Im Grundbuchwesen – als Teil der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit – wird ausserhalb des einvernehmlichen grundbuchlichen Verwaltungsverfahrens mittels Verfügungen und Rechtsmitteln (Beschwerden) die Sach- und Rechtslage geklärt:
Begriff
- Sachbeschwerde (Spezielle Grundbuchbeschwerde) = Rechtsbehelf gegen die Abweisung einer Grundbuchanmeldung
Grundlage
Ausgangslage (Abweisung Grundbuchanmeldung)
- Abweisungspflicht
- Grundbuchanmeldung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen und
- Unmöglichkeit einer vorläufigen Eintragung nach ZGB 966 Abs. 2 (Ergänzung der Ausweise)
- Abweisungszwang
- Mängel beim Verfügungsrecht
- Mängel am Rechtsgrund (Rechtsgeschäft)
- Fehlende Eintragungsfähigkeit des angemeldeten Rechts oder Rechtsverhältnisses (Verstoss gegen Numerus clausus der eintragungsfähigen Rechte)
- Abweisungsverfügung
- Die schriftliche Abweisungsverfügung sollte folgende Voraussetzungen erfüllen
- Abweisungsdispositiv
- Begründung
- Bekanntgabe von Beschwerdefrist, Rechtsmittel und zuständiger Beschwerdestelle
- Eröffnung an den Anmeldenden und an alle, die von der Abweisung berührt sind
- Die schriftliche Abweisungsverfügung sollte folgende Voraussetzungen erfüllen
Ziele der Sachbeschwerde
- Gegenstand
- Die Sachbeschwerde richtet sich gegen die Abweisung einer Grundbuchanmeldung der Eintragung, Änderung oder Löschung von dinglichen Rechten und Vormerkungen
- Fokus
- Weigerung des Grundbuchverwalters, die nachgesuchte Eintragung (oder Anmerkung resp. Vormerkung), Änderung oder Löschung zu vollziehen
- Beschwerdeausschluss
- Eine Beschwerde ist demgegenüber in folgenden Fällen ausgeschlossen:
- gegen vollzogene Eintragungen, Änderungen oder Löschungen
- Grund: Eine solche Buchung kann nur durch gerichtliche Klage korrigiert werden
- Grundbuch-Rechtsbehelfe-Grundbuchberichtigungsklage
- gegen den positiven Bescheid des Grundbuchverwalters, eine Grundbuchanmeldung zu vollziehen
- Grund: fehlende Beschwer (kein Rechtsschutzinteresse)
- gegen vollzogene Eintragungen, Änderungen oder Löschungen
- Eine Beschwerde ist demgegenüber in folgenden Fällen ausgeschlossen:
Form
- Schriftlichkeit
Rechtsbegehren
- Es sei das Grundbuchamt anzuweisen, die nachgesuchte Buchung (Eintragung (oder Anmerkung resp. Vormerkung), Änderung oder Löschung) zu vollziehen, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons
Begründung
- Darlegung der materiellen Gründe, weshalb die Abweisung der Grundbuchanmeldung zu Unrecht erfolgte bzw. weshalb die Grundbuchanmeldung zu vollziehen ist
- Sofern und soweit die Abweisungsverfügung vorschriftswidrig ohne Beachtung der Verfügungsnormalien erfolgte, Darlegung, dass dies den Betroffenen nicht zum Nachteil gereichen könne
Zuständigkeit
- Ordentliches Gericht
Legitimation
- Aktivlegitimation
- Anmeldender sowie all jene, die durch die Abweisung berührt sind
- Personen, welche an der Aufhebung oder Änderung der Abweisungsverfügung ein besonderes unmittelbares Interesse haben
