Für die Nichtleistung im Kaufrecht gelten grundsätzlich die gleichen Bestimmungen wie für die Nichtleistung im allgemeinen Vertragsrecht vgl. Nichtleistung (allgemein).
Eine wichtige Ausnahme bilden bei unverschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit einer Leistung die Gefahrtragungsregeln des Kaufrechts nach OR 185. Sie bewirken, dass je nach Zeitpunkt des zufälligen Untergangs der Kaufsache, entweder der Käufer oder der Verkäufer die sog. Preisgefahr trägt.
Liegt die Preisgefahr beim Käufer heisst das, dass er den Kaufpreis bezahlen muss aber den untergegangenen Kaufgegenstand nicht erhält. Liegt die Preisgefahr beim Verkäufer heisst das, dass mit dem Kaufgegenstand gleichzeitig auch sein Anspruch auf den Kaufpreis untergeht.
Grundlagen
- OR 119
- OR 185
Allgemeine Rechtsfolgen bei zufälligem (unverschuldetem) Untergang der Leistung
- Leistung des Schuldners
- Forderung gilt als erloschen
- OR 119 Abs. 1
- Forderung gilt als erloschen
- Leistung des Gläubigers
- Gläubiger wird von Leistungspflicht befreit
- OR 119 Abs. 2
- Bereits erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden
- Rückforderung gemäss ungerechtfertigter Bereicherung nach OR 62
- OR 119 Abs. 2
- Rückforderung gemäss ungerechtfertigter Bereicherung nach OR 62
- Gläubiger wird von Leistungspflicht befreit
Ausnahmen nach OR 119 Abs. 3
- Die allgemeinen Rechtsolgen nach OR 119 bei zufälligem Untergang einer Leistung gelten nicht, wenn die Gefahr nach Gesetzesvorschrift vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht
- Hauptanwendungsfall ist die Gefahrtragung des Kaufrechts nach OR 185
- Vgl. Gefahrtragung
- Hauptanwendungsfall ist die Gefahrtragung des Kaufrechts nach OR 185
Wirkung der Gefahrtragung nach OR 185
- Käufer trägt Risiko für den zufälligen Untergang der Sache ab Vertragsschluss, sofern nicht besondere Verhältnisse oder Verabredungen eine Ausnahme begründen
- Vgl. OR 185 Abs. 1
- Ist die veräusserte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so geht das Risiko gemäss OR 185 Abs. 2 wie folgt auf den Käufer über:
- Holschuld / Platzkauf
- nach Ausscheidung der Ware
- Schickschuld / Versendungskauf
- Wenn Ware zur Versendung aufgegeben wurde
- Bringschuld / Fernkauf
- Verkäufer muss Kaufsache am vereinbarten Erfüllungsort anbieten und bereithalten
- Holschuld / Platzkauf
Rechtsfolgen der Gefahrtragung
- Gefahr beim Käufer
- Käufer muss Kaufpreis bezahlen, auch wenn er vom Verkäufer nur den verschlechterten Kaufgegenstand oder bei vollständigem Untergang, den Kaufgegenstand gar nicht erhält
- Käufer trägt Preisgefahr
- Gefahr beim Verkäufer
- der Anspruch auf den Kaufpreis geht mit Kaufsache unter
- Verkäufer trägt Preisgefahr
- Wird die Kaufsache zufällig verschlechtert, hat der Käufer die Rechte nach OR 197 ff.
- der Anspruch auf den Kaufpreis geht mit Kaufsache unter
Gesetzestexte
OR 185 B. Nutzen und Gefahr
B. Nutzen und Gefahr
1 Sofern nicht besondere Verhältnisse oder Verabredungen eine Ausnahme begründen, gehen Nutzen und Gefahr der Sache mit dem Abschlusse des Vertrages auf den Erwerber über.
2 Ist die veräusserte Sache nur der Gattung nach bestimmt, so muss sie überdies ausgeschieden und, wenn sie versendet werden soll, zur Versendung abgegeben sein.
3 Bei Verträgen, die unter einer aufschiebenden Bedingung abgeschlossen sind, gehen Nutzen und Gefahr der veräusserten Sache erst mit dem Eintritte der Bedingung auf den Erwerber über.
Literatur
- Kälin Oliver, Unmöglichkeit der Leistung nach Art. 119 OR und clausula rebus sic stantibus, recht 2004, S. 246 ff.
- Bucher Eugen, OR Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, § 18, S. 291 ff.
- Müller-Chen Markus / Huguenin Claire, Vertragsverhältnisse Teil 1: Innominatkontrakte, Kauf, Tausch, Schenkung, Miete, Leihe; Art. 184-318 OR, Zürich, 2016, 617 S.
- Koller Alfred, BSK-OR I, 5. Aufl., Basel 2011, N 1 ff. zu Art. 185