Nach Eintritt des versicherten Ereignisses wird bei den Leistungen des Versicherers zwischen Grundleistungspflicht und Begrenzung durch die Versicherungssumme differenziert. Praxisbedingt wird weiter in „Naturalleistungen“ des Rechtsschutzversicherers und Kostenübernahme von Fremdleistungen unterschieden.
Im Einzelnen:
- Anspruchsvoraussetzungen = gedeckter Versicherungsfall
- Eintritt des Rechtsfalls
- Erbringung der Versicherungsleistung
- Primärleistungspflichten
- Geldleistung für Uebernahme der Prozesskosten
- Nebenleistungspflichten
- Auskünfte
- Beratung durch Rechtsschutzversicherer
- Abwehr via Haftpflichtversicherung des gleichen Versicherers
- Primärleistungspflichten
- Vgl. BGE 119 II 468
- Erbringung der Versicherungsleistung
- Rechtsschutzbedarf
- Eintritt des versicherten Ereignisses
- = Beratungs- und / oder Vertretungsbedarf
- Keine Bagatellsache
- Der Versicherte ist ausserstande, sich alleine wirksam zu vertreten
- Vgl. BGE 5C.180/2004 vom 24.11.2003 (2 Grundereignisse / Prüfungspflicht des Versicherers, ob gleicher Streitfall vorliegt?)
- 2-jährige Verjährungsfrist von VVG 46 beginnt nicht mit dem Eintritt des Grundereignisses, sondern mit dem Entstehen des Rechtsschutzbedürfnisses zu laufen [vgl. BGE 119 II 468]
- Laufende Versicherungsdauer
- Ablauf der Karenzfrist
- gemäss RSV-Vertrag
- (je nach Rechtsschutzversicherer) Wartefrist in der Regel von bis zu 3 Monaten
- Nachweis des Anspruches auf Kostenersatz
- Schadenanzeige
- Sachverhalts-Informationen
- vgl. BGE 5C.7/2003, Erw. 3.2, vom 12.05.2003
- Schadenfall-Dokumentierung
- ggf. Entbindung des Versicherten-Anwalts vom Berufsgeheimnis
- Fälligkeit der Versicherungsleistung
- in der Regel 4 Wochen nach Erhalt der Informationen des Versicherten für die Prüfung der Ausgewiesenheit des Versicherungsanspruchs [VVG 41 Abs. 1]
- Prüfungsgelegenheit
- Schadenanzeige-Eingang
- Massnahmen-Beurteilung
- Beurteilung der Erfolgschancen und -risiken
- Eintritt des Rechtsfalls
- Grundleistungspflicht = Geldleistungspflicht
- Erbringung von Beratungsleistungen durch RSV-inhouse counsels
- aus den Ressourcen des Rechtsschutzversicherers, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
- = Leistungsart, die aus Kostenüberlegungen in der Praxis der Rechtsschutzversicherer entstanden ist, obwohl eigentlich die Kernleistung bei strenger Betrachtung des Versicherungstypus ausschliesslich eine „Geldleistung“ wäre (siehe nachfolgend)
- Kostenübernahme / Geldleistungen
- für (externe) Beratungsdienstleistungen
- Anwaltskosten
- Kosten eines Sachverständigen / Privatgutachters
- Kosten weiterer Experten
- für Prozessführung
- Gerichtskosten
- Kosten eines Mediationsverfahrens
- Gerichtsgutachterkosten
- Parteientschädigungen
- Kosten des eigenen Rechtsanwalts
- Inkassokosten
- Strafkaution zur Vermeidung einer Untersuchungshaft
- etc.
- für (externe) Beratungsdienstleistungen
- Erbringung von Beratungsleistungen durch RSV-inhouse counsels
- Versicherungssumme
- Massgeblichkeit von RSV-Vertrag bzw. AVB
- Fehlen einer Versicherungssummen-Abrede
- = Versicherungsleistung weder bestimmt noch bestimmbar
- Absenz einer Versicherungssumme bleibt ohne Folgen, weil diese nicht eine wesentliche Bestimmung des Versicherungsvertrages ist
- Vorhandensein einer Versicherungssummen-Abrede
- Versicherer hat seine Geldleistungen nur bis vereinbarten Deckungssumme zu erbringen
- Anrechnung der Leistungen der RSV-inhouse legals auf die Versicherungssumme?
