Gelegentlich tritt der Fall ein, wo ein Gesuch um amtliche Verteidigung von der Verfahrensleitung bzw. vom Gericht abgelehnt wird:
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Wiederwägung der Ablehnung des Gesuchs um amtliche Verteidigung
- Ein abgelehntes Gesuch um amtliche Verteidigung kann nur in folgenden Fällen in Wiedererwägung gezogen werden:
- Erhebliche Veränderung der Verhältnisse
- Ursprünglich offensichtlich unrichtige Beurteilung
- Vgl. hiezu BGer 6B_569/2017, Erw. 2
- Ein abgelehntes Gesuch um amtliche Verteidigung kann nur in folgenden Fällen in Wiedererwägung gezogen werden:
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Parteistellung des abgelehnten Verteidigers oder der Gegenpartei?
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Abgelehnter Verteidiger
- Ein für die Verteidigerfunktion abgelehnter Rechtsanwalt ist nicht legitimiert, die Verweigerung der amtlichen Verteidigung in eigenem Namen für den Beschuldigten anzufechten
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Gegenpartei
- Im Verfahren um Bestellung eines amtlichen Verteidigers kommt nur dem Beschuldigten, nicht aber der Gegenpartei Parteistellung zu
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Parteistellung bei Widerruf des amtlichen Mandates?
- Soll ein bestehendes Mandat betreffend amtliche Verteidigung widerrufen werden, ist der amtliche Verteidiger zur Anfechtung berechtigt
- Vgl. hiezu
- BGer 1B_705/2011, Erw. 2.3 und BGE 133 IV 335, Erw. 5
- Pflichtverteidigerin: Verspätete Rechtsmittelergreifung und gestörtes Vertrauensverhältnis
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Rechtsnatur des Bewilligungs- oder Ablehnungsentscheids
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Charakteristik
- Zwischenentscheid
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Grund der Einordnung als Zwischenentscheid
- Die Verfügung bringt das Strafuntersuchungsverfahren nicht definitiv zum Abschluss
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Rechtsmittel
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Ablehnung des Gesuchs
- Rechtsmittelfähigkeit
- grundsätzlich gegeben
- Vgl. BGE 140 IV 202, Erw. 2
- Gründe
- Bei einer Ablehnung des Gesuchs drohen
- rechtliche Nachteile
- nicht mehr wieder gut zu machende Nachteile, wenn beim Entscheid gewonnen würde
- Daher: Rechtsmittelfähigkeit gegen Zwischenentscheids
- Bei einer Ablehnung des Gesuchs drohen
- Rechtsmittelfähigkeit
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Erstinstanzlicher Entscheid
- Gegen den erstinstanzlichen Entscheid ist die Beschwerde möglich (vgl. BGE 140 IV 202, Erw. 2)
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Letztinstanzlicher Entscheid
- Gegen den vorinstanzlichen Entscheid ist die Strafrechtsbeschwerde ans Bundesgericht zulässig (vgl. BGE 139 IV 115, Erw. 1)
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Verteidigerwechsel ohne Antrag
- Ein Rechtsmittel ist auch gegen einen durch die Verfahrensleitung (ohne Parteiantrag) angeordneten Wechsel des amtlichen Verteidigers
- Vgl. BGE 133 IV 335, Erw. 2
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Literatur
- OBERHOLZER NIKLAUS, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Auflage, Bern 2020, S. 153 ff., Rz 473 ff.
- Leitfaden „Amtliche Mandate“ der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich, 1.1.2016 (Ziff. E. 1.3. geändert am 23.10.2020), Version: 2.1 Auflage
- BOLL DAMIAN, „Verteidigung der ersten Stunde“ gemäss Schweizerischer StPO“ – Der Anspruch auf Verteidigerbeistand bei der ersten Beschuldigteneinvernahme, Diss. Zürich 2020
Judikatur
- Wiedererwägung der Ablehnung des Gesuchs um amtliche Verteidigung
- BGer 6B_569/2017, Erw. 2
- Parteistellung bei Widerruf des amtlichen Mandates?
- BGer 1B_705/2011, Erw. 2.3
- BGE 133 IV 335, Erw. 5
- Rechtsmittel
- BGE 140 IV 202, Erw. 2
- BGE 139 IV 113, Erw. 1
- BGE 133 IV 335, Erw. 2
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Art. 299 StPO Begriff und Zweck
1 Das Vorverfahren besteht aus dem Ermittlungsverfahren der Polizei und der Untersuchung der Staatsanwaltschaft.
2 Im Vorverfahren werden, ausgehend vom Verdacht, es sei eine Straftat begangen worden, Erhebungen getätigt und Beweise gesammelt, um festzustellen, ob:
- d. gegen eine beschuldigte Person ein Strafbefehl zu erlassen ist;
- e. gegen eine beschuldigte Person Anklage zu erheben ist;
- f. das Verfahren einzustellen ist.
Art. 133 StPO Bestellung der amtlichen Verteidigung
1 Die amtliche Verteidigung wird von der im jeweiligen Verfahrensstadium zuständigen Verfahrensleitung bestellt.
2 Die Verfahrensleitung berücksichtigt bei der Bestellung der amtlichen Verteidigung nach Möglichkeit die Wünsche der beschuldigten Person.