LAWINFO

Nachlassverfahren / Nachlassstundung

QR Code

EXKURS: NOTSTUNDUNG

Rechtsgebiet:
Nachlassverfahren / Nachlassstundung
Stichworte:
Nachlassstundung, Nachlassverfahren
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Wie Rechtsstilstand (SchKG 57 ff.) und Nachlassverfahren zielt die „Notstundung“ auf eine Milderung der betreibungsrechtlichen Ordnung:

  • Begriff
    • Notstundung =   Einzelstundung im Rahmen eines besonderen Moratoriums
  • Grundlage
    • SchKG 337 ff.
  • Abgrenzung
    • Nachlassstundung
      • = auf Gesuch hin wird bei vorhandenen Voraussetzungen eine provisorische Nachlassstundung gewährt, die ein Betreibungsverbot auslöst (ausgenommen sind grundpfandversicherte Forderungen)
      • Nnachlassstundung
    • Stundung
      • = Hinausschiebung der Fälligkeit
      • Stundung
  • Ziele
    • Besonderes Moratorium für ausserordentliche Fälle
  • Motive
    • Ausserordentliche Schutzmassnahme für den / die Schuldner
  • Rechtsnatur
    • Trotz genereller Auswirkungen der ausserordentlichen Situation immer noch individuelle Massnahme:
      • Freiwilliger, einseitiger Akt des Schuldners
  • Bedeutung / Verbreitung / History
    • History
      • Die Artikel von SchKG 337 – SchKG 350 wurden 1924 ins SchKG aufgenommen, vor dem 2. Weltkrieg angepasst und 1949 heutigen Normenwortlaut revidiert
    • Anwendungsfälle
      • Die Notstundung wurde bisher nur in wenigen Fällen eingesetzt:
        • Weltkrieg
          • Verordnungen über die vorübergehende Milderung der Zwangsvollstreckung vom 17.10.1939 und vom 24.01.1941
        • Unwetterkatastrophe im Wallis (Herbst 1993)
    • Geringe Bedeutung und seltene Verbreitung
  • Alternativen
  • Anwendbarkeits-Erklärung der Notstundungs-Regeln (erste Grundvoraussetzung)
    • Beschluss der Kantonsregierung(en)
      • Damit die Notstundung überhaupt angerufen werden kann, muss die zuständige Kantonsregierung für das betroffene Gebiet und / oder bestimmte Teile der Bevölkerung sowie auf eine bestimmte Dauer die Notstundung für anwendbar erklären (vgl. SchKG 337)
      • Die Kantonsregierungen müssen festlegen:
        • Räumliche Ausdehnung der Notstundung
        • Dauer
        • Kreis der von den Verhältnissen betroffenen Schuldnern
    • Zustimmung des Bundesrates
      • Erfordernis der (konstitutiven) Zustimmung des Bundesrates
    • Anwendungsbeispiele
      • Krieg
      • Andauernde Wirtschaftskrise
      • Währungskrise
      • Naturkatastrophe
  • Voraussetzungen für Notstundungsbewilligung im individuell konkreten Einzelfall
    • Allgemein
      • Die Notstundung wird bewilligt, wenn
        • die allgemeinen Rechtsgrundlagen dafür gegeben sind
        • die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind
        • der auf den Schutz angewiesene Schuldner um Notstundung ersucht
        • die Nachlassbehörde in einem eigenen Verfahren daraufeingeht
    • Grundlage
      • SchKG 338
    • Bewilligungs-Voraussetzungen
      • Schuldner ist sein Verschulden in die a.o. Verhältnisse geraten, in denen er seine Verbindlichkeit nicht mehr erfüllen kann, wie
        • Krieg
        • andauernde Wirtschaftskrise
        • andauernde weitverbreitete Arbeitslosigkeit
        • Unterbrochene Rohstoffzufuhr
        • Unmöglichkeit des Produkteabsatzes über längere Zeit
        • für betroffenes Gebiet und auf eine bestimmte Dauer
      • Vollbefriedigung nach Stundungsablauf
      • Notstundungsdauer:
        • max. 6 Monate und
        • nicht länger als Notmassnahme von Kantonsregierung angeordnet
      • Vorlage von Vermögensausweisen des der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldners, wie Bilanz und Geschäftsbücher
    •  
  • Verfahren
    • Begehren
      • Rechtsbegehren ist vom Schuldner zu formulieren und zu begründen
    • Adressat
      • Nachlassrichter
    • Anordnung der Verhandlung
      • Der Nachlassrichter prüft und ordnet in begründeten Fällen durch öffentliche Bekanntmachung die Verhandlung an (vgl. SchKG 339 Abs. 1 + 2)
    • Einwendungen der Gläubiger
      • Die Gläubiger können die Akten einsehen und geltend machen, dass die besonderen Voraussetzungen für Notstundung nicht gegeben seien (vgl. SchKG 339 Abs. 3):
        • Eigenes Verschulden des Schuldners
        • Schuldner sei nicht wegen der vorausgesetzten ausserordentlichen Verhältnisse in kritische Lage geraten
    • Abschlagszahlungen
      • Der Nachlassrichter kann die Leistung von Abschlagszahlungen anordnen (vgl. SchKG 339 Abs. 4)
    • Beschwerde
      • Schuldner und Gläubiger können gegen den Entscheid des Nachlassrichters nach den Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere nach ZPO 1 lit. c i.V.m. ZPO 251 lit. a im summarischen Verfahren, Beschwerde führen (vgl. SchKG 340)
      • Summarisches Verfahren
    • Sichernde Massnahmen
      • Bei Stundungs-Bewilligung kann der Nachlassrichter anordnen:
        • Aufnahme eines Güterverzeichnisse (vgl. SchKG 341 Abs. 1 i.V.m. SchKG 163 f.)
        • Beauftragung eines Sachwalters mit der Überwachung der Geschäftsführung (vgl. SchKG 341 Abs. 2)
      • Hinsichtlich weiterer Einschränkungen und Auflagen vgl. SchKG 345
    • Miteilungen
      • Information des Betreibungsamtes, falls der Schuldner der Konkursbetreibung unterliegt, dem Konkursgericht und öffentliche Bekanntmachung (vgl. SchKG 342)
    • Verlängerung
      • Bei fortbestehenden Bewilligungsgründen kann die Notstundung um maximal 4 Monate verlängert werden (vgl. SchKG 347)
      • Öffentliche Bekanntmachung
      • Möglichkeit zur Anfechtung des Entscheid mittels Beschwerde im Sinne von ZPO 319 ff.
    • Widerruf
      • Auf Antrag eines Gläubigers oder des Sachwalters (vgl. SchKG 348)
      • Widerrufsgründe (3)
        • Nicht pünktliche Leistung der Abschlagszahlungen
        • Verletzung von Sachwalter-Weisungen, Widerhandlung gegen berechtigte Gläubigerinteressen oder Gläubigerbegünstigung zum Nachteil anderer
        • Falsche Angaben ans Nachlassgericht oder Fähigkeit, alle Verbindlichkeiten
    • Wechsel ins Nachlassverfahren, durch Vorschlag eines Nachlassvertrags
      • Während der Dauer der Notstundung kann der Schuldner einen Nachlassvertrag vorschlagen (vgl. SchKG 349)
      • Sofern und soweit in der Notstundung ein Sachwalter bestellt wurde, hat dieser ein Gutachten zu erstellen und mit den nötigen Akten einzureichen
      • Fortbestand der Notstundungswirkungen
      • Der Nachlassrichter führt das weitere Verfahren nach SchKG 293a ff.
  • Wirkungen
    • Wirkungen allgemein
      • Rechtsstillstand (für bestimmtes Gebiet oder bestimmte Teile der Bevölkerung)
      • Einstellung der hängigen Betreibungen (SchKG 343)
        • Ausnahmen (SchKG 343 Abs. 1):
          • Lohnforderungen
          • Miet- und Pachtzinse, sofern aufgrund einer vor oder während der Stundung angehobenen Betreibung auf Pfandverwertung
        • Keine Fortsetzung von Verwertungs- oder Konkursbegehren
        • Fristverlängerungen um die Dauer der Notstundung (SchKG 343 Abs. 2)
      • Eine Betriebsweiterführung ist zulässig, unter den Bedingungen (SchKG 344):
        • Keine Gläubigerbenachteiligungen
        • Keine Gläubigerbegünstigungen
      • Die Notstundung erstreckt sich gemäss SchKG 346 Abs. 1 nicht auf:
        • Forderungen unter CHF 100
        • Forderungen der 1. Konkursklasse;
        • vorbehalten bleibt für die Forderungen die Betreibung auf Pfändung oder Pfandverwertung (vgl. SchKG 346 Abs. 2)
    • Wirkungen zum Nachteil Gläubigers
      • Verlust des Druckmittels gegenüber nicht konkursbereitem Schuldner
      • Verlust der Chance des schnelleren Handeln für die Erzielung einer Individual-Volldeckung der Forderung
    •  

