Grundsätzliches
Gesetzliche Grundlagen
Begriff
- Mit der Anweisung wird der angewiesene ermächtigt und bei Annahme verpflichtet, für Rechnung des Anweisenden eine bestimmte an den Leistung (Zahlung) Anweisungsempfänger zu erbringen (vgl. OR 466)
Rechtsnatur
- Anweisung = einseitige Erklärung
- Abstraktheit der Anweisung
Verhältnis zum Wertpapierrecht
- Die wertpapierrechtlichen Normen haben vor den Anweisungsregeln Vorrang (vgl. OR 471 Abs. 2)
Erscheinungsarten
- Bargeldloser Zahlungsverkehr
- Vergütungsauftrag
- Bankdepot-Errichtung, um Auszahlung eine Rente sicherzustellen
- Vgl. SemJud 1960 23 ff.
- Zahlungsversprechen an eines Käufers an die Bank des Verkäufers, die diesem für die Kaufgegenstands-Anschaffung eine Darlehen gewährt, unter Abtretung der Rechte
- BGE 92 II 335 ff., BJM 1956 275 ff., BGE 80 II 82 (Notifikation Forderungsabtretung)
- Zession
- Konversion eines nicht den Formvorschriften des Checkrechts entsprechenden Urkunde in eine Anweisung
- Vgl. BGE 80 II 87 f., ZR 1974
- WIR-Geldleistungen (Buchungsauftrag)
- Vgl. BGE 95 II 182 f., ZR 1964 Nr. 136
- Kreditkartengeschäft
Inhalt
- Anweisung beinhaltet ein Dreiecksverhältnis, bei welchem der Angewiesene beauftragt wird, auf Rechnung des Anweisenden Geld, Wertpapiere und andere vertretbare Sachen den Anweisungsempfänger zu leisten, wobei letzterer ermächtigt ist, die Leistung vom Angewiesenen in eigenem Namen zu fordern
- Bezeichnung eines Geldbetrages nicht zwingend; die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des Quantitativs ist ausreichend (vgl. BGE 73 II 47 f.)
Form
- Formfreiheit
- Schriftlichkeit üblich
Valutaverhältnis
- = Vertragsverhältnis zwischen Anweisendem und Anweisungsempfänger (Grundgeschäft)
- Gesetzliche Grundlage
- Ziel
- zumeist Tilgung einer Schuld des Anweisenden gegenüber dem Anweisungsempfänger (vgl. OR 467)
- Vorliegen eines Rechtsverhältnisses, aus welchem der Anweisungsempfänger in eigenem Namen eine Leistung (meistens Geldzahlung) beziehen kann
- Anwendungsbeispiele
- Kaufvertrag
- Darlehensvertrag
- Auftrag
- Werkvertrag
- Anwendungsbeispiele
- Anweisender ist also in der Regel Schuldner des Anweisungsempfängers
- Anweisung bildet Erfüllungssurrogat
- Ermächtigung des Anweisungsempfängers, beim Angewiesenen Geldbetrag zu beziehen
- Nichtleistung des Anweisungsempfängers
- Anweisender ist sofort zu benachrichtigen (vgl. OR 469)
- Ohne entsprechende Abrede hat der Anweisungsempfänger kein Regressrecht unter dem Titel eines Zahlungsversprechens auf den Anweisenden (vgl. BGE 105 II 106, BGE 95 II 182 f. bzw. BGE 80 II 87 f., BGE 40 II 408)
- Anweisungsempfänger muss die Forderung aus dem Grundgeschäft durchsetzen
- Widerruf der Anweisung
- Der Widerruf der Anweisung durch den Anweisenden ist bis zur Zahlung möglich, ausser es erfolge dadurch eine Schuldentilgung oder sonst eine Leistung im Interesse des Anweisungsempfängers (vgl. OR 470 Abs. 1)
Leistungsverhältnis
- = Verhältnis zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger (Forderungsrecht)
- Durch die Anweisung wird erst das Rechtsverhältnis begründet; es gibt also kein vorbestandenes Rechtsverhältnis
- Leistungsverpflichtung des Angewiesenen
- Voraussetzung
- Annahme der Anweisung durch den Angewiesenen (vgl. OR 468 Abs. 1)
- Form
- Annahme kann formfrei, auch stillschweigend oder konkludent, erfolgen
- Erfordernis der unzweideutigen und jeden Zweifel ausschliessenden Annahme; vgl. BGE 113 II 523 ff., SemJud 1969 352, SemJud 1955 407
- Beweisobliegenheit
- Vgl. BJM 1982 104 ff.
