Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Teil 2
Die Artikelfolge zur Bankenübernahme
Die Einleitung
Die Übernahme der CS durch die UBS – unabhängig von der Fusionsform (Absorption, Vertragsübernahme etc.) – bringt – wie Teil 1 dargelegt – für die Mitarbeitenden der Credit Suisse während der nächsten Monate eine Zeit der Unsicherheit.
Solche Umstrukturierungen basieren in aller Regel auf dem Fusionsgesetz (FusG).
Beim Stellenabbau ist der «Arbeitnehmerschutz», der nachfolgend erläutert wird, ein prioritäres und wichtiges Thema.
Agenda Teil 2
Schuldnerwechsel wider Willen
Es ist denkbar, dass sich durch Fusion oder Vermögensübertragung das Haftungssubstrat der übertragenden oder der übernehmenden Gesellschaft und damit deren Bonität verändert. Eine solche Änderung führt unter Umständen gegen den Willen der anderen Vertragspartei zu einem Schuldnerwechsel.
Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz
Der Gesetzgeber hat trotz Umstrukturierungserleichterungen an den Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz gedacht und zur Absicherung solcher Risiken Gläubigerschutzbestimmungen vorgesehen.
Fusions-Variante
Betriebsübergang bei einer Fusion
Bei einem fusionsweisen Betriebsübergang nach OR 333 gehen die mit dem Betrieb resp. Betriebsteil verbundenen Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über, es sei denn, ein Arbeitnehmer lehne den Übergang ab.
Liegt ein Transfer-Tatbestand nach Fusionsgesetz vor (Fusion, Spaltung, Vermögensübertragung), finden die Bestimmungen in OR 333 ebenfalls Anwendung (FusG 27, 49, 76).
Bei einer Übertragung des Betriebes oder eines Betriebsteils während einer Nachlassstundung im Rahmen eines Konkurses oder Nachlassvertrages durch Vermögensabtretung übertragen, geht das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Mit Ausnahme von Abs. 3 von OR 333 werden die Bestimmungen in OR 333 und 333a sinngemäss angewandt (OR 333b).
Konsultation Arbeitnehmervertretung
Der übertragende Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung, oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem Vollzug des Übergangs zu informieren über (OR 333a):
- den Grund des Übergangs und
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer.
Sind Massnahmen beabsichtigt, welche die Arbeitnehmer betreffen, sind die Arbeitnehmer resp. die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig vor dem Entscheid über die Massnahmen zu informieren.
Gesamtarbeitsvertrag
Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, muss der Erwerber diesen während eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft oder durch Kündigung endet (OR 333 Abs. 1bis).
Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers
Die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer haben das Recht, den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse abzulehnen (OR 333 Abs. 1):
- Die Ablehnungserklärung des Arbeitnehmers kann grundsätzlich formlos erfolgen.
- Aus Beweisgründen wird eine schriftliche Erklärung empfohlen.
- Die Ablehnungserklärung ist wie folgt zu adressieren:
- Vor dem Betriebsübergang
- an den bisherigen Arbeitgeber / Veräusserer
- Nach dem Betriebsübergang
- an den Erwerber.
- Vor dem Betriebsübergang
Lehnt ein Arbeitnehmer den Übergang seines Arbeitsverhältnisses ab, gilt sein Arbeitsverhältnis nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, frühestens jedoch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs, als aufgelöst (OR 333 Abs. 2).
Weiterführende Informationen
- Fusion
- Fusionsmotive
- Fusionsarten
- Fusionselemente
- Formen der Fusion
- Arbeitsrecht (OR 333)
Art. 27 FusG Übergang der Arbeitsverhältnisse, Sicherstellung und persönliche Haftung
1 Für den Übergang der Arbeitsverhältnisse auf die übernehmende Gesellschaft findet Artikel 333 des OR Anwendung.
2 Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der an der Fusion beteiligten Gesellschaften können gemäss Artikel 25 die Sicherstellung ihrer Forderungen aus Arbeitsvertrag verlangen, die bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendigt werden könnte oder, bei Ablehnung des Übergangs, von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer beendigt wird.
3 Gesellschafterinnen und Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft, die vor der Fusion für deren Verbindlichkeiten hafteten, bleiben für alle Verbindlichkeiten aus Arbeitsvertrag haftbar, die bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendigt werden könnte oder, bei Ablehnung des Übergangs, von der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer beendigt wird.
Art. 28 FusG Konsultation der Arbeitnehmervertretung
1 Für die Konsultation der Arbeitnehmervertretung findet für die übertragende wie auch für die übernehmende Gesellschaft Artikel 333a des OR Anwendung.
2 Die Konsultation muss vor der Beschlussfassung gemäss Artikel 18 erfolgen. Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan muss die Generalversammlung anlässlich der Beschlussfassung über das Ergebnis der Konsultation informieren.
3 Werden die Vorschriften der Absätze 1 und 2 nicht eingehalten, so kann die Arbeitnehmervertretung vom Gericht verlangen, dass es die Eintragung der Fusion ins Handelsregister untersagt.
