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Werkvertrag

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Bauteuerung infolge pandemie-bedingter Lieferverzögerungen?

Datum:
10.12.2021
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Werkvertrag
Autor:
RA Urs Bürgi
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Einleitung

Die Globalisierung bei der Warenproduktion (Produktionsverlagerung an kostengünstige entfernte Orte, unterbrochene Lieferketten, pandemie-bedingte Betriebseinstellungen an den Produktionsorten) haben zu Lieferverzögerungen und zu Produktverteuerungen geführt.

Vgl. hierzu den

Die Baubranche ist nicht von den Versorgungsengpässen und den dadurch entstandenen Lohn- und Materialkostensteigerungen verschont geblieben.

Im Baualltag stellt sich die Frage, ob pandemiebedingte Kostensteigerungen dem Bauherrn überwälzt werden können.

Anwendbares „Recht“ (Werkvertragsrecht nach OR oder SIA Norm 118)?

Für eine Beurteilung der Problemstellung ist abzuklären, welches Recht auf das Werkverhältnis anwendbar ist:

  • Schweizerisches Obligationenrecht (OR 363 – OR 379)
  • SIA Norm 118, ev. SIA Normen 122 – 126
  • Individuelle Vertragsabreden

Mit oder ohne Festpreis?

Hinsichtlich des Werklohns können die Parteien grundsätzlich vereinbart haben:

  • FESTPREIS

    • Grundsätze
      • Bei der sog. „festen Übernahme“ (vgl. OR 373) sind die Parteien an den zum Voraus bestimmten Preis gebunden.
      • Die Verabredung eines Festpreises kann stillschweigend oder konkludent erfolgen; die Festübernahme wird aber nicht vermutet (vgl. ZR 1996, 86; BJM 1965, 21); die Beweislast für das Bestehen eines Festpreises trägt diejenige Partei, die einen solchen behauptet.
      • Das Preisrisiko liegt beim Unternehmer; auch bei langfristigen Werkverträgen darf er keine Preiserhöhung fordern.
      • Der Unternehmer muss allfällige Mehrkosten selber tragen (vgl. BGer 4C.77/2005, Erw. 5.1)
    • Ausnahmen
      • Ausserordentliche Umstände nach OR 373 Abs. 2
      • zB unerwartete Baugrundbeschaffenheit oder
      • zB enorme, nicht vorhersehbare Steigerung von Lohn- und Material-Kosten
      • siehe nachfolgend
    • OHNE FESTPREIS

      • Grundsätze
        • Bei der sog. „Übernahme ohne festen Preis“ (vgl. OR 374) haben die Parteien den Preis entweder gar nicht oder nur ungefähr bestimmt, sodass der Preis nach dem Wert der Arbeit und der Aufwendungen des Unternehmers bestimmt werden.
        • Es erfolgte mithin keine Preisvereinbarung,
          • nur, aber immerhin die Vereinbarung eines sog. „Circa-Preises“;
          • Vorhandensein eines Kostenvoranschlags
        • Das Preisrisiko liegt beim Besteller bzw. beim Bauherrn.
        • Der Richter bestimmt (im Streitfalle) die Vergütungshöhe nach den Kriterien
          • Verbandstarife
          • Sonstige Verbandsnormen
          • Angemessener Gewinn für den Unternehmer
        • Bauteuerung
          • Mittelbar wird die *Bauteuerung* bei der Bestimmung der Vergütungshöhe durch den Richter mitberücksichtigt.

Aus den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass durch die Preisfestsetzung (FESTER PREIS / OHNE FESTPREIS) auch das Preisrisiko zugewiesen wird:

  • FESTER PREIS
    • Preisrisiko beim Unternehmer
  • OHNE FESTPREIS
    • Preisrisiko beim Besteller bzw. Bauherrn.

Abgesehen von den „ausserordentlichen Umständen“ wird also die Tragung der Bauteuerung durch die Preisbestimmungsart vorbestimmt.

Preisgliederung nach SIA Norm 118

Häufig wenden Werkvertragsparteien die Normen von SIA 118 an, wobei sie die Anwendung der SIA Norm ausdrücklich zu vereinbaren haben.

Bei der Preisgestaltung unterscheidet die SIA Norm 118 in folgende Preisbestimmungsvarianten:

Preisbestimmungsarten nach SIA Norm 118

Die wesentlichsten Preisarten nach SIA Norm 118 sind bei der Preisbindung unterschiedlich:

  • Einheitspreis

    • Der Einheitspreis wird je Mengeneinheit festgesetzt
    • Ein Einheitspreis unterliegt der Teuerungsabrechnung.
  • Pauschalpreis

    • Der Pauschalpreis besteht in einem festen Geldbetrag für eine einzelne Leistung.
    • Der Pauschalpreis unterliegt nicht der Teuerungsabrechnung.
  • Globalpreis

    • Der Globalpreis ist ein Pauschalpreis, auf welchen aber die Teuerungsabrechnung anwendbar ist.
  • Regiepreis

    • Beim Regiepreis wird die Vergütung nach Aufwand bestimmt, wobei Regiesätze für Arbeitsstunden und Material verabredet werden.
    • Soll die Teuerung berücksichtigt werden, bedarf es der Vereinbarung eines Teuerungsvorbehalts.

