Ergänzungen vor Beendigung der Testamentserrichtung
Solange die Niederschrift des Testaments nicht abgeschlossen ist, sind ohne weiteres möglich:
- Änderungen oder
- Ergänzungen.
Es schadet der Errichtung eines eigenhändigen Testaments nicht, wenn im Verlauf der Niederschrift
- Korrekturen angebracht werden, die im Schreibtext sichtbar bleiben.
Die Niederschrift des Testaments gilt dann als abgeschlossen im Sinne von «rien ne va plus», wenn die Urkunde das formelle Abschlussrequisit aufweist:
- die Unterschrift.
Für die Zurechenbarkeit zum alten Text muss die zeitliche Nähe zur ursprünglichen Niederschrift dazukommen.
Alle späteren Anordnungen, die äusserlich (urkundlich) oder inhaltlich in das bisherige Testament eingreifen, sind die Formen wie für eine neue Testamentsurkunde zu beachten:
- Bei fehlender Unterschrift oder Paraphierung der Zusätze im fortlaufenden Text bietet einem Anfechtenden Beweisschwierigkeiten, könnten doch solche Ergänzungen bereits bei ursprünglichen Errichtungsakt hinzugefügt worden und durch die nachfolgende Unterschrift gedeckt sein. Eine andere Kugelschreiberfarbe könnte eine spätere Hinzufügung indizieren.
- Bei einer Postskriptum-Ergänzung wird vermutet, dass die Anordnung nach der Unterschrift hinzugefügt wurde und daher nicht durch die Unterschrift gedeckt ist (vgl. BGE 117 II 239, Erw. 3b).
Ergänzungen nach Beendigung der Testamentserrichtung
Unter dem Begriff „Ergänzung“ wird verstanden:
- Neue Anordnungen ohne das bisher Verfügte zu ändern;
- Widerrrufe.
Unabhängig davon,
- ob der Zusatz als Nachtrag zu werten ist (zB als Postscriptum nach der Unterschrift), oder
- ob im vorhandenen Text weitere Anordnungen zugefügt wurden (zB Ergänzung eines Legates),
müssen die Ergänzungen das Formerfordernis der eigenhändigen letztwilligen Verfügung (Testament) erfüllen. Bei zeitlich späteren Ergänzungen ist zumindest ist ein Paraphieren der Zusätze erforderlich (vgl. BGE 80 II 302, Erw. 2).
Beanstandungen / Behauptungs- und Beweislast
Die Abläufe der Testamentserrichtung und allf. Ergänzungen sind nach dem Tod oft schwer rekonstruierbar:
- Textergänzungen oberhalb der Unterschrift erscheinen sind grundsätzlich „aus der Zeit“ zu vermuten und unproblematisch.
- Die Beweislast trägt derjenige, welcher die spätere Zufügung eines urkundlich durch die Unterschrift abgedeckten (ändernden oder ergänzenden) Zusatzes behauptet.
Literatur
- ABT DANIEL / WEIBEL THOMAS, Praxiskommentar Erbrecht, Basel 2019, N 18 zu Art. 505 ZGB
- BK-TUOR, N 13 zu Art. 505 ZGB
- BK-WEIMAR, N 26 zu Art. 505 ZGB
- ZK-ESCHER, N 11 zu Art. 505 ZGB
- BSK-BREITSCHMID, N 13 + n 14 zu Art. 505 ZGB
- WEIGOLD HERMANN, Aufhebung und Änderung der letztwilligen Verfügungen, Diss. Zürich 1969
Judikatur
- BGE 129 III 580, Erw. 1.2
- BGE 117 II 239, Erw. 3e + 3.5
- BGE 80 II 302, Erw. 2
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