Mit der wichtigen Ausnahmebestimmung von OR 373 Abs. 2 bei übermässiger Vergütungserhöhung die strenge Festpreisbindung des Unternehmers durchbrochen:
Definition
- Definition Anlass
- Übermässige Kostenerhöhung = Mehrkosten infolge ausserordentliche Umstände, welche dem Unternehmer die Vertragserfüllung übermässig erschweren oder gar verunmöglichen
- Anlass für ein Durchbrechen der strengen Bindung des Unternehmers an den festen Preis
- Übermässige Kostenerhöhung = Mehrkosten infolge ausserordentliche Umstände, welche dem Unternehmer die Vertragserfüllung übermässig erschweren oder gar verunmöglichen
- Definition Massnahme
- Besteller
- Recht des Bestellers auf (vorzeitigen) Vertragsrücktritt nach OR 373 Abs. 2 durch Gestaltungsklage, vorbehältlich des Auflösungsentscheids des Richters
- Unternehmer
- Der Unternehmer hat kein Wahlrecht
- Massgeblichkeit des Ermessensentscheids des Richters mit den Rechtsfolgen „Preisanpassung“ oder „Vertragsauflösung“
- Besteller
Grundlage
Abgrenzungen
- OR 373 Abs. 2 geht den allgemeinen Regeln zur Irrtumsanfechtung von OR 24 Abs. 1 Ziffer 1 vor
Voraussetzungen
- Preiserhöhung durch den Unternehmer
- Ausserordentliche Umstände, die dem Unternehmer die Vertragserfüllung übermässig erschweren oder gar verunmöglichen
- Unvorhersehbare Umstände
- Nach dem Parteiwillen ausgeschlossene Umstände
- Übermässige Erfüllungslast des Unternehmers
- Erhebliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung
- Das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung muss so erheblich sein, dass die Einhaltung des vereinbarten Werklohnes gegen Treu und Glauben verstossen würde
- Keine vom Unternehmer zu vertretenden Ausschlussgründe für die Bindungsmilderung durch OR 373 Abs. 2
- vom Unternehmer selbst zu vertretende, kostensteigernde Umstände
- einschliesslich Fehlverhalten von Subunternehmern
- Kostensteigernde Auswirkungen der qualifizierten Umstände nur wegen des vom Unternehmer verschuldeten Verzugs
- Vorbehaltslose Fortführung der Werkherstellung durch Unternehmer in Kenntnis der ausserordentlichen Umstände
- vom Unternehmer selbst zu vertretende, kostensteigernde Umstände
- Pflicht des Unternehmers, die ausserordentlichen Umstände dem Besteller anzuzeigen (OR 365 Abs. 3)
- Erhebliches Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung
- Richteranrufung
- Siehe nachfolgend „Rechtsfolgen“
Funktion
- Milderung der Unternehmerbindung an den festen Preis
Zweckmässigkeit der Richteranrufung?
- Ob eine Richteranrufung und mit welchen Anträgen vorteilhaft ist, muss im individuell konkreten Einzelfall geprüft werden!
Gestaltungsklage
- Da der Richter gemäss OR 373 Abs. 2 die Rechtsfolge zu bestimmen hat, geht es um Gestaltungsklagerechte
- Rückwirkende Kraft auf den Zeitpunkt der Arbeitseinstellung oder Klageeinreichung
- Unternehmer kann – mit entsprechendem Schadenersatzrisiko – die Herstellungsarbeiten bereits vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils einstellen (vgl. BGE 116 II 315 f. = Pra 1991, 575)
Rechtsfolgen
Rechtsfolgen nach OR 373 Abs. 2
- Richtereingriff (nach Ermessen)
- Grundlage
- 2 Eingriffsmöglichkeiten
- Preiserhöhung oder Vertragsauflösung
- Eingriffsziel
- Äquivalenz-rechtliche Anpassung des Werkvertrages an veränderte Verhältnisse
- Beschränkung der Preisbindung auf ein zumutbares Mass
- Entscheidungskriterien
- Einbezug in die Entscheidungsfindung
- Hypothetischer Parteiwille
- Wesen des konkreten Werkvertrages
- Zweck des konkreten Werkvertrages
- Vgl. BGE 127 III 307
- pro Preiserhöhung
- Überwiegend oder ganz fertig gestelltes Werk sprechen für die Preiserhöhungsvariante (vgl. BGE 113 II 520 = Pra 1989, 86 f.)
