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AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen

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AGB-Kontrolle

Rechtsgebiet:
AGB – Allgemeine Geschäftsbedingungen
Stichworte:
AGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Ob und inwieweit eine Inhaltskontrolle zulässig ist, bleibt in Lehre und Rechtsprechung umstritten. Ein Teil der Lehre fordert eine Inhaltskontrolle nach dem Massstab der öffentlichen Ordnung. Demgegenüber beschränkt sich das Bundesgericht auf die Kontrolle zwingenden Rechts und der Aspekte von UWG 8.

Im Einzelnen gilt es daher zu erläutern:

Keine generelle Inhaltskontrolle

Das geltende Recht sieht eine generelle Inhaltskontrolle nicht vor, obwohl von vielen Rechtskommentatoren verlangt.

Eine generelle Inhaltskontrolle würde es den Gerichten erlauben:

  • die AGB generell zu überprüfen
  • unangemessenen AGB die Geltung zu versagen.

Prüfung zwingenden Rechts

Grundsätzliches

Mangels einer gesetzlichen Inhaltskontroll-Norm bzw. eines eigentlichen AGB-Rechts bleibt es bei den vorn erörterten AGB-Geltungsschranken, die sich auf verschiedene Erlasse und Gesetzesbestimmungen stützen müssen.

» AGB-Geltung: Keine AGB-Geltung trotz Übernahme

Problematische AGB-Klauseln

Folgende häufig verwendete AGB-Klauseln sind jeweils auf Vereinbarkeit mit zwingendem Recht zu überprüfen:

  • Haftungsfreizeichnung
    • =   Begrenzung oder vollumfänglicher Ausschluss der Anbieterhaftung
    • Restriktive Auslegung von Haftungsfreizeichnungen
    • Beachtung der Schranken
      • Unzulässigkeit
        • Haftungsausschluss für Grobfahrlässigkeit (OR 100 Abs. 1)
        • Haftungsausschluss für Vorsatz (OR 100 Abs. 1)
        • Haftungsausschluss für arglistig verschwiegene Mängel (OR 192 Abs. 3 und OR 199)
        • Haftungsausschluss für Körperschäden (unsittlich i.S.v. ZGB 27 Abs. 2)
        • Haftungsausschluss für unvorhersehbare Mängel, die den wirtschaftlichen Zweck des Rechtsgeschäfts erheblich beeinträchtigen (vgl. BGE 130 III 689 f.)
      • Zulässigkeit
        • Haftungsausschluss für leichtes und mittleres Verschulden
      • Gewerbe mit staatlicher Konzession oder Polizeibewilligung (Bank, Arzt, Anwalt etc.)
        • Richterliche Möglichkeit, einen Haftungsausschluss für leichtes Verschulden für nichtig zu erklären
    • Zusicherung bestimmter Eigenschaften des Vertragsgegenstandes und genereller Haftungsausschluss ergeben einen Widerspruch
  • Pauschalierter Schadenersatz
    • =   Konventionalstrafe (für bestimmte Ereignisse)
    • Schadenersatz in pauschalierter Höhe
      • Der Pauschalierung sind grundsätzlich zugänglich:
        • Verzugsschaden
        • Verspätungen
        • Kosten der Anspruchsverfolgung
          • zB Umtriebsentschädigung
          • zB Mahngebühren
        • Kosten aus anderen Vertragsverletzungen
    • Angemessenheit
      • Pauschalierung kann vom Anbieter durchaus im Interesse der anderen Vertragspartei angesetzt sein
      • In der Natur der Sache liegt, dass der zu erwartende Schaden des Anbieters zu hoch und derjenige der anderen Partei zu tief bemessen wird
    • Verletzte Normen
      • Ein unangemessene Schadenersatzpauschale kollidiert mit denselben Normen wie die Haftungsfreizeichnung (siehe oben)
      • Herrschende Lehre lässt eine Reduktion des unverhältnismässig hohen Schadens analog OR 163 Abs. 3 zu
  • Einseitige Änderungsrechte
    • =   Recht des Anbieters, seine AGB zu ergänzen oder zu ändern
    • Grundsätzliche Zulässigkeit
    • Schranken
      • Bedenklichkeit eines unbestimmten oder beliebigen Änderungsrechtes
      • Übermässige Bindung mit Unsittlichkeitsfolge
      • Ungewöhnlichkeit eines einseitigen Änderungsrechts, wenn die andere Vertragspartei, die die Änderung oder Ergänzung nicht mittragen will, kein Ausstiegsrecht hat
    • Beschränkung auf notwendige Änderungsrechte
      • Der Anbieter sollte das einseitige Änderungsrecht da einsetzen, wo es wirklich notwendig ist
    • Definierung und Formulierung
      • Der Anbieter sollte das Änderungsausmass und / oder den änderungsbetroffenen Referenzwert genau definieren
  • Automatische Vertragsverlängerung
    • =   Prolongationsklausel, wonach sich ein befristeter Vertrag um die ursprünglich vereinbarte oder speziell bezeichnete Dauer verlängert, wenn er nicht binnen einer bestimmten Frist vor Vertragsablauf gekündigt wird
    • Die automatische Verlängerung steht im Widerspruch zur automatischen Beendigung des befristeten Vertrages
      • Contra
        • Übertölpelungsgefahr
        • Automatische Vertragsverlängerung ist nicht zu erwarten und in Bezug auf einen befristeten Vertrag untypisch
      • Pro
        • Sicherstellung eines notwendigen Schutzes (zB Versicherung)
    • Formale Anforderung
      • Notwendigkeit eines speziellen Hinweises
      • Eine automatische Vertragsverlängerung ohne speziellen Hinweis gilt als unbeachtlich
    • Verletzte Normen
      • UWG 8 (im Falle einer Irreführung)
      • ZGB 27 Abs. 2 (im Falle einer übermässigen Bindung)
      • OR 404 Abs. 1 (Verletzung des zwingenden Widerrufsrechtes)
      • ggf. weitere Gesetzesbestimmungen
  • Gerichtsstands- und Schiedsklauseln
    • =   Gerichtsstandsklausel > Berufung des örtlich, sachlich und funktional zuständigen Gerichts
    • =   Schiedsgerichtsklausel > Berufung eines privaten Gerichts (ad hoc- oder Dauerschiedsgericht), sofern und soweit das Rechtsgeschäft schiedsfähig ist
    • Gerichtsstandsklausel und Schiedsklausel sind bei gültiger (Global-)Übernahme nach der Ungewöhnlichkeitsregel zu beurteilen

