Im Falle Eigenregulierung durch den Rechtsschutzversicherer können sich Haftungsfragen stellen:
- Ungetreue oder unsorgfältige Ausführung
- Definition
- Rechtsschutzversicherungs-Sorgfalt = Unsorgfältige Erbringung der Rechtsdienstleistung durch Personal des Rechtsschutzversicherer
- Grundlage
- Keine Regeln betreffend die Sorgfalt des Rechtsschutzversicherers bei der Erbringung der vertraglich versprochenen Rechtsdienstleistung im Versicherungsvertragsrecht
- Anlehnung an die Rechtsprechung zur anwaltliche Sorgfalt
- Übernahmeverschulden?
- Dienstleistungserbringung nur in Rechtsgebieten, in denen man sich auskennt oder in denen man sich die erforderlichen Kenntnisse aneignen kann
- Aufgaben einer korrekten Ausführung der Rechtsdienstleistungen
- Abklärung des Sachverhalts
- Prüfung der Rechtslage
- Fristenmanagement
- Kenntnis der materiell-rechtlichen Fristen (Verjährungsfristen)
- Kenntnis der prozessualen Fristen (Klage- und Anfechtungsfristen)
- Abklärung der Prozesschancen und Prozessrisiken
- Auch wenn das Kostenrisiko wegen Bestehens der RSV für den Versicherten gering oder überblickbar ist
- Abklärung bzw. Beachtung von Rechten des Versicherten gegenüber Dritten, notfalls unter Beizug von Fachspezialisten
- gegenüber Sozialversicherern
- bei der Berechnung von Versorgerschäden u.ä.
- Kostendeckungszusage
- Voraussetzungen
- Sorgfältige Fallprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erforderlich, für
- Aufklärung über die Begründetheit der vom Versicherten vertretenen Rechtsposition
- Entsprechende Beratung
- Entscheide
- Ablösung des Gegenparteien-Anspruchs (Auskauf)
- Leistungsverweigerung wegen Aussichtslosigkeit
- Sorgfältige Fallprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erforderlich, für
- Voraussetzungen
- Vertrauliche Behandlung der gemeldeten Rechtsfälle
- Analoge Anwendung der Anwaltsregeln, v.a. durch angestellte Anwälte des Rechtsschutzversicherers
- Heranziehung von BGFA 13 + 12 sowie StGB 321 für die Beratungsdienstleistungen und Interessenwahrungsdienstleistungen durch angestellte Anwälte des Rechtsschutzversicherers
- Einhaltung der vertraglichen Rechtsschutzversicherungsvorgaben
- Einhaltung + Verwirklichung der gesetzlichen Vorgaben von AVO 168 – AVO 170
- Haftungsvoraussetzungen
- Für eine Vertragshaftung des Rechtsschutzversicherers wird vorausgesetzt, dass er seine vertragliche Pflicht zur getreuen und sorgfältigen Ausführung der Rechtsdienstleistung verletzt hat
- zB Unterlassung verjährungsunterbrechender Massnahmen
- zB Verjähren-lassen von Forderungen des Versicherten
- zB Verletzung des Gebots der sicheren und gefahrlosen Rechtsdurchsetzung
- zB offensichtliche Fehler in der Sachverhaltsabklärung
- zB offensichtliche Fehler in der Einschätzung der Rechtslage
- zB Unterlassung der Aufklärung über die Schwierigkeit und die Risiken der konkreten Geschäftsbesorgung
- zB Unterlassung der Informationen über die finanziellen Risiken und Auswirkungen
- Anrechnen-lassen des Angestelltenverhaltens durch den Rechtsschutzversicherer nach Massgabe von OR 101 Abs. 1