- je nach RSV-Vertrag bzw. AVB
- Anrechnung
- ausdrücklicher Anrechnungsausschluss
- unterschiedliche Praxis der Versicherer
- je nach RSV-Vertrag bzw. AVB
- RSV-Praxis
- Massengeschäft / Privatrechtsschutz
- je nach Produkt bewegen sich die Versicherungssummen
- von CHF 150‘000 bis CHF 500‘000
- pro Versicherungsjahr (zeitliche Limitierung) und pro Ereignis (also nur 1x pro Jahr)
- je nach Produkt bewegen sich die Versicherungssummen
- Individualgeschäft / Unternehmensrechtsschutz
- individueller Deckungsumfang
- individuelle Prämien
- Massengeschäft / Privatrechtsschutz
Beratungs- und Vertretungs-Dienstleistungen der Rechtsschutzversicherer
- Nichtmonopolbereich
- Sofern und soweit die Dienstleistungen der „internen Anwälte“ und Juristen im Nichtmonopolbereich der freiberuflichen Rechtsanwälte erbracht werden, bestehen aus Sicht des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz; BGFA; SR 935.61) keine Einschränkungen
- Monopol-Bereich
- Nach geltender Rechtsauffassung genügen angestellte Anwälte der Rechtsschutzversicherer dem Gebot der Unabhängigkeit im Sinne von BGFA 12 lit. b nicht; daher ist diesen „Anwälten“ die Eintragung in ein kantonales Anwaltsregister nach BGFA 8 Abs. 1 lit. b verwehrt
- Ist eine Rechtsvertretung vor Zivil- und Strafgerichten notwendig, ist das Anwaltsmonopol zu beachten; der Rechtsschutzversicherer hat auf eigene Kosten dem Versicherten einen freiberuflichen Rechtsanwalt zu finanzieren
- Interessenkonflikte
- Hat der Rechtsschutzversicherer eine Interessenkollision, muss er dem Versicherten einen freiberuflichen Anwalt mandatieren lassen; in solchen Fällen hat der Versicherte die freie Anwaltswahl
- Vgl. auch AVO 167 (siehe unten)
Art. 167 AVO Wahl eines Rechtsvertreters oder einer Rechtsvertreterin
1 Im Rechtsschutzversicherungsvertrag muss der versicherten Person die freie Wahl einer rechtlichen Vertretung, welche die Qualifikation des auf das Verfahren anwendbaren Rechts erfüllt, eingeräumt werden:
a. falls im Hinblick auf ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ein Rechtsvertreter oder eine Rechtsvertreterin eingesetzt werden muss;
b. bei Interessenkollisionen.
2 Der Vertrag kann vorsehen, dass bei Ablehnung der gewählten Vertretung durch das Versicherungsunternehmen oder das Schadenregelungsunternehmen die versicherte Person das Recht hat, drei andere Personen für die rechtliche Vertretung vorzuschlagen, von denen eine akzeptiert werden muss.
3 Tritt eine Interessenkollision ein, so muss das Versicherungsunternehmen oder das Schadenregelungsunternehmen die versicherte Person auf sein Recht hinweisen.
Literatur
- Allgemein
- LUTERBACHER THIERRY, Rechtsschutzversicherung, Basel 2018, S. 157 ff.
- Beratung des Versicherten durch den Rechtsschutzversicherer
- KUHN MORITZ W., Privatversicherungsrecht, unter Mitberücksichtigung des Haftpflicht- und Aufsichtsrechts, 3. Aufl., Zürich 2010, N 497
- Nichterfüllung der Unabhängigkeitsgebots durch die angestellten Anwälte von Rechtsschutzversicherern, um sich im kantonalen Anwaltsregister eintragen zu lassen
- FUHRER STEPHAN, Privatversicherungsrecht, Zürich 2011, N 21.8
- BOHNET FRANCOIS / ECKLIN MICHAEL, Avocat et assurance de la protection juridique, S. 37 ff., in: 2e Journée des droits de la consommation et de la distribution, Assurance de protection juridique, Clauses contractuelles abusives, Nouveautés législatives et jurisprudentielles, Edité par Blaise Carron et Christoph Müller, Bâle 2016, N 76 ff.
- Vertretung durch einen vom Rechtsschutzversicherer finanzierten freiberuflichen Rechtsanwalt
- BRULHART VINCENT, Quelques aspects de l’évolution récente du marché de la protection juridique et de sa réglementation, HAVE 2/2010, S. 248 ff.
- Interessenkollision
- LUTERBACHER THIERRY, Rechtsschutzversicherung, Basel 2018, 315
- Anwalt der ersten Stunde (vgl. StPO 158)
- RUCKSTUHL NIKLAUS, Die Praxis der Verteidigung der ersten Stunde, AnwaltsRevue 2/2010, S. 70
Judikatur
- Nichterfüllung der Unabhängigkeitsgebots durch die angestellten Anwälte von Rechtsschutzversicherern, um sich im kantonalen Anwaltsregister eintragen zu lassen
- BGE 140 III 555, Erw. 2.3
- BGE 130 II 87
- BGE 123 I 193