnet, andernfalls als Draufgeld (…). Dieser historisch bedingte, weite Haftgeldbegriff kommt nach wie vor im französischen und italienischen Wortlaut von Abs. 1 zum Ausdruck. Er ist auch wegleitend für die Regelung von Abs. 2 …» (KUKO OR, Basel 2014, N 3 Art. 158 OR).

«Gemäss Abs. 2 muss sich der Empfänger das Haftgeld nicht auf seine Hauptforderung anrechnen lassen. Das Haftgeld ist daher Draufgeld und nicht Angeld (…). Dies gilt nicht nur für die Primärforderung, sondern auch für einen allfälligen Schadenersatzanspruch bei Leistungsstörung (…). Vertrag oder Ortsgebrauch können jedoch eine Anrechnung des Haftgelds an die Hauptforderung bestimmen. Abs. 2 ist also dispositives Recht. Die h.L. betrachtet Abs. 2 zu Recht als überholt und nimmt i.d.R. Angeld an, insb. wenn das Haftgeld einen bloss symbolischen Betrag übersteigt oder einem Sicherungszweck (…) dient (…).» (KUKO OR, Basel 2014, N 10 Art. 158 OR).

Abgrenzung

  • Handgeld
    • Keine Anrechnung an Hauptleistung
  • Angeld
    • Anrechnung an die Hauptleistung
  • Draufgeld
    • Wenn keine Anrechnungspflicht,
    • aber vorbehältlich Ortsgebrauch und Vertrag (dispositives Recht)
  • Haftgeld
    • E. Oberbegriff

Einordnung

Wie immer im schweizerischen Recht, sind die individuell-konkreten Verhältnisse entscheidend.

So wird massgebend sein, ob die «Zusatzleistung» des neuen Arbeitgebers

  • bloss als Zeichen für den Vertragsabschluss gegeben wird:
    • Es dürfte ein Handgeld bezeichnen.
  • an die Hauptleistung (Lohnzahlungen) angerechnet wird:
    • Es dürfte ein Angeld
  • gemäss Ortsgebrauch oder Vertrag (dispositives Recht) nicht an die Hauptleistungen (Lohnzahlungen) anzurechnen ist
    • Diesfalls dürfte ein Draufgeld gegeben sein.

Sozialbeitragspflicht und Steuerpflicht?

Begünstigte dürften gut beraten sein, sich auf eine gewisse Steuerpflicht einzustellen. Steuerämter könnten solche Leistungen, falls nicht gerade als Einkommen, so doch als Schenkungen qualifizieren. Eine völlige Steuerbefreiung, z.B. unter Bezugnahme auf eine steuerbefreite „Schadenersatzzahlung“, hängt nicht nur davon ab, ob überhaupt ein Schaden im Rechtssinne vorliegt, sondern auch davon, was für eine Art von „Schaden“ damit gedeckt wird. Handelt es sich um die Deckung eines Einkommensverlustes, liegt es nahe, diesen Deckungsbeitrag gerade als Einkommen zu besteuern. Dieselben Überlegungen müssen, ohne hier näher darauf eingehen zu wollen, wohl auch für Sozialabgaben angestrengt werden.

Vertragsrücktritt

«Erklärt eine Partei gem. Art. 107 Abs. 2, 109 ihren Rücktritt vom Vertrag, so kann das Haftgeld zurückgefordert werden, unabhängig davon, welche Partei den Vertrag verletzt hat, es sei denn, die Parteien haben vereinbart, dass der Empfänger das Haftgeld bei Nichterfüllung behalten darf (…). Eine solche Vereinbarung ist jedoch angesichts der Bedeutung, die Abs. 1 dem Handgeld beimisst, nicht zu vermuten (…).» (KUKO OR, Basel 2014, N 11 Art. 158 OR).

Arbeitsvertrag

Anstelle einer Berücksichtigung der verwirrlichen «Haftgeld»-Varianten könnte einfach von einer «Zusatzleistung» die Rede sein und diese gehörig umschrieben werden.

Dem Arbeitnehmer ist zu empfehlen, im Arbeitsvertrag die «Zusatzleistung» klar zu regeln und insbesondere zu vereinbaren, dass die «Zusatzleistung»

  • nur ein Zeichen für den Vertragsschluss ist;
  • nicht der Hauptleistung angerechnet wird;
  • nicht rückerstattungspflichtig ist;
  • in jedem Fall, auch beim Vertragsrücktritt nach OR 107/109, behalten werden darf;
  • im Falle einer Beurteilung als sozialversicherungspflichtig die Sozialbeiträge von Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte zu tragen sind.

Verleitung zum Vertragsbruch?

Ob und inwieweit der Tatbestand des «Verleitens zum Vertragsbruch im eigenen Nutzen» vorliegt, wird ohne Insiderkenntnisse nicht bekannt sein. Es gilt daher stets die Unschuldsvermutung.

Beim Grundtatbestand verleitet der Verletzer eine vertraglich gebundene Person (den Verleiteten), um selbst mit ihr einen Vertrag schliessen zu können, zur Verletzung eines bestehenden Vertrages. Opfer einer solchen Konstellation ist der Dritte, der ursprüngliche Vertragspartner des Verleiteten. Im Falle einer Subsumption unter UWG 4 lit. a müssen nebst des Grundtatbestands folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • a) Wirksamer Drittvertrag  (bisheriger Arbeitsvertrag)
  • b) Vertragsbruch
  • c) Verleitung
  • d) Arbeitnehmer
  • e) Subjektive Voraussetzungen (Verletzter kennt Vertragspflicht des Verleiteten)
  • f) Folgevertrag (neuer Arbeitsvertrag mit dem Dritten).

Fazit

Bei einer Personalabwerbung – mit oder ohne „Antrittsbonus“ – eröffnen sich verschiedene Problemkreise, die sich – abgesehen von ein paar Standardvoraussetzungen – nach den individuell-konkreten Verhältnissen des Arbeitsvertrages und seiner Ausgestaltung richten.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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