Bei vorhandenen Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung ist es Sache der Verfahrensleitung, sofort für die Bestellung der Verteidigung besorgt zu sein (vgl. StPO 131 Abs. 1; siehe Box unten):
-
Zuständigkeit
- Die Verpflichtung zur Verteidiger-Bestellung trifft:
-
Staatsanwaltschaft
- Meist erste Stelle, die für eine Bestellung gefordert ist
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Gericht
- zB Zwangsmassnahmengericht
- vgl. BGE 137 IV 215
- zB Zwangsmassnahmengericht
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- Die Verpflichtung zur Verteidiger-Bestellung trifft:
-
Anspruchskreis
- Das Recht auf eine notwendige Verteidigung steht zu
- dem direkt betroffenen Beschuldigten
- nicht einem allfälligen Mitbeschuldigten
- Das Recht auf eine notwendige Verteidigung steht zu
-
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- vgl. BGer 6B_321/2017, Erw. 1.3
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Frühester Zeitpunkt
- Staatsanwaltschaft
- Als frühester Zeitpunkt der Bestellung einer notwendigen Verteidigung gilt:
- erste Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft bzw.
- vor Eröffnung einer Untersuchung (vgl. StPO 131 Abs. 2)
- Untersuchungseröffnung bei Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts (StPO 309 Abs. 1)
- Ohne Tatverdacht keine Untersuchungseröffnung und keine erste Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft
- Erste Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft von entscheidender Bedeutung
- Als frühester Zeitpunkt der Bestellung einer notwendigen Verteidigung gilt:
- Polizeiorgane
- Die Bestellung einer (amtlichen) Verteidigung sollte bereits gewährleistet sein bei der
- ersten polizeilichen Einvernahme
- Widerspruch der Gesetzesbestimmungen von StPO 309 Abs. 1 und StPO 159
- Das Bundesgericht verlangt daher, dass spätestens mit der Untersuchungseröffnung ein Strafverteidiger bestellt wird!
- Die Bestellung einer (amtlichen) Verteidigung sollte bereits gewährleistet sein bei der
- Vorläufige Festnahme
- Die Bundesgerichtspraxis bedeutet u.U. eine Verteidigerbestellung
- vor der polizeilichen Befragung
- Vgl. BGer 6B_178/2017, Erw. 2.2.1
- Die Bundesgerichtspraxis bedeutet u.U. eine Verteidigerbestellung
- Staatsanwaltschaft
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Anwalt der ersten Stunde als amtlicher Verteidiger?
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Grundlage
- StPO 132 Abs. 1 lit. b
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Unklarheit der Notwenigkeit eines amtlichen Verteidigers
- Oft ist zu Beginn der Strafuntersuchung unklar, ob ein einfacher und klarer Fall vorliegt oder nicht
- Im Zweifelsfall ist u.E. der bereits beigezogene Anwalt als amtlicher Verteidiger zu bestellen
- Es ist daher eine Beurteilung im Voraus (ex ante) unumgänglich
- Vgl. BGer 1B_66/2015, Erw. 2.3
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Strafverteidiger-Piketts
- Vgl. Exkurs: Strafverteidigungspiketts
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Beweiserhebung ohne Verteidigerbestellung führt zu Beweisverwertungsverbot
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Grundsatz
- In Strafuntersuchungen, in denen eine notwendige Verteidigung erkennbar war und Beweise erhoben wurden, bevor ein amtlicher Verteidiger bestellt worden war, besteht ein Beweisverwertungsverbot
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Ausnahme
- Die Beweiserhebungen in einem solchen Fall sind nur verwertbar, wenn der Beschuldigte auf eine Wiederholung verzichtet (vgl. StPO 131 Abs. 3 bzw. E-StPO 2019)
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Erkennbarkeit
- Massgebend sind die Sachverhalts-Informationen im Zeitpunkte der jeweiligen Beweiserhebungen
- Die Beurteilung der Erkennbarkeit hat grundsätzlich nach objektiven Massstäben zu erfolgen
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Ablauf der Bestellung eines amtlichen Verteidigers
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1. Schritt
- Die Verfahrensleitung gibt im Falle einer notwendigen Verteidigung dem Beschuldigten Gelegenheit, eine Wahlverteidigung zu bestimmen
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2. Schritt
- Kommt der Beschuldigte der Aufforderung der Verfahrensleitung nicht nach, einen Verteidiger zu ernennen, so ordnet diese eine amtliche Verteidigung an
- Vgl. StPO 132 Abs. 1 lit. a und Abgrenzungen-amtlicher Verteidiger
- Kommt der Beschuldigte der Aufforderung der Verfahrensleitung nicht nach, einen Verteidiger zu ernennen, so ordnet diese eine amtliche Verteidigung an
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Erklärungsfrist
- Die Dauer der Fristansetzung hängt von der Dringlichkeit der Beweiserhebung ab
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Bezeichnung eines Wahlverteidigers
- Mandatiert der Beschuldigte nach Aufklärung über seine Rechte und vor Einvernahme-Beginn einen Wahlverteidiger, hat die Verfahrensleitung darauf Rücksicht zu nehmen (vgl. StPO 159 Abs. 3)
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Nicht rechtzeitige und / oder genügende Wahlverteidigung
