Ohne Gültigkeit für jeden Fall ist meistens der folgende typische Ablauf festzustellen:
- Szenario Sicherheitserhöhung
- Szenario Verlegung der Bankkundenbetreuung ins Recovery
- Szenario Auszahlungsüberwachung / Zahlungsausführung nur nach Verfügbarkeit
- Szenario Kreditreduktion
- Szenario Stellung eines externen Sanierers
- Szenario Stillhalteabkommen bei mehreren involvierten Banken
- Szenario Notifikation
- Szenario Zahlungseinstellung der Bank
Szenario Sicherheitserhöhung
- = Abschluss einer (neuen) Globalzessionsvereinbarung zur Deckungsbestätigung bzw. Deckungserhöhung im Umfang abgetretener Forderungen (z.B. weitere Forderungen anderer Geschäftsbereiche)
- Gründe
- Bankenziel, Sicherheiten zu erhalten oder zu vermehren
- Sicherung eines bestehenden Kredits?
- Sicherung eines neuen Kredits?
- Disziplinierung Kreditnehmer durch Neuausstellung / Neuunterzeichnung Sicherungsvereinbarungen
- Arrondierung / Konzentration auf ein Finanzinstitut: Übernahme und/oder Ablösung von Positionen anderer, gesicherter Finanzinstitute (mit deutlich weniger Engagement) zwecks Vereinfachung der Verhältnisse sowie damit verbundener Wertsteigerung der Sicherheiten (tieferes Rechtsrisiko = höherer Sicherungswert)
- Bankenziel, Sicherheiten zu erhalten oder zu vermehren
- Folgen
- Quantitativ und qualitativ bessere Absicherung der Bank
- Vereinfachung der finanziellen Verhältnisse / verbesserte Kontrollmöglichkeiten
- Disziplinierung / Dispositionseinschränkung des Kreditnehmers
- ev. anfechtbare Handlung bei Besicherung eines Alt-Kredits und zeitnahen Eintritts der Kreditnehmer-Insolvenz (standardisiertes Abwehrdispositiv: pro-forma Konditionenverbesserung durch Kreditgeber)
Szenario Verlegung der Bankkundenbetreuung ins Recovery
- = Kreditnehmer erhält anstelle des bisherigen einen Recovery-Sachbearbeiter als Kundenbetreuer
- Gründe
- Der Geschäftsverkehr erfordert eine intensivere Kundenbetreuung
- Das Kreditverhältnis bedingt einen fachlichen und zeitlichen Einsatz, den ein ordentlicher Kundenbetreuer mit seinem Fachwissen nicht erbringen kann (Recht, Betriebswirtschaft, Revisionskenntnisse / Kennzahlen- und Zahlungsverkehrs-Kontrollen usw.)
- Folgen
- Strengere Überwachung
- Einschränkung der Flexibilität bei den Bankdienstleistungen
- u.U. Dritt-Erkennbarkeit der Situation
Szenario Auszahlungsüberwachung / Zahlungsausführung nur nach Verfügbarkeit
- = Bank überwacht die Zahlungsein- und ausgänge des Kreditnehmers etc. binnen Monatsfrist
- Gründe
- Zeitnähere Feststellung eines weiteren cash-drains als durch (Zwischen-) Bilanzen, Erfolgsrechnungen und Quartal- bzw. Monats-Reportings bzw. updates festgestellt werden können
- Mittelbare Führung des Kreditnehmers, über Bankkundengespräche
- Folgen
- Psychologische Einschränkung des Kreditnehmers
- Der Übergang von der Kontrolle zum Entscheid des Recovery-Mitarbeiters bestimmte Vergütungsaufträge auszuführen und andere nicht, kann eine „faktische Organschaft“ begründen (Einzelfallbeurteilung erforderlich)
Szenario Kreditreduktion
- = Reduktion des Kreditvolumens
- Gründe
- Kredit-Teilrückführung, gestaffelt um einen Totalverlust zu vermeiden
- Vertrauenslust der Bank in den Kreditnehmer (oder ihre Organe), ev. zusätzlich schlechtere Prognose für die Branche
- Folgen
- Versilberung von (allenfalls noch) vorhandenen Betriebsmitteln, ohne jedoch die Betriebstätigkeit abzuwürgen, als „sanfte“ Realisierung von Sicherheiten und/oder sonstigen Betriebsmitteln schon vor Eintritt des Default-Falles, da höherer Desinvestitionserlös erwartbar als im „harten“ Liquidationsfall