- Für eine Vertragshaftung des Rechtsschutzversicherers wird vorausgesetzt, dass er seine vertragliche Pflicht zur getreuen und sorgfältigen Ausführung der Rechtsdienstleistung verletzt hat
- Geschädigter
- Anknüpfung bei der Beziehung zum Rechtsschutzversicherer
- Versicherungsnehmer
- = Vertragspartner des Rechtsschutzversicherers
- Anspruch aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag und der einschlägigen Gesetze
- Versicherter
- = Person, welche kraft des Rechtsschutzversicherungsvertrags den Versicherungsschutz geniesst
- Eigener Anspruch auf Schadloshaltung, aufgrund der Stellung als vertraglich begünstigte Person
- Versicherungsnehmer
- Anknüpfung bei der Beziehung zum Rechtsschutzversicherer
- Lösungsansatz von REYMOND PHILIPPE, a.a.O., S. 13, Fn 39
- Verlust des Vertrauensverhältnisses infolge Pflichtverletzung des Versicherers schaffe eine Situation vergleichbar mit einem Interessenkonflikt nach AVO 167 Abs. 1 lit. b und solle eine dem Versicherten das Recht auf einen freiwählbaren, unabhängigen externen Rechtsanwalt ermöglichen
- Definition
- Wegbedingung der Haftung
- Definition
- Haftungs-Wegbedingung = Freizeichnung der Haftungsverpflichtung durch den Rechtsschutzversicherer
- Grundlage
- OR 100 Abs. 1 und 2
- OR 398 Abs. 2
- OR 55 Abs. 1
- OR 41
- Zulässigkeit und Umfang der Haftungswegbedingung?
- Fokus
- Die vertragliche Wegbedingung der Haftung betrifft das eigene Verhalten (vgl. OR 100)
- Nichtigkeit
- Eine Haftungsbeschränkung für rechtswidrige Absicht oder grobe Fahrlässigkeit ist nichtig
- Zulässigkeit
- Eine Haftungsbeschränkung ist einzig zulässig für mittlere oder leichte Fahrlässigkeit
- Weitere Freizeichnungsschranken
- Vorausverzicht, vgl. OR 100 Abs. 2
- Fokus
- Einzelfallbeurteilung der Freizeichnung
- Zu beurteilen ist der individuell-konkrete Einzelfall.
- Definition
Literatur
- Allgemein
- KRAUSKOPF FREDERIC / MÄRKI RAPHAEL, Juristische Dienstleistungen des Rechtsschutzversicherers, S. 135 ff, in: Walter Fellmann (Hrsg.), Weiterbildung Recht, Rechtsschutzversicherung und Anwalt, Tagung vom 04.04.2017 in Luzern, Bern 2017, S. 146 ff.
- Haftung aus ungetreuer oder unsorgfältiger Ausführung durch den Rechtsschutzversicherer
- REYMOND PHILIPPE, L’avocat et l’assurance de protection juridique – Quelques questions choisies, in: AnwaltsRevue 6-7/2000, S. 11 ff., insbesondere S. 12 f.
- REICHENBACH JÜRG, Der Interessenkonflikt des Haftpflichtversicherers bei der Forderungsabwehr, in: AJP 2010 1239, S. 1241
- GUYAZ ALEANDRE, L’assurance de protection juridique dans les dossiers de responsabilité civile, in: Werro Franz/Pichonnaz Pascal (Hrsg.), Les relations entre la responsabilité civile et les assurances privées. Colloque du droit de la responsabilité civile 2015, Bern 2016, S. 152, Fn 35
- Wegbedingung der Haftung
- RUSCH ARNOLD F. / BORNHAUSER PHILIP R., Korrektiv zur Freizeichnung von der Hilfspersonenhaftung, in: AJP 10/2010 1228, S. 1229 ff.
- ZIRLICK BEAT, Freizeichnung von der Deliktshaftung, Haftungsbeschränkung und –ausschluss im ausservertraglichen Bereich, Diss. Bern 2003, S. 42 ff.