Besteht die Vergütung entweder aus einem Pauschalpreis oder aus einem Regietarif bei verabredetem Richtpreis ohne Teuerungsvorbehalt, so kann der Unternehmer keine Mehrvergütung verlangen. Beide Werkvertragsparteien, d.h. Unternehmer und Bauherr, sind in beiden Fällen grundsätzlich an die vertraglich vereinbarten Preiskonditionen gebunden.

Ausserordentliche Umstände nach OR 373 Abs. 2 oder Art. 59 SIA Norm 118?

Vom Grundsatz, dass der Pauschalpreis nicht geändert werden darf, kann nur bei sog. „ausserordentlichen Umständen“ abgewichen werden:

  • Gemäss OR 373 Abs. 2 oder Art. 59 der SIA Norm 118 (siehe Box unten) hat der Unternehmer Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung nur,
    • falls ausserordentliche Umstände,
      • die nicht vorhersehbar waren oder
      • die nach den von den Werkvertragsparteien angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren,
    • die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren.
  • Solche Umstände können nach dem Wortlaut von Art. 59 Ziffer 1 SIA Norm 118 (siehe Box unten) sein:
    • Wassereinbrüche
    • Erdbeben
    • Sturm
    • Gasaustritte
    • hohe unterirdische Temperatur
    • Radioaktivität
    • einschneidende behördliche Massnahmen
    • Störung des Arbeitsfriedens.

Derzeit sind die Voraussetzungen für „ausserordentliche Umstände“ nicht gegeben:

  • Die Pandemie ist in Art. 59 Ziffer 1 SIA Norm 118 nicht als „ausserordentlicher Umstand“ gelistet.
  • Die Baustellen mussten während der Pandemiezeit nicht eingestellt werden.
  • Der schweizerische Baupreisindex ist während der Pandemie-Phase nicht „aussergewöhnlich“ angestiegen.
  • Baukostenschwankungen sind üblich.
  • Für Preissteigerungen aus nicht abgesicherten Materiallieferungen trägt der Unternehmer das Risiko.

Generell betrachtet haben bisher die Pandemie-Umstände im Bauwesen nicht zu „ausserordentlichen Umständen“ geführt, die zu einer Anpassung an die (geringfügige) Teuerung berechtigen könnten.

Anzeigeobliegenheit des Unternehmers

Gemäss Art. 59 Ziffer 3 SIA Norm 118 würde – bei erfüllten Teuerungsüberwälzungs-Voraussetzungen – den Unternehmer die Pflicht treffen, dies dem Bauherrn (schriftlich) anzuzeigen.

Oft machen die Unternehmer ihre Teuerungsforderungen aber erst in der Schlussabrechnung geltend.

Konditionenanpassung ab welchem Wert?

Ein Rechtsprechungs-Research u.a. zu OR 373 Abs. 2 ergab, dass das Bundesgericht lediglich in zwei Fällen erkannte, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen Leistung des Unternehmers und Gegenleistung des Bauherrn bestand und eine Preiserhöhung zuliess:

  • Kriegsbedingter Preisanstieg der Lohn- und Materialkosten um 60 % in nur 1 ½ Jahren (vgl. BGE 50 II 165 ff.)
  • Kriegsbedingtes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung um mehr als 50 % in einem Pachtverhältnis (vgl. BGE 48 II 249 ff.).

Eine Vertragsanpassung wurde bisher nur als zulässig erachtet, weil ein Kostenanstieg von mehr als 50 % zu einem Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung führte.

Fazit

Kein Anspruch auf eine Mehrvergütung besteht also bei Werkverträgen mit Pauschalpreisen oder mit Regiepreisen ohne Teuerungsvorbehalt.

Im Falle „ausserordentlichen Umstände“ wird ein krasses Missverhältnis zwischen der Gesamtleistung des Unternehmers und der vertraglichen Vergütungsverpflichtung des Bauherrn erst angenommen, wenn der Kostenanstieg mehr als 50 % des vereinbarten Werklohns beträgt.

Sofern und soweit vertragliche Teuerungs- oder Force Majeur-Abreden bestehen, sind diese unter Anwendung der klassischen Auslegungsregeln im individuell konkreten Einzelfall auszulegen und anzuwenden.

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