- Ausserordentliche Umstände bewirkten eines Wertsteigerung des Werks
- Erhebliche Mehrkosten durch Unternehmerwechsel
- pro Vertragsauflösung
- Vergütungserhöhung würde den Besteller in einem nicht oder kaum zumutbaren Masse treffen
- Ausserordentliche Umstände liegen in der Person des Unternehmers
- Zweifelsfall
- Richter hat sich für Fortbestand des Werkvertrages zu entscheiden
- Parteieinigkeit zur Rechtsfolge (Preiserhöhung oder Vertragsauflösung), nicht aber über Modalitäten
- Richter ist – im Rahmen der Parteibegehren – an eine solche Streitgegenstandeingrenzung gebunden (vgl. GAUCH PETER, Werkvertrag, N 1121)
- Einbezug in die Entscheidungsfindung
- Preiserhöhungs-Entscheid
- Erkennt der Richter auf Preiserhöhung
- Nicht sämtliche Mehrkosten sind auf den Besteller überwälzbar, sondern nur jene, die dazu führen, dass die unzumutbare Unternehmerleistung zu einer zumutbaren wird
- Ziel ist nicht die Umgestaltung in ein verlustfreies oder gar gewinnbringendes Geschäft
- Ausgleich nur des qualifizierten Teils des Missverhältnisses
- Nicht sämtliche Mehrkosten sind auf den Besteller überwälzbar, sondern nur jene, die dazu führen, dass die unzumutbare Unternehmerleistung zu einer zumutbaren wird
- Erkennt der Richter auf Preiserhöhung
- Vertragsauflösungs-Entscheid
- Erkennt der Richter auf Vertragsauflösung
- Richter hat Auflösungsfolgen festzulegen
- Bestimmung der Beendigung
- ex tunc (rückwirkend, von Anfang an) oder
- ex nunc (ab jetzt, von nun an), d.h. ev. Leistung der Vergütung für den bereits ausgeführten Werkteil
- Allf. Schadenersatzfolgen
- Bestimmung der Beendigung
- Richter hat Auflösungsfolgen festzulegen
- Erkennt der Richter auf Vertragsauflösung
- Vertragsänderung
- Erkennt der Richter auf ein Kombination der beiden Rechtsfolgen „Preiserhöhung“ (für den geleisteten Teil) und „Vertragsauflösung“ (in beschränktem Umfange)
- = „Abänderung“
- Entscheidungsvariante für den Fall, dass diese die Parteiinteressen am Besten zu wahren vermag
- Erkennt der Richter auf ein Kombination der beiden Rechtsfolgen „Preiserhöhung“ (für den geleisteten Teil) und „Vertragsauflösung“ (in beschränktem Umfange)
- Weiterüberbindung von Subunternehmerkosten
- Der (General- oder Total-)Unternehmer kann die von Subunternehmern nach OR 373 Abs. 2 geltend gemachten Preiserhöhungen nur auf den Bauherrn überwälzen, wenn die Voraussetzungen gemäss OR 373 Abs. 2 auch auf dieses (Haupt-)Werkvertragsverhältnis erfüllt sind
- Beweislast
- Besteller-Beweislast
- Nachweis für Aufhebung der Rechte des Unternehmers nach OR 373 Abs. 2 (vgl. BGE 50 II 164)
- Nachweis dafür, dass eine der anspruchshindernden Tatsachen vorliegt
- Unternehmerverschulden
- Unternehmerverzug als Grund für die Kostensteigerung
- Vorbehaltslose Werkweiterherstellung trotz Kenntnis der ausserordentlichen Umstände
- Besteller-Beweislast
- Unternehmer-Beweislast
- Nachweis ausserordentlicher Umstände nach OR 373 Abs. 2 (BGE 4A_183/2010 = BR 2010, 189)
- Im Zweifelsfall
- Massgeblichkeit der Anpassungsordnung von OR 373 Abs. 2
- Tendenziell Anwendung von OR 373 Abs. 2
- Vertragliche Ordnung für ausserordentliche Umstände
- Zurückhaltung bei der Anwendung von OR 373 Abs. 2 auf andere ausserordentliche Umstände
- Für Einschränkungen vgl. Differenzierungen bei GAUCH PETER, Werkvertrag, N 1131 ff.