- Passivlegitimation
- Grundbuchamt bzw. Rechtsmittelinstanz, deren Entscheid weitergezogen werden soll,
- Einbeziehung betroffener Dritter (vgl. ZR 1979 Nr. 34, ZR 1974 Nr. 9)
- Weitere Detailinformationen
Beschwerdefrist
- Dauer
- 30 Tage
- Beginn des Fristenlaufs
- Der Tag, der Empfangstage der Abweisungsverfügung folgt
Verfahren
- Vorbehältlich der Pflicht zur Verfahrensbeschleunigung ist die Regelung des Verfahrens weitgehend Teil der Eidg. Zivilprozessordnung (ZPO)
Wirkung
- Anmerkung der Beschwerdeerhebung durch das Grundbuch auf dem entsprechenden Hauptbuchblatt; Löschung der Anmerkung nach rechtskräftiger Erledigung
Instanzenzug
- Allgemein
- Bezirksgericht
- Obergericht bzw. Kantonsgericht
- Bundesgericht
- Beschwerdeabweisung
- Formelle und materielle Rechtskraft des Entscheids führt dazu, dass die Grundbuchanmeldung nicht ein zweites Mal eingereicht werden kann
- Späteres Eintragungsbegehren aufgrund anderer Belege (= nicht identisch)
- Pflicht des Grundbuchamtes, neu über die Zulassung oder Abweisung zu befinden
- Beschwerdegutheissung
- Vollzugspflicht
- Eine Beschwerdegutheissung verpflichtet den Grundbuchverwalter, die Grundbuchanmeldung zu vollziehen
- Unveränderte grundbuchliche Verhältnisse
- Sind zwischen Anmeldungsabweisung und Gutheissung der Beschwerde keine grundbuchlichen Verfügungen erfolgt, so kann die ursprüngliche Grundbuchanmeldung nach Datum und Rang antragsgemäss vollzogen werden
- Veränderte grundbuchliche Verhältnisse
- Soweit die Rechte gutgläubiger Dritter betroffen sind, ist für Datum und Rang der Zeitpunkt des Erlasses des Beschwerdeentscheids massgebend (vgl. HOMBERGER ARTHUR, Zürcher Kommentar, Besitz und Grundbuch, Art. 919 – 977 ZGB, 2. Auflage, Zürich 1938, N14 zu ZGB
- Prozessentschädigung
- Der obsiegenden Partei wird zu Lasten der unterliegenden eine Prozessentschädigung zugesprochen
- Vollzugspflicht
Literatur
- Allgemein
- SCHMID JÜRG, Basler Kommentar zu ZGB 956
- WESPI PETER, Die Beschwerde in Grundbuchsachen, Diss. Zürich 1937
- Aktivlegitimation
- SCHMID JÜRG, Basler Kommentar, N 18 ff. zu ZGB 956
- Passivlegitimation
- SCHMID JÜRG, Basler Kommentar, N 22 zu ZGB 956
- HOMBERGER ARTHUR, Zürcher Kommentar, Besitz und Grundbuch, Art. 919 – 977 ZGB, 2. Auflage, Zürich 1938, N 7 zu ZGB 956
- Ausgeschlossene Sachbeschwerde
- SCHMID JÜRG, Basler Kommentar, N 10, N 28 und N 14 zu ZGB 956
- HOMBERGER ARTHUR, Zürcher Kommentar, Besitz und Grundbuch, Art. 919 – 977 ZGB, 2. Auflage, Zürich 1938, N 11 zu ZGB 956
Judikatur
- Administrative Aufsicht und Rechtsmittelaufsicht im Grundbuchbereich
- BGE 5A_854/2013
- Aktivlegitimation
- BGE vom 03.03.1983 in ZBGR 1985 99
- BGE 95 I 392 ff.
- BGE 112 II 26 ff.
- BGE 105 II 43 ff.
- ZR 1981 Nr. 26
- Passivlegitimation
- ZBGR 1982 65
- ZR 1979 Nr. 34
- ZR 1974 Nr. 9
- Ausgeschlossene Beschwerde
- BGE 98 Ia 185 f.
- BGE 76 I 232 ff. = Pra 1950 Nr. 150
- BGE 111 Ib 182
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