Ist eine wirksame Verteidigung nicht mehr gewährleistet, kann die Verfahrensleitung einer anderen Person übertragen (vgl. StPO 134 Abs. 2):
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Veranlassung
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Auf Gesuch hin
- Gesuchsteller
- Beschuldigte Person
- Verteidiger
- Gesuchsteller
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Von Amtes wegen
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Gründe
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Allgemein
- Gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Verteidiger
- Bei einer Interessenkollision zwischen dem Verteidiger und der Gegenpartei (vgl. BGer 1B_293/2016, Erw. 2.1)
- Andere Gründe
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Praxiserweiterung
- Eine engagierte und effiziente Verteidigung kann nicht nur bei einem gestörten Vertrauensverhältnis nicht mehr gewährleistet sein, sondern auch bei einer objektiven Pflichtverletzung des Verteidigers
- Es darf daher nicht alleine nur die subjektive Empfinden des Beschuldigten abgestellt werden, sondern es muss das gestörte Vertrauensverhältnis in nachvollziehbarer Weise glaubhaft gemacht und objektiviert sein
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Glaubhaftmachung
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Allgemein
- Der Gesuchsteller muss die Gründe für einen Wechsel des amtlichen Verteidigers zwar nicht beweisen, aber glaubhaft machen
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Verteidiger
- Der amtliche Verteidiger, der sein Mandat niederlegen und so einen Verteidigerwechsel motivieren will, hat mit Rücksicht auf das Anwaltsgeheimnis eine nachvollziehbare Erklärung abzugeben
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Beschuldigter
- Auch der Beschuldigte hat die Gründe für den beantragten Vertreterwechsel glaubhaft zu machen
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Rechtliches Gehör
- Sowohl die verteidigungsmässig verbeiständete Partei als auch der amtliche Verteidiger haben das Recht auf Anhörung (vgl. BGE 133 IV 335, Erw. 6)
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Ungenügende Voraussetzungen / keine Verletzung des Anspruchs auf eine wirksame Verteidigung
- Für die Anordnung eines Verteidigerwechsels sind nicht ausreichend:
- Der blosse Wunsch des Beschuldigten, nicht mehr durch den bisherigen Verteidiger vertreten zu werden
- Nicht-Übernahme einer vom Beschuldigten gewünschten, problematischen Verteidigungsstrategie
- Weigerung des Verteidigers, aussichtslose Prozesshandlungen vorzunehmen
- Für die Anordnung eines Verteidigerwechsels sind nicht ausreichend:
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Genügende Voraussetzungen / Verletzung des Anspruchs auf eine wirksame Verteidigung
- Andeutung des Verteidigers eines nicht geständigen Beschuldigten, sie halte ihren Mandanten für schuldig (vgl. BGE 128 IV 161, Erw. 2.4 – 2.5)
- Nichtwahrung von Verfahrensrechten zum Nachteil des Beschuldigten, wegen mangelnder Rechtskenntnisse des Verteidigers (BGer 1B_297/2015, Erw. 2)
- Widerruf des Verteidigermandates, weil die vom Verteidiger gewählte Verteidigungsstrategie für Straf(untersuchungs)behörde ihrer Ansicht nach unnötigen Aufwand verursacht (zB zu beantwortende Haftentlassungsgesuche) (vgl. BGer 1B_187/2013, Erw. 2)
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Rechtsmittel
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Allgemeines
- Bei einem Verteidiger-Wechsel ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Legitimationsvoraussetzungen einer Beschwerde in Strafsachen vielschichtig
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Abweisung des Gesuchs des Beschuldigten
- Regelfall
- Kein nicht wieder gut zu machender Nachteil
- Ausnahme
- Vom Beschwerdeführer nachzuweisende besondere Gründe
- Regelfall
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Beschuldigter
- Anordnung eines Verteidigerwechsel gegen den Willen des Beschuldigten
- Der Beschuldigte muss in seinem Rechtsmittel den nicht wieder gut zu machenden Nachteil in seiner Beschwerde nachweisen, sofern und soweit dieser nicht offensichtlich ist
- Anordnung eines Verteidigerwechsel gegen den Willen des Beschuldigten
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Verteidiger
- Will sich der amtliche Verteidiger gegen seine Auswechslung zur Wehr setzen, bedarf es keine wieder gut zu machenden Nachteils
- Grund:
- Es handelt sich beim Widerrufsentscheid um einen Endentscheid (vgl. BGer 1B_243/2017, Erw 1.3)
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Interessenkonflikt bei eine privat beigezogenen Verteidiger
- Keine besondere Begründung erforderlich.
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Literatur
- OBERHOLZER NIKLAUS, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Auflage, Bern 2020, S. 156 f., Rz 482 ff.
Judikatur
- Gründe
- BGer 1B_293/2016, Erw. 2.1
- Glaubhaftmachung
- BGE 133 IV 335, Erw. 6
- Genügende Voraussetzungen
- BGE 128 IV 161, Erw. 2.4 – 2.5
- BGer 1B_297/2015, Erw. 2
- BGer 1B_187/2013, Erw. 2
- Rechtsmittel
- BGer 1B_243/2017, Erw. 1.3
Links
Art. 134 StPO Widerruf und Wechsel der amtlichen Verteidigung
1 Fällt der Grund für die amtliche Verteidigung dahin, so widerruft die Verfahrensleitung das Mandat.
2 Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus andern Gründen nicht mehr gewährleistet, so überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person.