Ein ausgewogener Vergleich, d.h. ein Vergleich mit dem keine Partei zufrieden ist, bleibt immer erstrebenswert (Vermeidung eines langwierigen, Nerven strapazierenden und kostenintensiven Prozesses).
Die Interessenlage ist unterschiedlich:
- Versicherter
- Er ist am materiellen Hauptgegenstand des Prozesses interessiert
- als Kläger
- Geltendmachung seines Anspruches bzw. Erzielung eines möglichst hohen Quantitativs bei einem Forderungsprozess
- als Beklagter
- Abwehr des gegen ihn eingeklagten Anspruchs bzw. Erzielung eines möglichst niedrigeren Quantitativs bei einem Forderungsprozess
- als Kläger
- Die Prozesskosten interessieren, weil sie vom Rechtsschutzversicherer zu tragen sind, den Versicherten weniger; er wird für seine Zielerreichung eher weiterprozessieren wollen, ausser er kann im Klagefalle kurzfristig einen vertretbaren Gewinn einfahren („lieber den Spatz in der Hand als auf dem Dach“ oder „ Prozess gewonnen und Schuldner zahlungsunfähig“) bzw. ausser er kann in der Beklagtensituation die Klage gegen sich zu vertretbaren Konditionen beenden
- Den Versicherten trifft gleichwohl eine Schadensminderungspflicht.
- Er ist am materiellen Hauptgegenstand des Prozesses interessiert
- Versicherer
- zielt auf einen vorzeitigen Verfahrensabschluss mit möglichst geringen Prozesskosten bzw. wegen der Kundenzufriedenheit mit gutem Kosten-/Nutzenverhältnis
Im Rahmen der Vergleichsverhandlungen sind die zum Teil ungleichen Interessen von Versichertem und Versicherer „unter einen Hut“ zu bringen.
Im Einzelnen:
- Materieller Anspruch (Versicherter)
- Betroffenheit des Versicherten
- Bereitschaft zu Vergleichsverhandlungen
- Vergleichsakzeptanz als Grundvoraussetzung
- Prozesskosten (Versicherer)
- Es ist selbstverständlich, dass die Prozessstrategie, die Möglichkeit einer Vergleichsvereinbarung und die dabei zu vereinbarenden Kosten- und Entschädigungsfolgen abgesprochen werden.
- Massgebend ist der individuell konkrete Einzelfall.
Hinweis: Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts (RA)
- RA hat Klienten auf die Prozessrisiken und die daraus entstehenden Prozesskostenfolgen bzw. seinen Honoraraufwand hinzuweisen.
- Vgl. BGFA 12
Literatur
- Gerichtlicher Vergleich
- PLATZ ERNST, Der Vergleich im schweizerischen Recht, Zürich / St. Gallen, 2014, S. 117 ff.
- NEESE MARTIN, Der Vergleich, Zürich 1999
- Aussergerichtlicher Vergleich
- Gauch Peter, Der aussergerichtliche Vergleich, in „Innominatsverträge“, Festgabe zum 60. Geburtstag von Walter R. Schluep (Hrsg.) Von Peter Forstmoser et at., Zürich 1988, S. 3 ff.
Judikatur
- BGer 5A_533/2017 vom 23.10.2017 = BGE 143 III 564