- Voraussetzung
- Forderungsrecht des Anweisungsempfängers
- Der Anweisungsempfänger kann erst in eigenem Namen die Erfüllung der Anweisung fordern, wenn die Anweisung vom Angewiesenen angenommen worden ist oder die Anweisung auf eine Schuld erfolgt
- Vgl. BGE 113 II 523 ff., BGE 100 II 373 f., ZR 1974 Nr. 89, SemJud 1971 284 ff.
- Abstrakte Schuldpflicht des Angewiesenen
- Die Schuld des Angewiesenen gilt als abstrakt
- Der Angewiesene kann daher keine Einreden aus dem Valutaverhältnis oder aus dem Deckungsverhältnis erheben; vgl. BGE 92 II 338 f., ZR 1984 Nr. 88
Deckungsverhältnis
- = Verhältnis zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen (Ermächtigung des Angewiesenen, an den Anweisungsempfänger zu leisten)
- Gesetzliche Grundlage
- Leistungsverpflichtung des Angewiesenen?
- Grundsatz
- Keine Verpflichtung des Angewiesenen zur Anweisung
- Ausnahmen
- Angenommener Anweisung
- Verpflichtung bei Erklärung der Anweisungsannahme (vgl. OR 468 Abs. 1); Kenntnisnahme der Anweisung allein beinhaltet nicht eine Anweisungsannahme (vgl. SemJud 1950 423)
- „Anweisung auf Schuld“
- Angewiesener ist Schuldner des Anweisenden, unter der Voraussetzung, dass sich seine Lage durch die Leistung an den Anweisungsempfänger nicht verschlechtert (vgl. OR 468 Abs. 2)
- Angenommener Anweisung
- Grundsatz
- Widerruf der Anweisung
- Der Anweisungswiderruf ist zulässig bis zur Abgabe der Annahmeerklärung durch den Anweisungsempfänger (vgl. OR 470 Abs. 2)
- Widerruf bis Gutschrift auf dem Konto des Anweisungsempfängers, vgl. BGE 100 II 373, ferner SemJud 1971 281
- Der Anweisungswiderruf ist zulässig bis zur Abgabe der Annahmeerklärung durch den Anweisungsempfänger (vgl. OR 470 Abs. 2)
- Ersatzanspruch bzw. Schuldbefreiung
- Ersatzanspruch
- Die Leistung des Angewiesenen auf Rechnung des Anweisenden begründet diesem gegenüber einen Ersatzanspruch
- Schuldbefreiung
- Erfolgt die Leistung des Angewiesenen aufgrund einer Schuld gegenüber dem Anweisenden, so wird er im Leistungsumfange automatisch davon befreit
- Ersatzanspruch
Wirkung
- Ist eine Schuld des Anweisenden zu bezahlen, ist sie erst durch die Leistung des Angewiesenen getilgt
Schadenersatzpflicht
- Die Schadenersatzpflicht des Angewiesenen gegenüber dem Anweisenden wird begründet, wenn letzterer seine gesetzliche oder vertragliche Leistungspflicht an den Anweisungsempfänger verletzt
Widerruf
- Widerruf gegenüber dem Angewiesenen
- Anweisungswiderruf ist solange möglich als der Angewiesene dem Anweisungsempfänger nicht die Annahme erklärte
- Widerruf gegenüber dem Anweisungsempfänger
- Anweisungswiderruf ist möglich, wenn die Anweisung nicht zur Tilgung einer Schuld oder sonst zum Vorteil des Anweisungsempfängers erteilt wurde
- Konkurs des Anweisenden
- Der Konkurs über das Vermögen des Anweisenden führt zum Widerruf der nicht angenommenen Anweisung (vgl. OR 470 Abs. 3)
- Vgl. BGE 88 II 26
Weiterführende Informationen
Anweisungs-Schema
» Hier finden Sie das Schema zur Anweisung zum Download:
Gestzestexte
A. Begriff
Durch die Anweisung wird der Angewiesene ermächtigt, Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen auf Rechnung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger zu leisten, und dieser, die Leistung von jenem in eigenem Namen zu erheben.
B. Wirkungen
I. Verhältnis des Anweisenden zum Anweisungsempfänger
1 Soll mit der Anweisung eine Schuld des Anweisenden an den Empfänger getilgt werden, so erfolgt die Tilgung erst durch die von dem Angewiesenen geleistete Zahlung.