Notnagel „Rechtsmissbrauchsverbot“

Ein Teil der Lehre greift für die Verwirklichung der Inhaltskontrolle auf ZGB 2 Abs. 2 zurück:

Art. 2 ZGB

B. Inhalt der Rechtsverhältnisse

I. Handeln nach Treu und Glauben

1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln.

2 Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz.

UWG 8-Kontrolle

Gemäss UWG 8 darf der Anbieter nicht zum Nachteil der anderen Vertragspartei in irreführender Weise (erheblich) abweichen:

  • von der gesetzlichen Ordnung
  • von der Verteilung von Rechten und Pflichten der betreffenden Vertragsnatur.

Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen von UWG 8 (2011) sind:

  • Die Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB)
  • Das Erfordernis eines erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten
    • Eine Vorsehen oder Verursachen eines Missverhältnisses durch die AGB
    • Die Feststellung des Missverhältnisses zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten
    • Die Erheblichkeit des Missverhältnisses
  • Das Erfordernis der Treuwidrigkeit des erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses
  • Das Missverhältnis zum Nachteil des Konsumenten

Rechtsfolge

Gelten die AGB als unlauter oder missbräuchlich,

  • weil sie zulasten des Konsumenten ein treuwidriges, erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten enthalten,
    • liegt seitens des AGB-Verwenders ein widerrechtliches Verhalten, gestützt auf die Generalklausel von UWG 2, vor.

Die in UWG 9 vorgesehenen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Feststellungsklagen sind wettbewerbsrechtlich ausgerichtet. Sie sind nicht auf die vertragsrechtliche Problemlage der AGB ausgerichtet.

Prüfschritte

Ergibt sich aus der Konsenskontrolle, der Auslegungskontrolle und der Gültigkeitskontrolle die gültige  AGB-Vereinbarung, kann die sog. «offene Inhaltskontrolle» stattfinden, wobei den AGB-Übernehmer die Beweislast des «erheblichen Missverhältnisses» und den AGB-Verwender die Beweislast für die «Kompensation durch konkrete Vorteile aus den anderen Vertragsbestimmungen» trägt:

  • Schritt 1
    • Festzustellung, ob Bestimmungen in den AGB ein Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten zulasten des AGB-Übernehmers beinhalten.
  • Schritt 2
    • Falls Schritt 1 zutrifft, Beurteilung, ob das so festgestellte Missverhältnis als erheblich zu qualifizieren ist.
  • Schritt 3
    • Besteht ein erhebliches Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten zulasten des AGB-Übernehmers, ist zu beurteilen, ob das Missverhältnis als treuwidrig zu qualifizieren ist.
  • Schritt 4
    • Muss die Treuwidrigkeit bejaht werden, gilt die widerlegbare Vermutung, dass das treuwidrige erhebliche Missverhältnis gleichzeitig auch ungerechtfertigt ist.

Literatur

  • KRAMER ERNST A. / PROBST THOMAS / PERRIG ROMAN, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 2. Auflage, Bern 2023

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