Zur Ueberwälzung der Kosten der amtlichen Verteidigung, die zu Kosten des Strafverfahrens zählen, gilt folgendes:
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Vorabtragung durch den Staat
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Ausgangslage
- Die Kosten für die amtliche Verteidigung können – falls die allgemeinen Voraussetzungen gegeben sind – auch dem bedürftigen Beschuldigen auferlegt und später vom Staat zurückgefordert werden
- Vgl. OBERHOLZER NIKLAUS, a.a.O., S. 146, Rz 445
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Rückzahlung der vom Staat vorgeschossenen Entschädigung
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Rückforderungsvoraussetzungen
- Der Beschuldigte hat nur so lange Anspruch auf Verteidigungskosten-Erlass als sich seine finanzielle Situation nicht ausreichend verbessert hat (vgl. BGE 122 I 5, Erw. 4)
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Rückzahlungsumfang
- Wurden die Verfahrenskosten dem Beschuldigten auferlegt, ist der Beschuldigte verpflichtet,
- dem Staat die vorgeschossenen Verfahrenskosten zurückzubezahlen und
- dem Verteidiger eine allfällige Differenz zwischen der (reduzierten) amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse gestatten (vgl. StPO 135 Abs. 4; siehe Box unten)
- Wurden die Verfahrenskosten dem Beschuldigten auferlegt, ist der Beschuldigte verpflichtet,
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Verjährung
- Der Rückerstattungsanspruch verjährt 10 Jahre nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils (vgl. StPO 135 Abs. 5, siehe Box unten)
- Vgl. OBERHOLZER NIKLAUS, a.a.O., S. 146, Rz 446
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Verfahrenskosten des verurteilten Beschuldigten
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Kostenverursachung nur bei Verurteilung
- Die Rückzahlungspflicht der Verteidigungskosten trifft einzig der zu den Verfahrenskosten verurteilte Beschuldigte
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Kostentragung bei Freispruch
- Im Falle einen vollständigen oder teilweisen Freispruchs besteht keine Rückzahlungspflicht
- In diesem Fall ist die Entschädigung des amtlichen Verteidigers gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vom Staat zu tragen (vgl. BGE 145 IV 90, Erw. 5)
- Vgl. OBERHOLZER NIKLAUS, a.a.O., S. 146, Rz 447
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Vollzug der Rückerstattung
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Bedürftigkeit
- Der Kostenrückerstattungsanspruch kann während der Dauer der Bedürftigkeit nicht vollzogen werden
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Keine Bedürftigkeit
- Gegenüber dem nicht bedürftigen Beschuldigten wird der Rückerstattungsanspruch sofort vollgestreckt
- Vgl. OBERHOLZER NIKLAUS, a.a.O., S. 146, Rz 448
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Finanzielle Gesundung des Beschuldigten
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Grundlage
- Der Beschuldigte hat die Verfahrenskosten, zu denen er verpflichtet wurde, sobald es seine wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, zurückzuerstatten
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Gesundungsmass
- In der Regel wird eine wirtschaftliche Gesundung angenommen, wenn der Beschuldigte zu neuem Vermögen im Sinne von SchKG 265 Abs. 2 gekommen ist
- Vgl. OBERHOLZER NIKLAUS, a.a.O., S. 146, Rz 449
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Literatur
- OBERHOLZER NIKLAUS, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Auflage, Bern 2020
- Merkblatt Amtliche Mandate in Strafuntersuchungen gegen Erwachsene, Version 1.1.2016
- Leitfaden „Amtliche Mandate“ der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich, 1.1.2016 (Ziff. E. 1.3. geändert am 23.10.2020), Version: 2.1 Auflage
Judikatur
- BGE 122 I 5, Erw. 4 (Rückzahlung?)
- BGE 145 IV 90, Erw. 5
Art. 135 StPO Entschädigung der amtlichen Verteidigung
1 Die amtliche Verteidigung wird nach dem Anwaltstarif des Bundes oder desjenigen Kantons entschädigt, in dem das Strafverfahren geführt wurde.
2 Die Staatsanwaltschaft oder das urteilende Gericht legen die Entschädigung am Ende des Verfahrens fest.
3 Gegen den Entschädigungsentscheid kann die amtliche Verteidigung Beschwerde führen:
- wenn der Entscheid von der Staatsanwaltschaft oder dem erstinstanzlichen Gericht gefällt wurde: bei der Beschwerdeinstanz;
- wenn der Entscheid von der Beschwerdeinstanz oder dem Berufungsgericht des Kantons gefällt wurde: beim Bundesstrafgericht.
4 Wird die beschuldigte Person zu den Verfahrenskosten verurteilt, so ist sie, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben, verpflichtet:
- dem Bund oder dem Kanton die Entschädigung zurückzuzahlen;
- der Verteidigung die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten.
5 Der Anspruch des Bundes oder des Kantons verjährt in 10 Jahren nach Rechtskraft des Entscheides.
Art. 422 StPO Begriff
1 Die Verfahrenskosten setzen sich zusammen aus den Gebühren zur Deckung des Aufwands und den Auslagen im konkreten Straffall.
2 Auslagen sind namentlich:
- f. Kosten für die amtliche Verteidigung und unentgeltliche Verbeiständung;
- g. Kosten für Übersetzungen;
- h. Kosten für Gutachten;
- i. Kosten für die Mitwirkung anderer Behörden;
- j. Post-, Telefon- und ähnliche Spesen.