Ist der Verkäufer im kaufmännischen Verkehr – d.h. der Kauf erfolgt mit dem Zweck des Wieder- und Weiterverkaufs – in der Übergab der Kaufsache in Verzug, findet OR 190 als lex specialis zu den allgemeinen Regeln zum Schuldnerverzug (OR 102 ff.) Anwendung und ermöglicht es dem Käufer, im Fall des Verzuges des Verkäufers, die Kaufsache schnell anderweitig zu besorgen.
Grundlage
- OR 190 f.
Rechtsnatur
- Lex specialis zu OR 102 ff.
Anwendungsbereich
- OR 214 ist auf alle Fahrniskaufverträge und analog auf Grundstückkaufverträge anwendbar
Voraussetzungen
- Vertrag im kaufmännischen Verkehr
- Kauf mit dem Zweck des Wieder- und Weiterverkaufs
- Muss nicht zwingend unter Kaufleuten stattfinden
- BGE 120 II 269 E. 3.b
- Verabredung eines bestimmten Lieferungstermins
- OR 190 vermutet ein (relatives) Fixgeschäft
- Schliesst nachträgliche Erfüllung entgegen dem Willen des Käufers aus
- Besteht der Käufer weiterhin auf die Leistung des Verkäufers, muss er dies unverzüglich (am gleichen oder eventuell folgenden Tag) anzeigen (einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung)
- OR 190 vermutet ein (relatives) Fixgeschäft
Verzug
- Grundsatz
- Der Verkäufer kommt mit Ablauf des bestimmten Lieferungstermins in Verzug
- Ausnahme
- Käufer kann Verkäufer unverzüglich anzeigen, dass er an der Leistung festzuhalten will (Nachfrist)
- Kommt der Verkäufer auch innert dieser Nachfirst seiner Leistungspflicht nicht nach, hat der Käufer nun nach den nichtkaufmännischen Regeln gemäss OR 107 vorzugehen (vgl. Wahlrechte bei Schuldnerverzug)
Verzugsfolgen
- Vermutung nach OR 190 Abs. 1
- Käufer verzichtet auf Leistung und verlangt Schadenersatz wegen Nichterfüllung
- positives Interesse, als wäre Vertrag gehörig erfüllt worden
- Käufer verzichtet auf Leistung und verlangt Schadenersatz wegen Nichterfüllung
- Andere Wahlmöglichkeiten
- Die herrschende Lehre anerkennt weitere Wahlmöglichkeiten des Käufers
- zB Vertragsrücktritt und Ersatz des negativen Vertragsinteressens
- als wäre Vertrag nie geschlossen worden
- Käufer muss sich innert angemessener Frist für ein Wahlrecht entscheiden
- zB Vertragsrücktritt und Ersatz des negativen Vertragsinteressens
- Die herrschende Lehre anerkennt weitere Wahlmöglichkeiten des Käufers
Schadenersatz
- Grundlage
- OR 191
- Verschulden
- OR 191 setzt voraus, dass der Verkäufer die nicht rechtzeitige Lieferung zu verschulden hat
Schadensberechnung
- Nach allgemeinen Grundsätzen
- Ersatz des möglichen Gewinns des Weiterverkaufs
- OR 190 Abs. 1
- Ersatz des möglichen Gewinns des Weiterverkaufs
- Konkrete Schadensberechnung
- Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und bezahltem Preis für Deckungskauf (Deckungskauf muss nachgewiesen werden, BGE 81 II 50)
- OR 190 Abs. 2
- Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und bezahltem Preis für Deckungskauf (Deckungskauf muss nachgewiesen werden, BGE 81 II 50)
- Abstrakte Schadensberechnung
- Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und Markt- oder Börsenpreis im vereinbarten Erfüllungszeitpunkt (kein Deckungskauf notwendig)
- Kaufsache muss zwingend einen Markt- oder Börsenpreis haben
Literatur
- Gelzer Philipp S., Schweizer Vertrags-Handbuch, S. 258 f.
- Knoepfel Andreas, Die Sonderordnung des kaufmännischen Verkehrs im Kaufrecht, Diss., Zürich 1992 S. 8 ff.
- Koller Alfred, BSK OR-I, 3. Aufl., Basel 2011, N 11 zu Art. 190
Judikatur
- Zum Begriff des kaufmännischen Verkehrs
- BGE 120 II 269 E. 3.b
- Zum Nachweis des Deckungskaufs
- BGE 81 II 50 E. 3
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