- Allenfalls ökonomische Verschlankung und effizienterer Mitteleinsatz als willkommene Nebeneffekte
- Verlagerung des Solvenzrisikos von der Bank zu den Lieferanten und Dienstleistern, falls der Kreditnehmer weder einen besseren Geschäftsgang noch den Eingang von Ausständen verzeichnen kann („Tafelsilber“ weg)
- Schleichende Refinanzierungs- und Risikoverlagerung schlagen in den Kenndaten des Kreditnehmers durch; CFO und Revisor können dies – retro-perspektiv – feststellen
Szenario Stellung eines externen Sanierers
- = Bank schlägt dem Kreditnehmer zur Eskomptierung der Geschäftsführungsdefizite einen Sanierungsberater vor, dessen Einsatz im Namen und auf Rechnung des Kreditnehmers und oft auch als Kreditweiterführungs-Voraussetzung verlangt wird
- Gründe
- Bank will Kreditnehmerverhalten dem für eine Sanierung notwendigen Verhalten annähern
- Ob und inwieweit sich die Bank Informations- oder materiell-rechtliche Vorteile aus der Mandatierung eines von ihr vorgeschlagenen, möglichweise ihr nahestehenden Beraters ziehen will, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen
- Bankorgane wollen sich nicht der Qualifikation und Haftung als sog. „faktisches Organ“ des Kreditnehmers aussetzen; dafür muss ggf. der Sanierungsberater einstehen
- Folgen
- Kreditnehmer muss mit einem Berater zusammenarbeiten, wo er nie richtig weiss, in wessen Interessen er handelt (sog. welchen „Hut“ er trägt, den des Kreditgebers oder den des Kreditnehmers)
- Kreditnehmer wird durch diesen Beratereinsatz nicht von seinen Pflichten in Bezug auf Kapitalverlust und Überschuldung nach OR 725 befreit (VR-Haftung)
Szenario Stillhalteabkommen bei mehreren involvierten Banken
- = Vereinbarung zwischen mehreren kreditgebenden Banken, wonach sich diese damit einverstanden erklären vorübergehend auf die Schuldentilgung resp. –Rückführung ganz oder teilweise auf absehbare Zeit zu verzichten um jeweils den Status quo fortzuführen bzw. sich unter einander gleich zu behandeln
- Gründe
- Gleichbehandlung resp. interessewahrende Gleichschaltung der Banken
- Sanierungsversuch / Sanierung, mit Zeitgewinn
- Folgen
- Vermeidung der Besserstellung einzelner Banken während des Moratoriums
- Gefahr einer anfechtbaren Handlung
- Neue Sicherheiten
- Zahlungen
- Gefahr der Haftung aus faktischer Organschaft
- ev. Konkursverschleppung
Szenario Notifikation
- = Bank notifiziert bei den Drittschuldnern des Kreditnehmers (idR Debitoren) die Globalzession
- Voraussetzung: Kenntnis von Debitoren und Anschriften
- Evidenthaltung der Globalzession
- Gründe
- Insolvenzgefahr
- Verletzung der Kontobenutzungs- und Geschäftsverkehrspflicht durch den Kreditnehmer
- Kreditnehmer lässt Debitoren an andere Geldinstitute, zB wo keine Kredite bestehen, bezahlen
- Folgen
- Absicherung, dass die Drittschuldner des Kreditnehmers mit befreiender Wirkung nur noch an die Bank bezahlen können
- Ernstfall-Vollzug der Globalzession
Szenario Zahlungseinstellung der Bank
- = Bank wartet Konkurs oder Nachlassstundung ab
- Gründe
- Bank möchte Dispositionen zwischen Zahlungseinstellung und Generalexekution (Konkurs oder Nachlassverfahren) vermeiden
- Bank will Gläubigerbegünstigungen vermeiden
- Folgen
- Bank reduziert so bei Zahlungseingängen für sich interessewahrend auch den Kreditsaldo!
- Bank verhindert anfechtbare Ansprüche (SchKG 285 ff.) gegen sich (keine anfechtbaren Wertverschiebungen)