4 Diese Bestimmung findet auch Anwendung auf übernehmende Gesellschaften mit Sitz im Ausland.
F. Übergang des Arbeitsverhältnisses
1. Wirkungen
Art. 333 OR
1 Überträgt der Arbeitgeber den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen Dritten, so geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten mit dem Tage der Betriebsnachfolge auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt.
1bis Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, so muss der Erwerber diesen während eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft oder infolge Kündigung endet.
2 Bei Ablehnung des Überganges wird das Arbeitsverhältnis auf den Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aufgelöst; der Erwerber des Betriebes und der Arbeitnehmer sind bis dahin zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet.
3 Der bisherige Arbeitgeber und der Erwerber des Betriebes haften solidarisch für die Forderungen des Arbeitnehmers, die vor dem Übergang fällig geworden sind und die nachher bis zum Zeitpunkt fällig werden, auf den das Arbeitsverhältnis ordentlicherweise beendigt werden könnte oder bei Ablehnung des Überganges durch den Arbeitnehmer beendigt wird.
4 Im übrigen ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Rechte aus dem Arbeitsverhältnis auf einen Dritten zu übertragen, sofern nichts anderes verabredet ist oder sich aus den Umständen ergibt.
2. Konsultation der Arbeitnehmervertretung
Art. 333a OR
1 Überträgt ein Arbeitgeber den Betrieb oder einen Betriebsteil auf einen Dritten, so hat er die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem Vollzug des Übergangs zu informieren über:
- den Grund des Übergangs;
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer.
2 Sind infolge des Übergangs Massnahmen beabsichtigt, welche die Arbeitnehmer betreffen, so ist die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, sind die Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem Entscheid über diese Massnahmen zu konsultieren.
3. Betriebsübergang bei Insolvenz
Art. 333b OR
Wird der Betrieb oder der Betriebsteil während einer Nachlassstundung, im Rahmen eines Konkurses oder eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung übertragen, so geht das Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über, wenn dies mit dem Erwerber so vereinbart wurde und der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Im Übrigen gelten die Artikel 333, ausgenommen dessen Absatz 3, und 333a sinngemäss.
Spaltungs- oder Vermögensübertragungs-Variante
Sicherstellung + solidarische Haftung
- Sicherstellung der Forderungen
- Spaltungs-Variante
- Schuldenruf-Pflicht der Banken
- Frist zur Sicherstellungsaufforderung durch den Gläubiger: binnen 2 Monate (FusG 46 Abs. 1), ab Aufforderung
- Vermögensübertragungs-Variante
- Keine Pflicht zum Schuldenruf der Banken
- Frist zur Sicherstellungsaufforderung durch den Gläubiger: binnen 2 Monate (FusG 46 Abs. 1), ab Handelsregistereintrag
- Ausnahme von der Sicherstellungspflicht
- Dispensation von der Sicherstellung, wenn die Gesellschaft nachweist, dass keine Gefährdung bestehe (FusG 46 Abs. 2)
- Alternative zur Sicherstellung
- Erfüllung der Forderung (FusG 46 Abs. 3)
- Spaltungs-Variante
- Solidarische Haftung
- Spaltungs-Variante
- Die Solidarhaftung erstreckt sich auf die Dauer der Verjährungsfrist der Gläubiger- oder Arbeitnehmerforderung
- Vermögensübertragungs-Variante
- Ansprüche gegen den übertragenden Rechtsträger verjähren spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung der Vermögensübertragung, FusG 75 Abs. 2)
- Spaltungs-Variante
Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Besonderen
Als Arbeitnehmerschutz bei einer solchen Umstrukturierung ist vorgesehen:
- Bestimmungen zum Übergang des Arbeitsverhältnisses
- Gegenstand
- Alle arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen nach Obligationenrecht
- Im Falle einer mit der Umstrukturierung verbundenen Massentlassung gelten die allgemeinen Massenentlassungsregeln
- Arbeitsrechtliche Nebenfolgen
- Obwohl in der Umstrukturierungsgesetzgebung die sozial-, ausländer- und steuerrechtlichen Aspekte nicht berücksichtigt werden, sind diese gleichwohl zu beachten
- Es wird sich weisen müssen, ob angesichts der verschärften Einwanderungserlasse und –Praxis in einer „Switzerland-Entity“ ein gleiches Mass an ausländischen Arbeitnehmern beschäftigt werden kann, wie ehemals in einer „Global Bank“
- Gegenstand
- Information und Konsultation der Arbeitnehmervertretung
- Adressaten
- Arbeitnehmervertretung(en)
- bei Unternehmen ohne Arbeitnehmervertretung: alle Arbeitnehmer
- Konsultationszeitpunkt
- vor Fassung des Umstrukturierungsbeschlusses
- Rechtsbehelf der Arbeitnehmer
- Begehren bei Gericht, die Eintragung der Umstrukturierung im Handelsregister zu untersagen (sog. Handelsregistersperre)
- Angesichts der weitreichenden Folgen einer Handelsregistersperre ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, die Informations- und Konsultationsrechte der Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer zu wahren
- Adressaten
- Sicherstellung der Forderungen aus dem Arbeitsvertrag
- Voraussetzung
- Verschlechterung Arbeitgeberbonität
- Arbeitnehmerrecht
- Recht auf Sicherstellung seiner Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Fälligkeit bzw. bis zur Ablehnung des Übergangs bzw. bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
- Arbeitgeberrecht
- Recht auf Nachweis, dass die Forderungserfüllung nicht gefährdet sei.
