Die Versteigerung ist ein Kaufvertrag besonderer Art. Diese Besonderheit bezieht sich aber nicht auf den Inhalt des Kaufvertrages, sondern auf das Verfahren seines Zustandekommens. Bei einer Versteigerung (Auktion) wird der Kaufpreis in einem sogenannten Bieterwettbewerb festgestellt. Der Vertrag wird per Zuschlag mit dem Höchstbietenden geschlossen.
Begriff
- Versteigerung = spezielles Verfahren des Vertragsschlusses, bei dem der Kaufvertrag per Zuschlag an den Höchstbietenden geschlossen wird
Grundlagen
- OR 229 – 236
Abgrenzung zur Submission (Vergabe)
Begriff
- Submission = Ausschreibung zur Vergabe von Sach- oder Dienstleistungsaufträgen
Unterscheidungskriterien
- Konkurrierende Bieter im Gegensatz zur Versteigerung bei Submission nicht anwesend
- Angebote der beteiligten stehen bei Submission nicht in unmittelbarer Konkurrenz
- bei Versteigerungen werden die unterschiedlichen Angebote von den Mitbietern sofort zur Kenntnis genommen und allenfalls überboten)
Weitere Informationen zur Submission
Erscheinungsformen
Zwangsversteigerung
- Grundlagen
- Zwangsversteigerung untersteht grundsätzlich dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
- SchKG 125 ff. + VZG (Immobilien)
- OR 229 ff. ergänzen lediglich Regeln des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts
- Zwangsversteigerung untersteht grundsätzlich dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
- Zuschlag
- Zuschlag erfolgt durch Steigerungsbeamten
- Zuschlag stellt eine betreibungs- bzw. konkursrechtliche Verfügung dar
- BGE 128 III 198 E 3a
Freiwillige öffentliche Versteigerung
- Grundlage
- OR 229 Abs. 2
- Anwendbarkeit von OR 229 ff.
- Die Regeln von OR 229 ff. finden bei freiwilligen Versteigerungen nur unter folgenden Voraussetzungen automatisch Anwendung:
- Versteigerung wurde öffentlich angekündigt
- es herrscht freies Bietrecht
- Zuschlag
- Zuschlag erfolgt durch Veräusserer
- Die Regeln von OR 229 ff. finden bei freiwilligen Versteigerungen nur unter folgenden Voraussetzungen automatisch Anwendung:
Freiwillige private Versteigerung
- Allgemein
- Private Versteigerung ist eine Form der freiwilligen Versteigerung
- Wenn keine öffentliche Ankündigung und/oder kein freies Bietrecht besteht
- Grundlagen
- Keine automatische Anwendung von OR 229 ff.
- BGer 5C.14/2002 E. 3.b
- Regeln von OR 229 ff. können bei privaten Versteigerungen durch die Versteigerungsbedingungen übernommen werden
- Keine automatische Anwendung von OR 229 ff.
- Anwendung
- Meistens unter gemeinschaftlichen Eigentümern
- zB Miterben ZGB 612 Abs. 3, 651 Abs. 2
- Zuschlag
- Zuschlag erfolgt durch Veräusserer
- Meistens unter gemeinschaftlichen Eigentümern
Ankündigung der Versteigerung
Mittel
- zB Inserat
- zB Zeitung
- zB Amtsblatt
- zB Internet
- BGer 2C_975/2010 E. 4.5
Wirkung
- Ankündigung stellt Einladung zur Offertstellung dar
Versteigerungsobjekt
- Jeder Kaufgegenstand kann Versteigerungsobjekt sein
Vertragsofferte
- Als Vertragsofferten gelten erst die von den Teilnehmern anlässlich der Versteigerung angebotenen Preise
Bindungswirkung der Vertragsofferte
Bindungswirkung allgemein
- Grundlage
- OR 231
- Wirkung
- Offerten erlangen erst mit Zugang beim Versteigerer rechtliche Wirkung
- Der Bietende ist nach Massgabe der Versteigerungsbedingungen an sein Angebot gebunden
- Er wird, falls diese nichts anderes bestimmen, frei, wenn ein höheres Angebot erfolgt oder sein Angebot nicht sofort nach dem üblichen Aufruf angenommen wird
Bindungswirkung bei Grundstücken
- Grundlage
- OR 232
- Rechtsnatur
- OR 232 ist zwingendes Recht
- anderslautende Steigerungsbedingungen sind ungültig
- Zweck
- Zuschlag erfolgt unter Kontrolle der Behörde
- Wirkung
- Zu- und Absage muss bei der Versteigerung von Grundstücken an der Steigerung selbst erfolgen
- Der private Zuschlag nach der öffentlichen Versteigerung ist nicht zulässig
- Bindungsdauer
- Bindung des Angebots höchstens auf die Dauer der Versteigerungsverhandlung
- Versteigerungsverhandlung kann aber auf mehrere Tage angesetzt sein
- BGE 98 II 56
- Weigerung, den Kaufpreis zuzuschlagen, müssen den Bietern öffentlich mitgeteilt werden
- BGE 98 II 56
