Grundbuchverwalter
Der Grundbuchverwalter ist von Gesetzes wegen verpflichtet, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Grundbucheintrag gegeben sind:
Begriff
- Kognition des Grundbuchverwalters = Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, ob die Voraussetzungen für eine Eintragung im weiteren Sinne (i.w.S.) oder Löschung + Änderung erfüllt sind bzw., ob die Grundbuchanmeldung den gesetzlichen Anforderungen genügt und der sog. „doppelte Ausweis“ (Verfügungsrechts-Ausweis und Rechtsgrund-Ausweis) vorliegt
Grundlage
Kognitionsverhalten
- Der Grundbuchverwalter entscheidet
- alleine
- aufgrund der konkreten Aktenlage
- ohne Zeugeneinvernahmen
- ohne Gutachten
- unter Beachtung von Tatsachen, die sich aus öffentlichen Registern
- nach der allf. Einholung einer Auskunft der Administrativbehörde
Umfang der Überprüfungsbefugnis
- Kognition im Allgemeinen
- Die Kognitionsbefugnis des Grundbuchverwalters geht in einigen Punkten weniger weit als die Kognition des Zivilgerichts
- Das Grundbuchamt prüft, gestützt auf die mit der Anmeldung eingereichten weiteren Belege, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung in das Hauptbuch erfüllt sind (GBV 83 Abs. 1)
- Kognition im Einzelnen
- die Form und den Inhalt der Anmeldung
- die Identität der anmeldenden Person
- die Verfügungsberechtigung der anmeldenden Person (GBV 84)
- bei Anmeldung durch einen Vertreter oder eine Vertreterin: die Vertretungsmacht
- die Handlungsfähigkeit, wenn sie nach den eingereichten Belegen oder nach dem Grundbuch eingeschränkt ist
- die Eintragungsfähigkeit der beantragten Eintragung
- die Rechtsgrundausweise, insbesondere deren Form
- die Vollständigkeit der Anmeldungsbelege
- die erforderlichen Bewilligungen und Zustimmungen
Zuständigkeitsprüfung
- Der Grundbuchverwalter prüft uneingeschränkt
- seine örtliche Zuständigkeit
- seine sachliche Zuständigkeit
Prüfung Rechtsgrund
- Freie Kognition
- Bei der Prüfung, ob beim Grundgeschäft die Formvorschriften eingehalten wurden, hat der Grundbuchverwalter volles Kognitionsrecht (vgl. GBV 83 Abs. 2 lit. g)
- Gültigkeitszweifel
- Der Grundbuchverwalter hat
- in Zweifelsfällen von der Gültigkeit des Rechtsgrundes auszugehen
- nur eine offensichtliche Nichtigkeit des Grundausweises von Amtes wegen zu berücksichtigen
- Der Grundbuchverwalter hat
- Keine Irrtums- oder Übervorteilungs-Prüfung
- Der Grundbuchverwalter hat nicht zu prüfen, ob eine Vertragspartei bei Vertragsschluss (Rechtsgrund) einem wesentlichen Irrtum erlegen ist oder übervorteilt wurde
- Grundbuchverwalterentscheid ohne Bindungswirkung für das ordentliche Gericht
- Der Entscheid des Grundbuchverwalter bindet das Zivilgericht in seinem Entscheid nicht
- Entsprechend kann das Zivilgericht einen Rechtsgrund, den der Grundverwalter als formgenüglich empfunden hat, als formungültig erklären
Prüfung Verfügungsrecht
- Kognitionsbeschränkung auf formale Kriterien
- Anmeldung durch eingetragenen Eigentümer
- Prüfung durch das Grundbuchamt, ob die anmeldende mit der eingetragenen Person identisch ist