- Voraussetzung
Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer hat das Recht, den Übergang des Arbeitsverhältnisses abzulehnen und das Arbeitsverhältnis auf den Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aufzulösen. Das Ablehnungsrecht ist an keine gesetzliche Frist gebunden. In der Praxis wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber nach Abschluss des Konsultationsverfahrens dem Arbeitnehmer eine Frist von einem Monat setzen darf, binnen der er den Übergang des Arbeitsverhältnisses ablehnen darf.
Veränderungen und Absicherung
Übertragende und übernehmende Gesellschaft haben in der Folge verschiedene Schicksale, erfahrungsgemäss verschiedene Organe und es können sich auch unterschiedliche Unternehmenskulturen entwickeln. Die übertragende Gesellschaft fühlt sich dem nicht mehr bei ihr arbeitendem Personal weniger verpflichtet, als wenn sie mit diesem noch operabel tätig sein muss. Auch wird sich mit der Zeit niemand mehr an den „übertragenen Mitarbeiter“ und seine Fähigkeiten und Vorzüge erinnern und eine Qualifikation von Leistung und Verhalten vornehmen können. Dem Arbeitnehmer ist empfohlen, seine Absicherungen wie bei einem Stellenwechsel vorzunehmen (siehe Box). Nicht im Umstrukturierungsprozess geregelt sind sodann bestimmte praktische, aber sich unmittelbar auf den Arbeitnehmer auswirkende Themen. Der Arbeitnehmer muss sich überlegen, ob er die Initiative ergreifen und die Themen beim neuen Arbeitgeber ansprechen will, sofern und soweit dieser ihm nicht zuvor kommt (siehe Box).
Praktische Massnahmen zur Klärung fluider Punkte (aus Sicht des Bankmitarbeiters) |
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Gegenstand | Übertragende Gesellschaft | Übernehmende Gesellschaft |
Überstunden / Überzeit | Überstunden- und Überzeit-Auszug verlangen | Überstunden- und Überzeit-Auszug der übertragenden Gesellschaft genehmigen lassen |
Ferien | Ferienguthaben-Auszug verlangen | Ferienguthaben-Auszug der übertragenden Gesellschaft genehmigen lassen |
Arbeitszeugnis | Zwischenzeugnis verlangen | — |
Datenschutz / Datenlieferungen an ausländische Staaten | Anfrage, wie der bisherige Arbeitgeber Datenlieferungen organisiere (Eigenherausgabe oder Herausgabe über die übernehmende Gesellschaft) + Aufforderung zur Information im gegebenen Fall | — |
Personaldossier | Einsichtnahme vor Übergabe an die übernehmende Gesellschaft | Einsichtnahme zur Vollständigkeitskontrolle |
Bonusrecht | Bestätigung, dass
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Anfrage, ob Inhalt der Bestätigung der übertragenden Gesellschaft anerkannt wird |
Vergütungssystem | Offenlegung Parteiwechsel- und Übergangsveränderungen bzw. abreden | Offenlegung Parteiwechsel- und Übergangsveränderungen bzw. abreden |
Massgebend sind immer die konkreten Verhältnisse zwischen den Arbeitsvertragsparteien; bei Kaderfunktionen ist davon auszugehen, dass die neue Arbeitgeberin mit dem Kadermitarbeiter eine Individualvereinbarung zur Rechtsnachfolge bzw. Neugestaltung des Arbeitsverhältnisses abschliessen wird. |
Jeder Arbeitnehmer muss für sich entscheiden, ob der (neue) Arbeitgeber die Klärungsabsichten des Arbeitnehmers als Misstrauen empfinden wird.
Fazit
Aus Rechtssicherheitsgründen wickelt sich der Übergang des Arbeitsverhältnisses binnen kurzer Zeit ab. Verpasst der Arbeitnehmer die Wahrung seiner „Umstrukturierungsrechte“, bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, sich durch ordentliche Kündigung vom „neuen Arbeitgeber“ zu trennen und sein Glück bei einem andern Arbeitgeber zu suchen.
Weiterführende Informationen
- Umstrukturierung
- Fusion
- Vermögensübertragung
- Unternehmensspaltung
- Betriebskontinuitäts-Management (Business Continuity Management (BCM))
- Fusionsbegleitung
- Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht
- Arbeitgeberfürsorge
- Personalabbau
- Versetzung
- Massenentlassung
- Sozialplan
- Vergütungssysteme
- Änderungskündigung
- Aufhebungsvereinbarung
- Entlassung
- Arbeitgeberkündigung
- Arbeitnehmerkündigung
- Freistellung
- Arbeitszeugnis