Trotz Vorformulierung der AGB für eine Vielzahl von Verträgen müssen Sie im Rahmen des konkreten Vertragsverhältnisses individuell ausgelegt werden.
Es gelten dabei:
Allgemeine Vertragsauslegungs-Prinzipien
Da auf AGB das allgemeine Vertragsrecht anwendbar ist, gelten auch die traditionellen vertragsrechtlichen Auslegungsregeln:
- Prinzip der individuellen Auslegung
- Prinzip der ganzheitlichen Auslegung
- Prinzip der gesetzeskonformen Auslegung
- Prinzip der rückwirkenden Auslegung (sog. ex tunc)
- Auslegung nach Treu und Glauben bzw. nach dem Vertrauensprinzip
- Vorrang vereinbarter Auslegungsregeln (Auslegungsklausel)
- zB Sprachgebrauch am Abschlussort oder einer bestimmten Branche
- zB Rangordnung verschiedener Vertragsbestandteile, d.h. Vorrang von
- Individualvertrag vor AGB oder umgekehrt
- Nachtrag vor AGB oder umgekehrt
- SIA Norm vor OR oder umgekehrt
- Vorbehalte
- Auslegung der Auslegungsklausel nach den allg. Auslegungsregeln
- Kontrolle gemäss UWG 8
Weiterführende Informationen
Vertrauensprinzip
Die Rechtsprechung hält sich auch bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) an den Auslegungsgrundsatz des Vertrauensprinzips, v.a. wenn die Einbeziehung von AGB in einen Vertrag zu beurteilen ist.
Das strukturelle Ungleichgewicht der Parteien kann sich nicht nur bei Fällen aus dem Konsumentenrecht, sondern auch aus dem Handelsrecht bemerkbar machen.
Literatur
- FAVRE-BULLE XAVIER, Le rôle du principe de la bonne foi et de l‘abus de droit dans le domaine des clauses abusives, in: Widmer Pierre/Cottier Bertil (Hrsg.), Abus de droit et bonne foi, Fribourg 1994, S. 139 – 179, mit Hinweisen
Judikatur
- BGE 109 II 116
- BGE 5C.20/2007
- BGE 5C.61/2006
- BGE 130 III 417, Erw. 3.2
- BGE 126 III 59, Erw. 5b
- BGE 123 III 22
- BGE 123 III 35 ff.
Link
- Kompensationsinstrumente: AGB-Inhaltskontrolle
Unklarheitsregel
Nach der Unklarheitenregel sind mehrdeutige Formulierungen in den vorformulierten Allgemeinen Vertragsbedingungen (AGB) im Zweifel zu Lasten jener Vertragspartei auszulegen, die sie verfasst hat.
Bleibt also bei der AGB-Auslegung ein Widerspruch, ist das für den Anbieter ungünstigere Ergebnis zu wählen:
- im Zweifel zu Lasten des Verfassers (lateinisch: in dubio contra stipulatorem)
- im Zweifel hat diejenige Bedeutung den Vorrang, die den Vertragsfortbestand gewährleistet (vgl. auch eine allf. Salvatorische Klausel)
- im Zweifel hat diejenige Bedeutung den Vorrang, die zu einer sachgerechten Vertragsbeurteilung führt
Es wird also abgestellt auf den
- Erklärungswillen
Judikatur
- BGE 124 III 155 ff.
- BGE 122 III 118 ff. = Pra 85 Nr. 189
- BGE 115 II 264
Links
Ungewöhnlichkeitsregel
Nach Lehre und Rechtsprechung kann einer AGB-Klausel aufgrund der Ungewöhnlichkeitsregel die vertragliche Wirksamkeit versagt werden, wenn sie bei objektiver Auslegung nach dem Vertrauensprinzip als ungewöhnlich qualifiziert werden muss.
Es wird also abgestellt auf den
- Geschäftswillen
Literatur
- ACKERMANN THOMAS, Der Fotografenvertrag als Konsumentengeschäft, recht 1998, S. 144 – 160
Judikatur
- BGE 5C.20/2007, Erw. 2.2
- BGE 5C.61/2006, Erw. 2
- BGE 4C.194/2005
- Pra 87 Nr. 9
- BGE 122 V 142 ff.
- BGE 119 II 443 ff. = Pra 83 Nr. 229
- BGE 109 II 452 ff.
- BGE 109 II 213
- BGE 108 II 418
- ZR 1980 S. 252 ff.
- BJM 1994 S. 236 ff.
Besondere Auslegungsgrundsätze zu UWG 8:
Mit UWG 8 sanktioniert der Gesetzgeber die Verwendung von missbräuchlichen Geschäftsbedingungen, zum Schutze des Konsumenten (B2C / Business-to-Consumer) und nicht der Unternehmen (B2B / Business-to-Business):
- Einheitliche Auslegung der AGB ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls [bleibt auch nach neuem Recht so]
- Mehrdeutigkeit: Anwendung der für den AGB-Verwender ungünstigsten Bedeutung
- Nichtanwendung der Unklarheitsregel