Ausbildungs- und Erziehungs-Fälle (ZGB 631 Abs. 1)
Erziehungs- und Ausbildungskosten sind (aufgrund der gesetzlichen Elternpflichten) aufgrund von ZGB 631 von der Ausgleichungspflicht befreit, sofern und soweit sie sich in üblichem Rahmen halten.
Übersteigen die Erziehungs- und Ausbildungskosten das übliche Mass, sind sie ausgleichungspflichtig, sofern der Erblasser den Nachkommen nicht von der Ausgleichung befreit. Dieser Ausgleichungsdispens hat die Pflichtteilsrechte der anderen Nachkommen zu beachten.
Definition
Als nicht ausgleichungspflichtige „Erziehungs- und Ausbildungskosten“ gelten:
- Ausbildung in unterschiedlichem Mass (Lehre etc.)
- Studium
- Finanzierung Nachdiplomstudium
Massgebliche Kriterien:
- Soziale Schicht bzw. soziales Umfeld
- Anzahl Kinder
- finanzielle Lage der Betroffenen
- individuell konkrete Umstände
Eigentlich handelt es sich nicht um eine Ausgleichungs-, sondern um eine Bevorzugungsbestimmung, zugunsten bestimmter Erben.
Ziele
- Kindererziehung / -ausbildung
- Gleichbehandlung der Nachkommen
Art. 631 ZGB
D. Erziehungskosten
1 Die Auslagen des Erblassers für die Erziehung und Ausbildung einzelner Kinder sind, wenn kein anderer Wille des Erblassers nachgewiesen wird, der Ausgleichungspflicht nur insoweit unterworfen, als sie das übliche Mass übersteigen.
2 Kindern, die noch in der Ausbildung stehen oder die gebrechlich sind, ist bei der Teilung ein angemessener Vorausbezug einzuräumen.
Ausgleichungssubjekt
- (alle) Kinder des Erblassers, u.U. auch mündige (für Ausbildung)
- Ehegatte / eingetragener Partner des Erblassers (umstritten)
Übliches Mass
Als „übliches Mass“ der Erziehungs- und Ausbildungskosten gelten:
- Auslagen für Ausbildung und Erziehung, die der Erblasser in Erfüllung seiner gesetzlichen Elternpflicht hätte ausgeben müssen (ZGB 276 ff.).
Ausgleichungsdispens
Für die das „übliche Mass“ übersteigenden Erziehungs- und Ausbildungskosten kann der Erblasser den Nachkommen von der Ausgleichungspflicht befreien.
Beachtung:
- Art und Form der Befreiung von der Ausgleichung » Ausgleichungsdispens
- Pflichtteilsrecht der Ehegatten und der übrigen Nachkommen
- Sanktion bei Verletzung » Herabsetzungsklage oder Herabsetzungseinrede
Vorausbezug auszubildender oder gebrechlicher Kinder (ZGB 631 Abs.2)
Die Bestimmung von ZGB 631 Abs. 2 verfolgt zwei Ziele:
- Sicherstellung der Erziehungs- und Ausbildungskosten von Waisenkindern
- Voraussetzung: kein Elternteil lebt mehr
- Gleichbehandlung der Geschwister
- Bezugspunkt: ältere, bereits ausgebildete Kinder.
Art. 631 Abs. 2 ZGB
Kindern, die noch in der Ausbildung stehen oder die gebrechlich sind, ist bei der Teilung ein angemessener Vorausbezug einzuräumen
Vorbezugssubjekte
Anspruchsberechtigt zum Vorbezug sind:
- auszubildende Kinder
- Voraussetzung: Ausbildung noch nicht begonnen oder abgeschlossen
- gebrechliche Kinder (mit körperlicher oder geistiger Behinderung)
- Voraussetzung: Entstehung des Gebrechens vor Erreichen der Volljährigkeit
Angemessener Vorbezug
- Allgemein
- Individuelle Beurteilung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände (Familie, Nachlasshöhe, Kindsbedürfnisse, Sozial- und Versicherungsleistungen, Stipendien- und Erwerbsmöglichkeiten des Kindes)
- Anwendung des Unterhaltsrechts
- Quantitativ-Schätzung
- auszubildende Kinder
- Ermöglichung einer gleichen oder ähnlichen Ausbildung wie den älteren Geschwistern
- gebrechliche Kinder
- Kapitalleistung oder Rente
Anordnung des Erblassers
- Braucht nur „nachweisbar“ zu sein (im Gegensatz zu ausdrücklicher Anordnung gemäss ZGB 626 Abs. 12)
- Zwingender Charakter von ZGB 631 Abs. 2
- Der Erblasser darf den Vorbezugsanspruch nicht zuungunsten des in Ausbildung stehenden oder gebrechlichen Kindes abändern
- Beachtung: Pflichtteils- + Vorbezugsanspruch.