Verbot, Ferienansprüche durch Geldleistungen abzugelten
- OR 329d Abs. 2 OR verbietet grundsätzlich die Abgeltung von Ferienansprüchen durch Geldleistung.
Zweck des Ferienbezugs
- Die Verwirklichung des Erholungszweckes von Ferien steht im Mittelpunkt.
Die Kautelen
- Die Möglichkeit und das Quantitativ des Ferienbezugs werden bestimmt durch:
- den Restsaldo des Ferienguthabens
- die Länge der Kündigungsfrist
- die Arbeitsmarktlage
- die Stellensuche
- die Tendenz der Gerichte, der Unvereinbarkeit von Stellensuche und Erholung mehr Gewicht beizumessen.
Die Extreme
- Es sind folgende 2 Extreme auszumachen:
- Inwieweit kann der Arbeitnehmer zum Ferienbezug während der Kündigungsfrist verpflichtet werden?
- Inwieweit ist der Arbeitnehmer zum Ferienbezug während der Kündigungsfrist gegen den Willen des Arbeitgebers berechtigt?
Der Sachverhalt
Für die Suche nach der richtigen Entscheidung ist der genaue Sachverhalt zu betrachten:
Arbeitgeber will kein Ferienbezug, Arbeitnehmer dagegen schon
- Arbeitgeber hat gekündigt: Das Verbot der geldmässigen Abgeltung des Ferienanspruchs (OR 329d Abs. 2) geht der Ferienfestsetzungsbefugnis vor; der Arbeitgeber hätte die Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt aussprechen können.
- Arbeitnehmer hat gekündigt: Die Ferienfestsetzungsbefugnis liegt – nach wie vor – beim Arbeitgeber. Verweigert der Arbeitgeber einen Ferienbezug während der Kündigungsfrist, so muss er hiefür stichhaltige betriebliche Gründe darlegen können; der Arbeitnehmer hat sich mit einer Geldentschädigung zu begnügen.
Checkliste: Arbeitgebergründe bei einer Notlage (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
- Auftragsannahme vor Arbeitnehmerkündigung
- fehlende Vorhersehbarkeit des Personalengpasses im Kündigungsfalle
- Umfang des Ferienguthabens
- durch Nichtbezug seitens des Arbeitnehmers überhöht?
- kein Konflikt mit Stellensuche-Zeit?
- Kündigungsdauer
- während kurzer Kündigungsfrist ist Verweigerung zumutbarer als bei langer, wo Arrangierung möglich oder zumutbar ist
- besondere Härtefolgen für den Arbeitgeber
- Fixtermin
- Konventionalstrafe bei verspäteter Ablieferung etc.
- Rekrutierung von Ersatz- oder Aushilfspersonal bzw. Temporärkräften
- zumutbar?
- möglich?
- unnütz, weil Spezialistenarbeit und Spezialisten nicht sofort und nicht am Temporärstellenmarkt zur Verfügung stehen.
- etc.
Arbeitgeber will Ferienbezug, Arbeitnehmer dagegen nicht
- Arbeitgeber hat gekündigt:Die Möglichkeit und das Quantitativ des Ferienbezugs werden bestimmt durch:
- den Restsaldo des Ferienguthabens
- die Länge der Kündigungsfrist
- die Arbeitsmarktlage
- die Stellensuche
- die Tendenz der Gerichte, der Unvereinbarkeit von Stellensuche und Erholung mehr Gewicht beizumessen
- rechtzeitige Mitteilung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, dass er ihn zum Ferienbezug während der Kündigungsfrist verpflichten will
- der Arbeitnehmer muss genügend Zeit für die Ferienplanung erhalten.
- Arbeitnehmer hat gekündigt: Ob und inwieweit dem Arbeitnehmer das Verbot der finanziellen Abgeltung des Ferienanspruch und der Einwand, er hätte später kündigen können, entgegengehalten werden kann, ist strittig; sie stehen im Widerspruch zum Ferienbestimmungsrecht des Arbeitgebers (vgl. auch die Ausführungen zu vorbezogenen Ferien).
Tipps:
Zur Streitprävention ist folgende Vorgehenskaskade zu empfehlen:
- Kommunikation mit dem andern Vertragspartner
- Zusammensitzen
- Genaues Problem und Motive ergründen.
- Entscheid oder bei Unklarheit Antwort vertagen
- Interne Abklärung
- Interessenabwägung aufgrund aller Umstände
- nach Win-Win-Alternativen suchen
- 2. Sitzung
- externen Rat einholen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer wollen Ferienbezug – strittig ist der Umfang der in Anbetracht der Stellensuche noch möglichen Ferientage
- Relevant ist, ob der Arbeitnehmer freigestellt wird oder nicht.
- Entscheidend sind die Relationen von Kündigungsfrist, Ferienguthaben, notwendige Zeit für die Stellensuche und gegebenenfalls die Freistellungsdauer (falls die kürzer ist als die Kündigungsfrist).
Tipp an Arbeitgeber und Arbeitnehmer:
Sich Einigen. Entgegenkommendes Verhalten schafft vielleicht bei der andern Partei eine Verhandlungsgrundlage. Ev. liegt eine einvernehmliche Geldleistung im Interesse beider.
Gerichtsurteile zum Ferienbezug während der Kündigungsfrist
- AGer, AN 90311 vom 25.01.2011, Entscheide des Arbeitsgerichtes Zürich 2011, S. 21 ff.
- OGer ZH, LA110013, vom 22.02.2012
- vgl. auch Ferienanordnung während Kündigungsfrist | bnlawyers.ch