Obwohl OR 185 Abs. 2 hinsichtlich des Versendungskaufs nur die Gattungssache erwähnt, sollte dem Sinn des Gesetzes folgend (ratio legis), auch die Speziessache analog behandelt werden.
Begriff
- Versendungskauf = Verkäufer ist verpflichtet, Kaufsache dem Käufer zu senden (Schickschuld)
- Versendungskauf liegt zwischen Holschuld und Bringschuld
Grundlage
- OR 185 Abs. 2
Abgrenzung
- Platzkauf / Holschuld
- Bei der Holschuld muss der Käufer die Kaufsache beim Verkäufer abholen
- Fernkauf / Bringschuld
- Bei der Bringschuld hat der Verkäufer die Kaufsache dem Käufer zu bringen
- Leistungserfolg endet bei Bringschuld nicht mit der Versendung, sondern erst wenn Kaufsache beim Käufer ist
- Bei der Bringschuld hat der Verkäufer die Kaufsache dem Käufer zu bringen
Pflichten des Verkäufers vor Versendung
- Aufbewahrungspflicht
- Vorbereitung der Versendung
- Verpackungspflicht
- Transportvorbereitungen
- etc.
- Abschluss einer Versicherung
- Versicherungssumme im Fall des Untergangs der Kaufsache unter Umständen Surrogat für Kaufsache
- BGE 51 II 171, 175 f.
- Versicherungssumme im Fall des Untergangs der Kaufsache unter Umständen Surrogat für Kaufsache
Übergang Gefahrtragung
- Letzte Erfüllungshandlung
- Verkäufer ist für Gefahr solange verantwortlich, bis er Versendung (letzte Erfüllungshandlung) durchgeführt hat
- Übergabe der Ware
- an Spediteur, Frachtführer
- Kaufsache muss Machtbereich des Verkäufers verlassen haben
- Kaufsache muss vom Erfüllungsort abgesendet worden sei
- OR 74 Abs. 2 Ziff. 3
Rechtsfolgen der Gefahrtragung
- Gefahr beim Käufer
- Käufer muss Kaufpreis bezahlen, auch wenn er vom Verkäufer nur den verschlechterten Kaufgegenstand oder bei vollständigem Untergang, den Kaufgegenstand gar nicht erhält
- Käufer trägt Preisgefahr
- Verkäufer wird im Fall des zufälligen Untergangs der Sache frei
- Verkäufer muss keine Nachlieferung vornehmen
- Käufer muss Kaufpreis bezahlen, auch wenn er vom Verkäufer nur den verschlechterten Kaufgegenstand oder bei vollständigem Untergang, den Kaufgegenstand gar nicht erhält
- Gefahr beim Verkäufer
- der Anspruch auf den Kaufpreis geht mit Kaufsache unter
- Verkäufer trägt Preisgefahr
- Wird die Kaufsache zufällig verschlechtert, hat der Käufer die Rechte nach OR 197 ff.
- der Anspruch auf den Kaufpreis geht mit Kaufsache unter
Haftung des Verkäufers nach Gefahrenübergang
- für eigenes Verschulden
- OR 97
- für Hilfspersonen
- OR 101
- Nicht für Spediteur oder Frachtführer, etc.
Gesetzestexte
OR 185 B. Nutzen und Gefahr
B. Nutzen und Gefahr
1 Sofern nicht besondere Verhältnisse oder Verabredungen eine Ausnahme begründen, gehen Nutzen und Gefahr der Sache mit dem Abschlusse des Vertrages auf den Erwerber über.
2 Ist die veräusserte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so muss sie überdies ausgeschieden und, wenn sie versendet werden soll, zur Versendung abgegeben sein.
3 Bei Verträgen, die unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen sind, gehen Nutzen und Gefahr der veräusserten Sache erst mit dem Eintritte der Bedingung auf den Erwerber über.
Literatur
- Koller Alfred, BSK OR-I, 3. Aufl., Basel 2011, N. 13 ff. zu Art. 185
- Sieber Liliane, Gefahrtragung im Kaufrecht, Diss. Zürich 1993, 115 S.
Judikatur
- Zu Versicherungssumme als Surrogat für die Kaufsache
- BGE 51 II 171, 175 f.
- Zum Übergang von Nutzen und Gefahr
- BGE 84 II 158 E. 1
Weiterführende Informationen
- Zum Speditionsvertrag
- Zum Frachtvertrag
- Zur Gefahrtragung im internationalen Warenkauf