Funktion
Forderungserwahrung
= Prüfung, ob, in welcher Höhe und ich welchem Rang eine Forderung im Kollokationsplan zugelassen werden kann und am dereinstigen Liquidationserlös teilnehmen darf
Weiterführende Informationen
Erwahrungsablauf
Die Vorbereitung des Kollokationsplans enthält folgende Stufen:
- Gesetzliche Grundlage
- SchKG 244
- SchKG 245 2. Satz
- KOV 55
- Forderungseingabe
- Anmeldeobliegenheit des Gläubigers
- Ausnahmen bezüglich Forderungsbestand
- bei aus dem Grundbuch ersichtliche Forderungen [vgl. SchKG 246]
- bei Wiederaufleben der Forderung aus einer Pauliana-Rückabwicklung [vgl. SchKG 291 Abs. 2]
- weitere Fälle aus dem Betreibungsrecht bzw. Bankenkonkurs
- Ausnahmen bezüglich Rang
- Angabe des Rangs einer privilegierten Forderung kann vom Gläubiger nicht verlangt werden
- Form der Forderungseingabe [vgl. SchKG 232 Ziffer 2]
- Inhalt
- Schuldgrund oder Forderungstitel, ev. Sachverhaltsangabe
- Angabe Quantitativ in Landeswährung (Schweizerfranken)
- Beweismittel
- Edition der Forderungsnachweise, selbst bei einer Eventualforderung
- Die Befürchtung des Konkursgläubigers, die Konkursverwaltung könnte aus den edierten Belegen Aktiv-Ansprüche zugunsten der Masse ableiten, bildet keinen Exkulpationsgrund [vgl. AB Basel-Stadt, in: BJM 1968, 58]
- Anspruchsgrundlage
- Vertrag
- Auftragsbestätigung
- Schuldscheine / Schuldanerkennungen
- Protokolle, die die Vereinbarung der Parteien enthalten
- Buchauszüge
- etc.
- Leistungsnachweise
- Lieferscheine
- Empfangsbestätigungen
- Rechnungen
- Honorarnoten
- Handelsrechnungen
- Bauabrechnungen
- vom Totalunternehmer / Generalunternehmer genehmigte Schlussabrechnungen
- etc.
- Mahnungen
- als Nachweis für den Beginn des Verzugszinsenlaufs, sofern und soweit im Vertrag kein Verfalltag oder Fixtermin vereinbart wurde
- Edition der Forderungsnachweise, selbst bei einer Eventualforderung
- Vgl. ferner Forderungseingabe / Forderungsanmeldung
- Eingabeverzeichnis
- Erfassung der Forderungseingabe in chronologischer Reihenfolge des Eingangs bei der Konkursverwaltung
- Mitwirkung des Gemeinschuldners bzw. der Organe
- Einvernahme zu allen Forderungseingaben [vgl. SchKG 244 2. Satz]
- Ziele
- Vorbefassung
- Weitergabe der History zur Gläubigerforderung
- Bekanntgabe von Einreden und Einwendungen
- Hinweise auf gemeinschuldnerische Akten
- Natürliche Person als Konkursiter
- Erklärung über Anerkennung oder Bestreitung [vgl. SchKG 265 Abs. 1 Satz 1]
- Wirkung der Anerkennung als Schuldanerkennung [vgl. SchKG 265 Abs. 1 3. Satz], mit der Wirkung, dass der Gläubiger, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen kommt und Rechtsvorschlag erhebt, die definitive Rechtsöffnung erzielen kann
- Bindungswirkung?
- Vor Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner vorgenommene Erklärungen und Verpflichtungen sowie Verzichte sind für die Konkursmasse bindend
- Ausnahme
- Anfechtbare Handlungen nach SchKG 285 ff.
- Für Einzelheiten vgl. Pauliansiche Anfrechtung: Anfechtbare Rechtshandlungen
- Ausnahme
- Keine Bindungswirkung an die Empfehlungen des Gemeinschuldners (Zulassung oder Abweisung) für die Konkursverwaltung [vgl. SchKG 245 2. Satz
- Ausnahmen
- Berücksichtigung der Interessen des Gemeinschuldners, v.a. bei natürlichen Personen
- Verlustscheinfolgen
- Zulassung nur wirklicher Gläubiger
- Vgl. BGE 93 III 59 ff. = Pra 57 Nr .29
- Berücksichtigung der Interessen des Gemeinschuldners, v.a. bei natürlichen Personen
- Ausnahmen
- Vor Konkurseröffnung vom Gemeinschuldner vorgenommene Erklärungen und Verpflichtungen sowie Verzichte sind für die Konkursmasse bindend
- Prüfung der Forderungen (Erwahrung) [vgl. SchKG 244 1. Satz]
- Formal
- Vollständigkeit
- Eine Forderungseingabe mit Kollokationsantrag
- Die Beweismittel
- Beweismitteleinforderung
- Aufforderung des Gläubigers zur hinreichenden Belegung seines Anspruches
- informell (auf Korrespondenzweg, telefonisch usw.)
