Vermietermotive
In der Praxis wird regelmässig der Rückbau verlangt (vereinbart), weil der Vermieter frei sein will, nach Beendigung des Mietverhältnisses einen neuen Mieter unter Vertrag zu nehmen, der einen eigenen individuellen Ausbau wünscht.
Rückbauverpflichtung des Mieters
Unserer Ansicht nach ist es zulässig, im Rohbaumietvertrag eine Rückbauverpflichtung des Mieters zu verabreden:
Verabredung
- Ursprüngliche Abrede
- Die Rückbauverpflichtung ist wenn möglich im Voraus zu verabreden
- Nachträgliche Abrede?
- Eine nachträgliche Rückbauabrede würde unter dem gesetzlichen Anfechtungsrisiko (OR 270b) stehen und es müssten die besonderen Formalitäten von OR 269d beachtet werden (Formular- und Begründungspflicht etc.; siehe Box)
Form
- Schriftlichkeit (OR 260a Abs. 2)
Zulässigkeit einer partiellen Rückbaupflicht
- Es ist zulässig, den Umfang der Rückbaupflicht einen bestimmten, definierten Teil des Mieterausbaus zu beschränken, wie zB:
- „… mit Ausnahme der Beleuchtung“
- „… mit Ausnahme der Toilettenanlagen“
- „… mit Ausnahme der Wendeltreppe zwischen 1. und 2. OG“
Kostentragung
- Die Kosten des Rückbaus gehen vollumfänglich zu Lasten des Mieters
Kein Entschädigungsanspruch
- Es wird kein Entschädigungsanspruch des Mieters begründet, weder nach OR 256 Abs. 2 noch nach OR 267 Abs. 2.
Folge:
- Ohne schriftliche Rückbauverpflichtung ist der Mieter nicht verpflichtet, die Mietsache im ursprünglichen (Rohbau-)zustand zurückzugeben.
- Eine schriftliche Rückbauverpflichtung hat detailliert zu erfolgen.
- Die Rückbauverpflichtung muss bei Mietvertragsabschluss vereinbart werden oder gemäss OR 269d Abs. 3 eingeführt werden.
Wahlrecht des Vermieters, den Rückbau zu verlangen oder darauf zu verzichten
Bei einem mietvertraglichen Wahlrechtmöglichkeit des Vermieters gilt:
- Bei Rückbauverzicht des Vermieters: kein Wegnahmerecht des Mieters
- Bei Ausübung des Wahlrechts auf Rückbau, Wegnahmerecht des Mieters
Rückbaurecht des Mieters
Mangels Vertragsabrede kann umstritten sein, ob der Mieter von sich aus, d.h. ohne Verlangen des Vermieters, den Mieterbau beseitigen und aus dem Mietobjekt entfernen darf (Rückbaurecht des Mieters).
Eine solche Konfliktsituation kann entstehen, wenn
- die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands im Mietvertrag nicht oder ungenügend geregelt wurde oder
- wenn der Vermieter auf einen Rückbau verzichtet.
Gesetzestexte
Art. 256 OR D. Pflichten des Vermieters / I. Im Allgemeinen
D. Pflichten des Vermieters
I. Im Allgemeinen
1 Der Vermieter ist verpflichtet, die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten.
2 Abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters sind nichtig, wenn sie enthalten sind in:
- vorformulierten allgemeinen Geschäftsbedingungen;
- Mietverträgen über Wohn- oder Geschäftsräume.
Art. 267 OR P. Rückgabe der Sache / I. Im Allgemeinen
P. Rückgabe der Sache
I. Im Allgemeinen
1 Der Mieter muss die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
2 Vereinbarungen, in denen sich der Mieter im Voraus verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Entschädigung zu entrichten, die anderes als die Deckung des allfälligen Schadens einschliesst, sind nichtig.
Art. 269d OR D. Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter
D. Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter
1 Der Vermieter kann den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin erhöhen. Er muss dem Mieter die Mietzinserhöhung mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen.
2 Die Mietzinserhöhung ist nichtig, wenn der Vermieter:
- sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular mitteilt;
- sie nicht begründet;
- mit der Mitteilung die Kündigung androht oder ausspricht.
3 Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn der Vermieter beabsichtigt, sonstwie den Mietvertrag einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern, namentlich seine bisherigen Leistungen zu vermindern oder neue Nebenkosten einzuführen.
Literatur
- Zulässigkeit der Vereinbarung einer Rückbauverpflichtung im Rohbaumietvertrag
- VISCHER MORITZ, Die Rohbaumiete – Zulässigkeit und Grenzen, Diss. Zürich / Basel / Genf 2014, S. 152 ff.
- Herrschende Lehre, die bei Vereinbarung einer Rückbauverpflichtung einen Verstoss gegen OR 256 Abs. 2 du OR 267 Abs. 2 annehmen
- WEBER ROGER, Basler Kommentar, N 6a zu OR 256
- WALTER, KUKO OR, Rz 9 zu OR 256
- LACHAT DAVID / WYTTENBACH MARKUS, 32. Kap., Rz 4.3
- ZANETTI GIANNI F., Ausgewählte Aspekte der Rohbaumiete, mp 2011, S. 100 f.
- PERMANN RICHARD, Nichtgeregeltes Sonderproblem Rohbaumiete bei Geschäftsräumlichkeiten, in: AJP 12/2007, S. 1530
- Autoren, die die Vereinbarung einer Rückbauverpflichtung in jedem Fall als unzulässig erachten
- WALTER, KUKO OR, Rz 9 zu OR 256
- LACHAT DAVID / WYTTENBACH MARKUS, 32. Kap., Rz 4.3
- Zum Vermieterwahlrecht
- VISCHER MORITZ, Die Rohbaumiete – Zulässigkeit und Grenzen, Diss. Zürich / Basel / Genf 2014, S. 155, Rz 331
- Formalitäten
- TSCHUDI JEAN-PIERRE, Die Rohbaumiete Location de locaux „crus“, MRA 2008, S. 53 f.
Judikatur
- BGE 4A_73/2013
- BGE 4A_81/2013