Obervoraussetzungen:
Haftungsvoraussetzungen:
- Schaden
- Pflichtwidrigkeit
- Verschulden
- Kausalzusammenhang
Die Verschuldenskomponenten sind
- Urteilsfähigkeit (ZGB 16)
- vorsätzliches (absichtliches) oder grobfahrlässiges Verhalten
Vorsatz
Haftbar ist zunächst, wer vorsätzlich (absichtlich) der Beitrags- und Abrechnungspflicht nicht nachkommt (AHVG 52).
Vorsatzformen
Ein direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Haftpflichtige
- weiss, dass der Beitrags- und Abrechnungspflicht nicht nachgekommen wird
- und dies entsprechend duldet.
Es genügt auch ein Eventualvorsatz. Ein solcher liegt vor, wenn der Haftpflichtige
- es als möglich erachtet, dass der Beitrags- und Abrechnungspflicht nicht nachgekommen wird
- und dies in Kauf nimmt.
Grobfahrlässigkeit
Haftbar ist nicht nur der vorsätzlich, sondern auch der grobfahrlässig Handelnde (AHVG 52).
Grobfahrlässig im Sinne von AHVG 52 handelt gemäss Gerichtspraxis (BGE 112 V 159), wer das ausser Acht lässt, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen hätte einleuchten müssen.
Der Sorgfaltsmassstab hängt ab von
- Verantwortung / Kompetenzen des Organs
- Grösse der Unternehmung
- Komplexität der Unternehmung
Je kleiner die Gesellschaft und je überschaubarer die Verhältnisse sind, desto höhere Anforderungen sind an die Sorgfaltspflicht der Organe zu stellen.
Verschulden durch Passivität
Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberorgane handeln qualifiziert schuldhaft, wenn sie den ihnen zukommenden Pflichten nicht nachkommen, bzw. sich passiv verhalten.
Kasuistik
Aus der Gerichtspraxis können folgende Fälle als Beispiele einer qualifiziert verschuldeten Passivität genannt werden:
- Zuwarten einer Anmeldung der Gesellschaft bei der Ausgleichskasse während 9 Monaten (EVG v. 28.5.2002, H 396/99)
- Nicht rechtzeitige Erstellung einer ordnungsgemässen Buchhaltung, Bilanz und Erfolgsrechnung (EVG v. 27.1.2003, H 393/01)
- Unterlassen der Kontrolle, dass nicht Dritte Bezüge zulasten des Arbeitgebers vornehmen, die nicht zur Begleichung ausstehender AHV-Beiträge verwendet werden (BGE v. 25.5.2007, H 63/05)
- Unterlassen der Aufforderung zur
- fristgerechten Abrechnung (EVG v. 10.12.2001, H 88/01)
- Begleichung der AHV-Beiträge (EVG v. 6.7.2001, H 314/00)
- Gesuchstellung um Zahlungsaufschub (EVG v. 27.01.2004, H 38/03)
- keine Bildung von Rückstellungen für AHV-Beiträge
- Unterlassen der Bilanzdeponierung (OR 725)
Literatur
- REICHMUTH MARCO, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach Art. 52 AHVG, 2008, S. 145 Rz 628, S. 176 Rz 738, S. 143 Rz 616, S. 129 Rz 548 f.o NUSSBAUMER THOMAS, Die Haftung des Verwaltungsrates nach Art. 52 AHVG, in: AJP 9/96, S. 1079
Judikatur
- Pflicht zur Prüfung, dass die ex lege geschuldeten paritätischen Beiträge abgeliefert und nicht für andere Zwecke verwendet werden
- Urteil H 251/03 vom 21.10.2004, Erw. 6.2
- Urteil H 173/03 vom 04.12.2003 Erw. 4.3.2
- BGE 9C_66/2016 vom 10.08.2016, Erw. 5.4
- cura custodiendo
- BGE 9C_66/2016 vom 10.08.2016, Erw. 5.4
- BGE 114 V 219 E. 4a S. 223 f.
- Urteil H 34/04 vom 15.09.2004 Erw. 5.4.1, in: SVR 2005 AHV Nr. 7 S. 23
- VRP als Angestellter in Subordinationsverhältnis der Unternehmung > Einlassung und nicht umgehende Demission ausreichend für Haftung nach AHVG 52 > VR auch in Arbeitnehmerstellung der strengen Haftung von AHVG 52 unterstehend
- Urteil H 37/00 Erw. 3b/bb
- Urteil H 200/01 vom 13.11.2001 Erw. 3a, in: AHI 2002 S. 51
- BGE 112 V 1 Erw. 2b
- BGE 9C_66/2016 vom 10.08.2016, Erw. 5.5