Kollektive Abwanderung
Immer mehr Unternehmen werben ganze Mitarbeiter-Teams bei der Konkurrenz ab.
Wirkung
Die Abwerbung von Teams bewirkt dreierlei:
- Erwerb von Know How und Kundenkontakten
- Kurzfristige Kapazitätserhöhung
- Konkurrenten-Schwächung.
Grundsatz
Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist grundsätzlich zulässig. Auch für die Personalakquise gilt die freie Marktordnung.
Ausnahme
Ausgangslage
Das abwerbende Unternehmen möchte seinen Konkurrenten bewusst schädigen:
- Abwerbung von Mitarbeitern, die nicht benötigt werden.
- Abwerbung mit Hilfe falscher Tatsachenbehauptungen (zB üble Nachrede etc.)
Rechtstitel
Es liegt eine „unerlaubte Handlung“ vor (OR 41 ff.), ev. unlauterer Wettbewerb (sog. UWG-Verletzung).
Beweislast
Schadenersatzklage aus unerlaubter Handlung:
Es ist zu beachten, dass
- die Beweislast beim geschädigten Unternehmen liegt
- dieses die bewusste Schädigung nachweisen muss
- das klagende Unternehmen auch den Schaden beziffern und beweisen muss.
Wettbewerbsrechtliche Klage:
Das im Wettbewerb behinderte Unternehmen trägt die Beweislast für die behindernde Massnahme und den adäquaten Kausalzusammenhang des behindernden Ereignisses (Abwerbung / oft werden die Mitarbeiter erklären, sie hätten aus freien Stücken den früheren Arbeitgeber verlassen wollen).
Korrekturen aus dem Wettbewerbsrecht
Ziel ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes bzw. der vorhergehenden Wettbewerbssituation:
- Abgeworbene Mitarbeiter dürfen dann für eine bestimmte Zeit nicht beim neuen Arbeitgeber arbeiten.
- Kontaktverbot.
Hiezu fehlen jedoch eine klare Gesetzgebung und gerichtliche Leitentscheide gänzlich.
Erstkontakt
In Deutschland dürfen Personalberater
- nur einmal anrufen
- die neue Stelle nur kurz beschreiben
- das Interesse des Angerufenen erkunden.
Dimension
Grundsatz
Die Zahl der abgeworbenen Mitarbeiter ist nicht massgeblich.
Ausnahme
Wird gezielt eine grosse Zahl von Arbeitnehmern eines Unternehmens abgeworben (zB ¾ des Personals [D]), entsteht ein starkes Indiz für unlauteren Wettbewerb.
Voraussetzungen für das Gelingen
» Voraussetzungen für Lift outs (PDF, 57 KB)
Konkurrenzverbot
Der Arbeitgeber kann sich durch schriftliche Abrede eines Konkurrenzverbotes im Arbeitsvertrag auf max. 3 Jahre vor Abwerbung derjenigen Mitarbeiter, die Einblick in den Kundenkreis oder in die Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse haben, schützen.
Beispiele von Lift-outs
- Deutsche Bank warb der ZKB ein Team von 4 Derivate-Spezialisten ab
- Wölbern Invest warb Lloyd Fonds und Nordcapital Mitarbeiter ab
- Behrenberg Invest wirbt Wölbern Invest rund 20 Arbeitnehmer ab; Wölbern macht wegen Verdachts auf Datenklau Strafanzeige: 50 Polizisten durchsuchen die Räume der Hamburger Privatbank (vgl. Immobilien Zeitung vom 28.01.2010, S. 5)
- Das Immobilien-Team um Jan Eckert wechselte
- von Arthur Andersen zu Ernst & Young
- von Ernst & Young zu Sal. Oppenheim
- von Sal. Oppenheim zu Jones Lang LaSalle.
- Das IT-Unternehmen Bison Schweiz AG warb 2010 auf einen Schlag 180 Mitarbeiter samt Geschäftsleitung vom Konkurrenten Comparex Schweiz AG ab
- Comparex wehrte sich mittels zivilrechtlicher Unterlassungsklage und Strafanzeige gegen den ehemaligen CEO und den damaligen VR (Quellen siehe Box)
Weiterführende Informationen
- In Sachen Comparex Schweiz AG vs. Bison Schweiz AG und Konsorten
- SOMMER SARAH, Kraftlose Klauseln, Die Abwerbung eines ganzen Team ist ein Albtraum für Firmen. Wehren können sie sich kaum, in: Handelszeitung vom 29.10.2015, S. 29
- PC-Ware erklärt Bison den Krieg – „Diebstahl“, „kriminelle Aktion“, „unlauter“. PC-Ware-Konzern reicht Strafanzeigen ein. Mitarbeitende von Comparex können bleiben, sagt PC-Ware-Chef Elsbacher, in: inside-channels.ch vom 16.04.2010
- Comparex leitet weitere rechtliche Schritte gegen Bison-Gruppe ein, in: netzwoche.ch vom 03.06.2010
- Kadermitarbeiter von IT-Unternehmen müssen sich vor Gericht verantworten – Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern hat die Untersuchungen gegen ehemals Verantwortliche der Surseer IT-Unternehmen Bison Schweiz AG und Comparex Schweiz AG abgeschlossen. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie im Jahr 2010 der Firma Comparex Schweiz AG mit unlauteren Methoden Personal abgeworben haben. Die beiden ehemaligen CEO’s werden beim Kriminalgericht des Kantons Luzern angeklagt (Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern vom 28.05.2015)
Voraussetzungen für Lift outs
Grundregeln für ein Gelingen
Damit ein Lift-out gelingt, müssen bestimmte Grundregeln befolgt werden:
- die Art des Abwerbens
- Verständigung über die Ziele des Lift-outs
- Definierung von Funktion, Aufgaben und Zielen beim abwerbenden Unternehmen
- Hinterfragung der Team-Stärken und –Schwächen durch die abwerbende Unternehmung
- Prognose, ob das Team in der neuen Umgebung noch gut funktioniert und, ob ein Kundentransfer stattfindet (wollen die Kunden überhaupt zum neuen Unternehmen?)
- Folgen die Mitarbeiter ihrem Chef ins neue Unternehmen
- Strategie gegen mögliche Halteofferten des bisherigen Arbeitgebers.
- die Integration der Teamleitung
- Zugang der Teamleitung zur obersten Führung des neuen Unternehmens
- Konsolidierung der Integration
- die Einarbeitung des Teams
- möglichst einfache und angenehme Einführung
- freie Gestaltung der Einarbeitungsphase durch das Team selbst
- Bereitstellung der Wunschinfrastruktur.
- die kulturelle Integration des Teams
- Prinzip der langen Leine
- Führungsprinzip, dass sich bisherige und neue Mitarbeiter komplementär ergänzen
- To do’s: Freiwillige Kulturübernahme
- Dont’s: teambildende Uebungen (das Team kennt sich ja bereits)
- Erzielung von Arbeitserfolgen als Integrationsmittel
- Das Team steht unter Erfolgszwang, auch in der neuen Umgebung seinen Wert wieder unter Beweis stellen zu können.
Misslingen
Werden diese Grundregeln nicht beachtet, entstehen folgende Risiken:
- Das abgeworbene Team arbeitet beim abwerbenden Arbeitgeber nicht mehr produktiv.
- Es gibt Abgänge aus dem abgeworbenen Team
- Es werden Karrieren aufs Spiel gesetzt.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit / s.e.&o. – ohne Gewähr