Literatur

  • CASATI RETO / WEYERMANN CORINNE / STAEHELIN ADRIAN, BSK SchKG II, Art. 337 ff.
  • JAEGER CARL, Die Kriegs-Bestimmungen (Kriegs-Novelle) zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., 1915
  • MOESCH OSKAR, Die Notstundung ihre Geschichte im schweizerischen Betreibungsrecht, Diss. Zürich 1923
  • MUSTER ERIC, SchKG-KuKo, Notstundung, Art. 337 – 350, SchKG
  • RAMMING NIKOOLAI, Die Entwicklung der Notstundung im schweizerischen Betreibungsrecht, Diss. Zürich 1943

    Kontakt

    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

    Kontakt / Help

    Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

    Anrede

    Ihr Vorname*

    Ihr Nachname*

    Firma

    Telefonnummer*

    Betreff (Interessen- / Streitgegenstand)*

    * = Pflichtfelder

    Eine Kopie der Mitteilung geht an die im Feld "E-Mail" angegebene E-Mail-Adresse.

    Vorbehalt / Disclaimer

    Diese allgemeine Information erfolgt ohne jede Gewähr und ersetzt eine Individualberatung im konkreten Einzelfall nicht. Jede Handlung, die der Leser bzw. Nutzer aufgrund der vorstehenden allgemeinen Information vornimmt, geschieht von ihm ausschliesslich in eigenem Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

    Urheber- und Verlagsrechte

    Alle in dieser Web-Information veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die veröffentlichten Gerichtsentscheide und Leitsätze, soweit sie von den Autoren oder den Redaktoren erarbeitet oder redigiert worden sind. Der Rechtschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Web-Information darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – sämtliche technische und digitale Verfahren – reproduziert werden.