- mittels KOV 59-Verfügung
- Aufforderung des Gläubigers zur hinreichenden Belegung seines Anspruches
- Vollständigkeit
- Materiell
- Beschränkte Untersuchungsmaxime
- Summarische Prüfung
- Untersuchung von Amtes wegen
- Objektive Recherchen, nach be- und entlastenden Argumenten
- Eigenbeurteilung durch die Konkursverwaltung
- Vermeidung von kostspieligen und langwierigen Untersuchungen durch Dritte
- Keine Expertisen
- Keine juristischen Gutachten
- Relevanz der Forderungszulassung auf die Dividenden-Entwicklung
- Vermeidung unbegründeter Forderungszulassungen
- Umfangreichere Prüfung zur Vermeidung langwieriger und kostenintensiver Kollokationsprozesse ist oft unumgänglich und angezeigt
- Beachtung Kosten- / Nutzenverhältnis
- Geringe Konkursmasse
- Keine Dividendenerwartung in der Konkursklasse der zu prüfenden Forderung
- etc.
- Beschleunigungsgebot
- Summarische Prüfung
- Plausibilisierung
- Der angemeldete Anspruch erscheint als ausgewiesen oder zumindest als plausibel; vorbehalten bleiben immer die Rechte der Gläubiger auf eine sog. Dritt-Kollokationsklage
- Verifizierung in Geschäftsakten der Gemeinschuldnerin je nach Wichtigkeit
- Beschränkte Untersuchungsmaxime
- Formal
- Fristansetzung nach KOV 59
- Androhung der Nichtzulassung bei Nichtbelegung der Forderung
- Andere oder weitergehende Sanktionen sind unzulässig
- ev. Nachfristansetzung bzw. Fristerstreckung zulässig
- Aufnahme von Eigen-Erkundigungen der Konkursverwaltung bleibt zulässig und ist bei Obstruktion des Gläubigers nachvollziehbar
- Gründe
- Interessenwahrung zugunsten der übrigen Gläubiger (Vermeidung des Konkursdividendenabflusses an Unberechtigte)
- Begründungspflicht bei der Forderungsabweisung
- Mittel
- Einvernahmen
- Erhebung von Unterlagen aus dem Aktenbestand des Gemeinschuldners bzw. der Gemeinschuldnerin
- Einholung von Beweisunterlagen bei Dritten
- Gründe
- Spannungsfeld
- Ungenügend begründete, aber kostengünstige Forderungsabweisung versus Risiko der dadurch steigenden Prozesschancen des abgewiesenen Konkursgläubigers
- Lösungsansatz
- Gut begründbare Abweisung oder Opportunitäts-Zulassung
- = Prozessvermeidung > Kostenersparnis zugunsten der Gläubigergesamtheit > jeder Gläubiger, der damit nicht einverstanden ist oder ein besseres Bestreitungswissen hat, kann eine Dritt-Kollokationsklage führen
- Androhung der Nichtzulassung bei Nichtbelegung der Forderung
Weiterführende Informationen
Judikatur zur Einvernahme des Gemeinschuldners bzw. der Organe der Gemeinschuldnerin
- BGer 5A_814/2019 vom 03.06.2019 (Pflicht zur Anhörung des Gemeinschuldners)
- BGE 5A_892/2012 vom 31.01.2013
Rechtsfolgen einer Prüfungspflicht-Verletzung
Die Konkursverwaltung kann durch die Art und Weise der Forderungserwahrung ihre Prüfungspflicht verletzen:
- Voraussetzungen
- Nicht ordnungsgemässe Prüfung, von gewisser Schwere
- Unterlassung der Fristansetzung für die Nachreichung von Beweismitteln [vgl. KOV 59]
- Nicht-Einvernahme des Gemeinschuldners bzw. der Organe der Gemeinschuldnerin zu den Forderungseingaben [vgl. KOV 55]
- Rechtsbehelf
- BESCHWERDE
- gegen Nicht-Einholung der Erklärung des Gemeinschuldner bzw. der Organe der Gemeinschuldnerin
- durch den betroffenen Gläubiger
- durch den Gemeinschuldner
- Kollokationsplan-Aufhebung nur, wenn der Entscheid der Konkursverwaltung über Zulassung oder Nichtzulassung durch die Erklärung des Gemeinschuldners anders ausgefallen wäre
- gegen Nicht-Einholung der Erklärung des Gemeinschuldner bzw. der Organe der Gemeinschuldnerin
- BESCHWERDE
Weiterführende Informationen
Judikatur zu den Rechtsfolgen der Prüfungspflicht-Verletzung
-
- BGE 96 III 106 f. = Pra 1971, 30
- BGE 71 III 184
- BGE 103 III 20
- BGE 122 III 137 f.