- Anmeldung von einer Person, die ein Recht schon vor der Eintragung erworben hat (ZGB 656 Abs. 2, ZGB 665 Abs. 2 und 3, ZGB 836, ZGB 963 Abs. 2, BGBB 34 Abs. 3, FusG 22 Abs. 1, FusG 52 und FusG 73 Abs. 2)
- Prüfung, ob die anmeldende mit der berechtigten Person identisch ist
- Anmeldung von der aus dem Eintrag berechtigten Person aus (Art. 964 Abs. 1 ZGB)
- Prüfung durch das Grundbuchamt, ob die anmeldende mit der berechtigten Person identisch ist
- Vgl. GBV 84
- Anmeldung durch eingetragenen Eigentümer
- Kognition bei Anmeldung durch eine Behörde, ein Gericht oder eine Person öffentlichen Glaubens
- Anmeldung durch eine Behörde oder eine Person mit öffentlichen Aufgaben (Grundbuchamt, Urkundsperson, Gerichts-, Betreibungs- oder Konkursbehörde)
- Prüfung durch das Grundbuchamt, ob die Behörde, das Gericht oder die Person öffentlichen Glaubens für die Anmeldung zuständig ist
- Keine Prüfung, ob der Gerichtsentscheid materiell richtig ist
- Vgl. GBV 85
- Anmeldung durch eine Behörde oder eine Person mit öffentlichen Aufgaben (Grundbuchamt, Urkundsperson, Gerichts-, Betreibungs- oder Konkursbehörde)
Prüfung Grundbuchanmeldung
- Kognition des Grundbuchamts
- Prüfung, ob die Grundbuchanmeldung die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt
- Weitere Detailinformationen
- Siehe ferner Grundbuchanmeldung
Rechtsmittelbehörden
Dieselbe Kognition wie der Grundbuchverwalter steht auch den Rechtsmittelbehörden im Beschwerdeverfahren zu.
Vgl. ferner Aufsicht-Beschwerdewesen
Literatur
- Allgemein
- DEILLON-SCHEGG BETTINA, Grundbuchanmeldung und Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters im Eintragungsverfahren, Diss. Zürich 1997, S. 47 ff., S. 95 ff. und S. 141 ff.
- Umfang der Überprüfungsbefugnis
- DESCHENAUX HENRI, SPR V/3, S. 475 ff.
- ZGRG 1998, S. 178 ff. (Grundbuchinspektor Graubünden (Kreisschreiben zum grundbuchlichen Vollzug von Gerichtsurteilen))
Judikatur
- Kognition im Allgemeinen, ohne Zeugen und ohne Gutachten
- BGE 124 III 341 ff.
- BGE 112 II 26 ff.
- BGE 119 II 16 ff.
- BGE vom 19.10.1990, in: ZBGR 76 (1995) S. 243 f.
- BGE 124 III 341 ff.
- LGVE 2009 I Nr. 8 S. 19 ff. (Obergericht des Kantons Luzern, heute Kantonsgericht Luzern)
- Umfang der Überprüfungsbefugnis
- Eintragungsfähigkeit
- BGE 131 III 414 ff.
- BGE 5A.28/2005 = ZBGR 87 (2006) 381 ff.
- BGE 5A_383/2010 = ZBGR 92 (2011) 345 ff.
- Prüfung Rechtsgrund
- Berücksichtigung einer Nichtigkeit von Amtes wegen
- BGE 124 III 314 ff.
- BGE 5A.28/2005 = ZBGR 87 (2006) 381 ff.
- BGE 5A_383/2010 = ZBGR 92 (2011) 345 ff.
- Keine Irrtums- oder Übervorteilungs-Prüfung
- BGE 124 III 341 ff.
- BGE 5A.28/2005 = ZBGR 87 (2006) 381 ff.
- Berücksichtigung einer Nichtigkeit von Amtes wegen
- Prüfung Verfügungsrecht
-
-
- BGE 5A_240/2014 vom 18.12.2014 = BGE 141 III 13 ff. = ZBGR 98 (2017) 44 ff.
- BGE 124 III 341 ff.
- LGVE 1998 I Nr. 8 S. 22 ff.
- BGE 112 II 26 ff.
- BGE 117 II 541 ff.
- BGE 126 III 309 ff.
-
- Prüfung Grundbuchanmeldung durch Behörde oder Gericht
- BGE 119 II 16 ff.
- ZBGR 77 (1996) 171 ff. (Berner Verwaltungsgericht)
- FZR 1996 S. 257 ff. (Freiburger Aufsichtsbehörde über das Grundbuch)