2 Doch kann der Empfänger, der die Anweisung angenommen hat, seine Forderung gegen den Anweisenden nur dann wieder geltend machen, wenn er die Zahlung vom Angewiesenen gefordert und nach Ablauf der in der Anweisung bestimmten Zeit nicht erhalten hat.
3 Der Gläubiger, der eine von seinem Schuldner ihm erteilte Anweisung nicht annehmen will, hat diesen bei Vermeidung von Schadenersatz ohne Verzug hievon zu benachrichtigen.
II. Verpflichtung des Angewiesenen
1 Der Angewiesene, der dem Anweisungsempfänger die Annahme ohne Vorbehalt erklärt, wird ihm zur Zahlung verpflichtet und kann ihm nur solche Einreden entgegensetzen, die sich aus ihrem persönlichen Verhältnisse oder aus dem Inhalte der Anweisung selbst ergeben, nicht aber solche aus seinem Verhältnisse zum Anweisenden.
2 Soweit der Angewiesene Schuldner des Anweisenden ist und seine Lage dadurch, dass er an den Anweisungsempfänger Zahlung leisten soll, in keiner Weise verschlimmert wird, ist er zur Zahlung an diesen verpflichtet.
3 Vor der Zahlung die Annahme zu erklären, ist der Angewiesene selbst in diesem Falle nicht verpflichtet, es sei denn, dass er es mit dem Anweisenden vereinbart hätte.
III. Anzeigepflicht bei nicht erfolgter Zahlung
Verweigert der Angewiesene die vom Anweisungsempfänger geforderte Zahlung oder erklärt er zum voraus, an ihn nicht zahlen zu wollen, so ist dieser bei Vermeidung von Schadenersatz verpflichtet, den Anweisenden sofort zu benachrichtigen.
C. Widerruf
1 Der Anweisende kann die Anweisung gegenüber dem Anweisungsempfänger widerrufen, wenn er sie nicht zur Tilgung seiner Schuld oder sonst zum Vorteile des Empfängers erteilt hat.
2 Gegenüber dem Angewiesenen kann der Anweisende widerrufen, solange jener dem Empfänger seine Annahme nicht erklärt hat.
2bis Bestimmen die Regeln eines Zahlungssystems nichts anderes, so ist die Anweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr unwiderruflich, sobald der Überweisungsbetrag dem Konto des Anweisenden belastet worden ist.
3 Wird über den Anweisenden der Konkurs eröffnet, so gilt die noch nicht angenommene Anweisung als widerrufen.
D. Anweisung bei Wertpapieren
1 Schriftliche Anweisungen zur Zahlung an den jeweiligen Inhaber der Urkunde werden nach den Vorschriften dieses Titels beurteilt, in dem Sinne, dass dem Angewiesenen gegenüber jeder Inhaber als Anweisungsempfänger gilt, die Rechte zwischen dem Anweisenden und dem Empfänger dagegen nur für den jeweiligen Übergeber und Abnehmer begründet werden.
2 Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über den Check und die wechselähnlichen Anweisungen.
Judikatur
- BGer 4A_9/2020 vom 09.07.2020 (Zahlungsauftrag-Erteilung durch Hacker / kein systematisches Misstrauen der Bank erforderlich)
- BGer 4A_4A_178/2019 und 4A_192/2019 vom 06.08.2020 (Gefälschter e-mail-Zahlungsauftrag / fehlende Kollektivunterschrift + falscher Rat des Bankenvertreters zum Vorgehen)
- BGE 113 II 523 ff.
- BGE 108 II 315 ff.
- BGE 105 II 106 ff.
- BGE 100 II 373
- BGE 95 II 183 ff.
- BGE 88 II 26
- BGE 80 II 87 f.
- BGE 40 II 408
- BJM 1982 104 ff.
- ZR 1984 Nr. 88
- ZR 1974 Nr. 89
- ZR 2017 Nr. 4
- SemJud 1971 284 ff.
- SemJud 1969 352
- SemJud 1960 27 f.
- SemJud 1955 407
Literatur
- KOLLER THOMAS, in: HONSELL/VOGT/WIEGAND (Hrsg.), Basler Kommentar zum Obligationenrecht I (Art. 1 – 529 OR), 4. Auflage, Basel 2007, Art. 466 – 471 OR