Judikatur
- Haftung aus ungetreuer oder unsorgfältiger Ausführung durch den Rechtsschutzversicherer (in Anlehnung an das Anwaltsrecht)
- BGer 4C.80/2005 vom 11.08.2005, Er. 2.2.1
- BGE 127 III 357, 359, Erw. 1b (anwaltliche Tätigkeit ist lt. BGer eine risikogeneigte Tätigkeit, der auch haftpflichtrechtlich Rechnung zu tragen ist)
- BGer 4A_103/2009 vom 27.04.2009, Erw. 2.2 (Verjähren lassen einer Forderung des Versicherten)
- BGE 117 II 563, 568 f., Erw. 3 (Haftung des Anwalts für Unterlassung, einen erkennbaren Irrtum zu berichtigen)
- BGE 127 III 357, 360, Erw. 1d (Treuepflichtverletzung des Anwalts, wenn die Aufklärung über Schwierigkeiten und Risiken der konkreten Geschäftsbesorgung unterlässt oder nicht über die finanziellen Risiken und Auswirkungen informiert)
- Wegbedingung der Haftung
- BGer 4C.81/2002 vom 01.07.2002, Erw. 3.1 (Gerichtsermessen; Zuweisung von Vertragsrisiken und Verschuldensgesichtspunkten)
- BGer 4A_88/2008 vom 25.08.2008 vom 25.08.2008, Erw. 5.1
- BGE 91 I 223, 232, Erw. III/2c
- BGE 124 III 155, 165, Erw. 3c
- BGer 4A_351/2007 vom 15.01.2008, Erw. 2.3.5
- Urteil AppGer BS vom 07.03.1978 in BJM 1978 305, S. 306 f.
Weiterführende Informationen
Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen
(Aufsichtsverordnung, AVO); SR 961.011
Art. 168 Entbindung vom Berufsgeheimnis
Die Klausel im Versicherungsvertrag, mit der sich die versicherte Person verpflichtet, ihren Rechtsvertreter oder ihre Rechtsvertreterin gegenüber dem Versicherungsunternehmen vom Berufsgeheimnis zu entbinden, ist nicht anwendbar, wenn ein Interessenkonflikt besteht und die Weitergabe der verlangten Information an das Versicherungsunternehmen für die versicherte Person nachteilig sein kann.
Art. 169 Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten
1 Für den Entscheid von Meinungsverschiedenheiten zwischen der versicherten Person und dem Versicherungsunternehmen oder dem Schadenregelungs- unternehmen hinsichtlich der Massnahmen zur Schadenerledigung sieht der Versicherungsvertrag ein Verfahren vor, das vergleichbare Garantien für die Objektivität wie ein Schiedsgerichtsverfahren bietet.
2 Lehnt das Versicherungsunternehmen oder das Schadenregelungsunternehmen eine Leistung für eine Massnahme wegen Aussichtslosigkeit ab, so sind die vorgeschlagene Lösung unverzüglich schriftlich zu begründen und die versicherte Person auf die Möglichkeit des Verfahrens nach Absatz 1 hinzuweisen.
3 Sieht der Versicherungsvertrag kein Verfahren nach Absatz 1 vor oder unterlässt es das Versicherungsunternehmen oder das Schadenregelungsunternehmen, die versicherte Person im Zeitpunkt der Ablehnung der Leistungspflicht darüber zu informieren, so gilt das Rechtsschutzbedürfnis der versicherten Person im entsprechenden Fall als anerkannt.
4 Leitet die versicherte Person bei Ablehnung der Leistungspflicht auf eigene Kosten einen Prozess ein und erlangt sie ein Urteil, das für sie günstiger ausfällt als die ihr vom Versicherungsunternehmen oder dem Schadenregelungsunternehmen schriftlich begründete Lösung oder als das Ergebnis des Verfahrens nach Absatz 1, so übernimmt das Versicherungsunternehmen die dadurch entstandenen Kosten bis zum Höchstbetrag der Versicherungssumme.
Art. 170 Erfolgshonorar
Das Versicherungsunternehmen und das Schadenregelungsunternehmen dürfen sich keinen Anteil an einem allfälligen Erfolg der versicherten Person versprechen lassen.