- Versteigerungsverhandlung kann aber auf mehrere Tage angesetzt sein
- Ausnahme
- Erstreckung der Bindung über die Versteigerungsverhandlung unter folgenden Ausnahmen möglich:
- Bei Zwangsversteigerungen
- Wenn Veräusserung besondere Genehmigung der Behörden erfordern (zB Lex Koller / BewG)
- Erstreckung der Bindung über die Versteigerungsverhandlung unter folgenden Ausnahmen möglich:
- Bindung des Angebots höchstens auf die Dauer der Versteigerungsverhandlung
Zuschlag
Grundlage
- OR 229
Wirkung
- Vertrag wird durch Zuschlag abgeschlossen
- Begründet bei freiwilliger öffentlicher Versteigerung und bei Zwangsvollstreckungen Eigentum
Anzahlung
- Wer den Zuschlag erhält, muss vor Ort eine Anzahlung leisten
- Höhe und Form sind in den Steigerungsbedingungen festgehalten
- Grundsätzlich 10% des Schätzwertes
Barzahlung
Hauptpflicht des Ersteigerers
- Bei der Versteigerung hat der Erwerber, wenn die Versteigerungsbedingungen nichts anderes vorsehen, Barzahlung zu leisten (OR 233 Abs. 1)
- Mit Barzahlung ist die effektive Bezahlung des ermittelten Kaufpreises – unter Ausschluss verrechnungsweisen Tilgung – gemeint
Rücktrittsrecht des Veräusserers
- Der Veräusserer kann sofort vom Kauf zurücktreten, wenn nicht Zahlung in bar oder gemäss den Versteigerungsbedingungen geleistet wird
- OR 233 Abs. 2
Gewährleistung
Bei Zwangsversteigerungen
- Grundlagen
- OR 234 Abs. 1 und 2
- Wirkung
- Grundsätzlich keine Gewährleistungspflicht
- Ausnahme gelten bei besonderen Zusicherungen oder absichtlicher Täuschung
Bei freiwilliger öffentlicher Versteigerung
- Grundlage
- OR 234 Abs. 3
- Wirkung
- Veräusserer haftet wie ein anderer Verkäufer
- vgl. Rechtsgewährleistung und Sachgewährleistung
- Gewährleistung kann in öffentlich kundgegebenen Versteigerungsbedingungen mit Ausnahme der Haftung für absichtliche Täuschung wegbedungen werden (Freizeichnung)
- Veräusserer haftet wie ein anderer Verkäufer
Eigentumsübertragung
Grundlage
- OR 235
Wirkung
- Bei Fahrnis
- durch Zuschlag
- Bei Grundstücken
- durch Eintragung im Grundbuch
- öffentliche Beurkundung wird durch das Steigerungsprotokoll ersetzt
- OR 235 Abs. 2
- Bei Zwangsversteigerungen
- Zuschlag gilt als amtliche Verfügung und wirkt unmittelbar eigentumsbegründend
Restbetrag
- Der Restbetrag des Kaufpreises muss durch den Käufer innerhalb der vereinbarten Frist bezahlt werden
- Frist kann oft den Steigerungsbedingungen entnommen werden
Besonderheiten beim Grundstückkauf
Finanzierungszusage
- Bei Grundstückkauf ist eine Finanzierungszusage einer Bank ratsam
Versicherung
- Kaufobjekt muss spätestens im Zeitpunkt der Grundbucheintragung vom Käufer selbst versichert sein
Übergang Rechte und Pflichten
- allfällige Mietverträge gehen auf den Käufer über
- Mietverträge können im Rahmen des Mietrechts gekündigt oder angepasst werden
Anfechtung
Grundlage
- OR 230
Wirkung
- Wenn in rechtswidriger oder gegen die guten Sitten verstossender Weise auf den Erfolg der Versteigerung eingewirkt worden ist, kann diese innert einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse hat, angefochten werden
Gesetzestext
OR 233 D. Versteigerung / IV. Barzahlung
IV. Barzahlung
1 Bei der Versteigerung hat der Erwerber, wenn die Versteigerungsbedingungen nichts anderes vorsehen, Barzahlung zu leisten.
2 Der Veräusserer kann sofort vom Kauf zurücktreten, wenn nicht Zahlung in bar oder gemäss den Versteigerungsbedingungen geleistet wird.
Literatur
- Pestalozzi Anton, Der Steigerungskauf, Kurzkommentar und Zitate zu Art. 229-236 OR, Zürich 1997, 348 S.
- Pestalozzi Anton, Der Steigerungskauf, Kurzkommentar und Zitate zu Art. 229-236 OR, Ergänzungsband, Zürich 2000, 252 S.
- Ruoss Reto Thomas / Gola Pascale, BSK OR-I, 5. Aufl., Basel 2011, zu Art. 229-236
- Müller-Chen Markus / Huguenin Claire, Vertragsverhältnisse Teil 1: Innominatkontrakte, Kauf, Tausch, Schenkung, Miete, Leihe; Art. 184-318 OR, Zürich 2016, S. 286 ff.
Judikatur
- Zur Ankündigung der Versteigerung per Internet
- BGer 2C_975/2010 4.5
- Zuschlag stellt eine betreibungsrechtliche Verfügung dar
- BGE 128 III 198 E 3a
- Zur Anwendung von OR 229 ff. bei freiwilliger privater Versteigerung
- BGer 5C.14/2002 E. 3.b