- Die Verfahrensleitung hat diesfalls unverzüglich eine amtlichen Verteidigung anzuordnen
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Öffentlich-rechtliches Mandatsverhältnis mit Honorarzahlungsverpflichtung
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Einordnung
- Die Gewährleistung der amtlichen Verteidigung erfolgt durch
-
Öffentlich-rechtliches Mandatsverhältnis
- mittels Verfügung, welche das besondere öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen Staat und Anwalt begründet (vgl. OBERHOLZER NIKLAUS, a.a.O., Rz 443)
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Verpflichtung zur Honorierung des Verteidigers
-
- Vgl. BGE 131 I 217, Erw. 2.4 – 2.5
- Die Gewährleistung der amtlichen Verteidigung erfolgt durch
-
Bedürftigkeit nicht Voraussetzung für eine amtliche Verteidigung
- Die Anordnung der amtlichen Verteidigung setzt kein Bedürftigkeitsnachweis voraus
- Vgl. BGE 139 IV 113, Erw. 4
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Verschweigung der finanziellen Verhältnisse
- Gibt der Beschuldigte keine Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse, ist die Anordnung einer amtlichen Verteidigung nur opportun, wenn das Mandat eines zuvor beauftragten Wahlverteidigers nicht mehr besteht
- Vgl. BGer 1B_364/2019, Er. 3.5 – 3.8
-
Anordnung einer notwendigen Verteidigung bei beendeter Wahlverteidigung
- Anordnung einer notwendigen Verteidigung in folgenden Fällen:
- Widerruf der Wahlverteidigung
- Mandatsniederlegung durch Wahlverteidiger
- Entzug des Mandats des Wahlverteidigers
- Die amtliche Verteidigung ist jedenfalls anzuordnen, falls der Beschuldigte nicht innert Frist einen neuen Wahlverteidiger ernennt (vgl. StPO 132 Abs. 1 lit. a)
- Eine notwendige Verteidigung ist in folgenden Fällen anzuordnen:
- Beschuldigter ist aus physischen oder psychischen Gründen nicht zur Wahlverteidiger-Bestellung in der Lage
- Beschuldigter kann finanziell nicht für einen Wahlverteidiger aufkommen
- Vgl. BGer 1B_461/2016, Erw. 2.2.2
- Eine notwendige Verteidigung ist in folgenden Fällen anzuordnen:
- Anordnung einer notwendigen Verteidigung in folgenden Fällen:
-
Leitfaden 13 ff.
- Amtliche unentgeltliche Verteidigung (BGE 113 Ia 218, Erw. 3c S. 222)
Literatur
- OBERHOLZER NIKLAUS, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Auflage, Bern 2020, S. 138, Rz 415, Rz 434 und Rz 443
- Leitfaden „Amtliche Mandate“ der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich, 1.1.2016 (Ziff. E. 1.3. geändert am 23.10.2020), Version: 2.1 Auflage, S. 13 ff.
- SCHILLER KASPAR, Schweizerisches Anwaltsrecht – Grundlagen und Kernbereich, Zürich / Basel / Genf 2009
- FELLMANN WALTER / ZINDEL GAUDENZ, Kommentar zum Anwaltsgesetz – Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA), 2. Auflage, Zürich / Basel / Genf 2011, N 144 zu Art. 12 BGFA und N 6 f zu Art. 27 BGFA
- FELLMANN WALTER, Grundriss Anwaltsrecht, 2. Auflage, Bern 2017
Judikatur
- Allgemein
- BGE 131 I 350
- BGE 113 Ia 218, Erw. 3c, S. 222 (amtliche, unentgeltliche Verteidigung)
- Zwangsmassnahmenbericht als Stelle der Verteidiger-Bestellung
- BGE 137 IV 215
- Mitbeschuldigter kein Antragsrecht für den Beschuldigten
- BGer 6B_321/2017, Erw. 1.3
- Verteidigerbestellung vor der polizeilichen Befragung
- BGer 6B_178/2017, Erw. 2.2.1
- Anwalt der ersten Stunde (vorher beigezogener RA als amtlicher Verteidiger)
- BGer 1B_66/2015, Erw. 2.3
- BGE 113 Ia 218, Erw. 3c
- Rechtsnatur der amtlichen Verteidigung bzw. Honorierung des Verteidigungsmandats
- BGE 131 I 217, Erw. 2.4 – 2.5
- Bedürftigkeit keine Voraussetzung zur amtlichen Verteidigung
- BGE 139 IV 113, Erw. 4
- Anordnung der amtlichen Verteidigung bei aufgelöstem Wahlverteidiger-Mandat
- BGer 1B_364/2019, Erw. 3.5 – 3.8
- Zwangsanordnung eines Verteidigers, wenn der Beschuldigte nicht dazu in der Lage ist
- BGer 1B_461/2016, Erw. 2.2.2
Links
- Anwalt der ersten Stunde: Pikett Strafverteidigung | zav.ch
- Anwälte | anwaelte.ch
- Der «Anwalt der ersten Stunde» – Luxus oder Unerlässlichkeit? | ius.uzh.ch
Art. 131 StPO Sicherstellung der notwendigen Verteidigung
1 Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, so achtet die Verfahrensleitung darauf, dass unverzüglich eine Verteidigung bestellt wird.
2 Sind die Voraussetzungen notwendiger Verteidigung bei Einleitung des Vorverfahrens erfüllt, so ist die Verteidigung nach der ersten Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft, jedenfalls aber vor Eröffnung der Untersuchung, sicherzustellen.
3 Wurden in Fällen, in denen die Verteidigung erkennbar notwendig gewesen wäre, Beweise erhoben, bevor eine Verteidigerin oder ein Verteidiger bestellt worden ist, so ist die Beweiserhebung nur gültig, wenn die beschuldigte Person auf ihre Wiederholung verzichtet.
Art. 133 StPO Bestellung der amtlichen Verteidigung
1 Die amtliche Verteidigung wird von der im jeweiligen Verfahrensstadium zuständigen Verfahrensleitung bestellt.
2 Die Verfahrensleitung berücksichtigt bei der Bestellung der amtlichen Verteidigung nach Möglichkeit die Wünsche der beschuldigten Person.