- Weitere Detailinformationen zum Prozess im Allgemeinen
- Prozess
- Massgeblichkeit der Anpassungsordnung von OR 373 Abs. 2
Rechtsfolgen bei abweichender Vereinbarung
- Grundlagen
- Dispositives Recht von OR 373
- Werkvertrag
- Denkbare Vereinbarungsgegenstände
- Zulässige Vereinbarung
- Ausschluss der Richteranrufung
- Erfordernis, dass die Rechte von Besteller oder Unternehmer durch ausserprozessuale Willenserklärungen ausgeübt werden kann (vgl. GAUCH PETER, Werkvertrag, N 1128)
- Ausschluss der Berücksichtigung ausserordentlicher Umstände nach OR 373
- Katalog der zu berücksichtigenden ausserordentlichen Umstände
- Modifikation oder Präzisierung der Rechtsfolgen ausserordentlicher Umstände
- Ausschluss der Richteranrufung
- Einschränkungen
- In krassen Fällen soll sich der Unternehmer auf OR 373 Abs. 2 berufen können (vgl. BGE 50 II 158 ff.)
- Vorausverzicht
- Ein Vorausverzicht des Unternehmers untersteht der Schranke von ZGB 27 Abs. 2
- Zulässige Vereinbarung
Rechtsfolgen nach SIA-Norm 118 Art. 59
- Anwendungsvoraussetzung
- Unterstellung des Werkvertragsverhältnisses durch ausdrückliche Parteiabrede unter die SIA-Norm 118
- Anwendbare Normen
- 59 von SIA-Norm 118
- Unternehmerfreundliche Normen
- Regelungsbereich
- Vorliegen ausserordentlicher Umstände
- Katalog der ausserordentlichen Umstände (Art. 59 Abs. 1)
- Ausserordentliche Umstände, welche nicht vorausgesehen werden konnten
- Umstände, welche nach den von beiden Vertragspartnern angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren
- Umstände, die die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren
- Wassereinbrüche
- Erdbeben
- Sturm
- Gasaustritte
- Hohe unterirdische Temparatur
- Radioaktivität
- Einschneidende behördliche Massnahmen
- Störung des Arbeitsfriedens
- Zusatzvergütungen in folgenden Fällen nur bei Verabredung, wobei ein Recht auf Vertragsauflösung nicht besteht (Art. 60 und Art. 61)
- Ungünstige Witterungsverhältnisse
- Allgemeine marktwirtschaftliche Störungen
- Mangel an Arbeitskräften
- Mangel an Material
- Stundenausfallentschädigung
- Vgl. Art. 60 Abs. 2
- Katalog der ausserordentlichen Umstände (Art. 59 Abs. 1)
- Primäre Verständigungspflicht
- Pflicht der Vertragspartner, sich im Einzelfall über die Höhe der Vergütung zu verständigen
- Sekundäre Richteranrufung
- Bei Nichteinigung hat der Richter die zusätzliche Vergütung festzusetzen oder die Auflösung zu bewilligen (Art. 59 Abs. 2)
- Vgl. ferner die Kommentierung unter GAUCH PETER, Kommentar zu SIA-Norm 118, Art. 38 – 156
- Vorliegen ausserordentlicher Umstände
- Weitere Detailinformationen
Art. 373 OR
2. Höhe der Vergütung
a. Feste Übernahme
1 Wurde die Vergütung zum voraus genau bestimmt, so ist der Unternehmer verpflichtet, das Werk um diese Summe fertigzustellen, und darf keine Erhöhung fordern, selbst wenn er mehr Arbeit oder grössere Auslagen gehabt hat, als vorgesehen war.
2 Falls jedoch ausserordentliche Umstände, die nicht vorausgesehen werden konnten oder die nach den von beiden Beteiligten angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren, die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren, so kann der Richter nach seinem Ermessen eine Erhöhung des Preises oder die Auflösung des Vertrages bewilligen.
3 Der Besteller hat auch dann den vollen Preis zu bezahlen, wenn die Fertigstellung des Werkes weniger Arbeit verursacht, als vorgesehen war.