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Gesellschaftsrecht / Arbeitsrecht

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Grossbanken-Fusion: Der Arbeitnehmerschutz

Datum:
04.04.2023
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht
Thema:
Grossbanken-Fusion
Stichworte:
Arbeitnehmer, Arbeitnehmerschutz, Bankenfusion, CS, Grossbanken, UBS
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG
von
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte

Teil 2

Die Einleitung

Die Übernahme der CS durch die UBS – unabhängig von der Fusionsform (Absorption, Vertragsübernahme etc.) – bringt – wie Teil 1 dargelegt – für die Mitarbeitenden der Credit Suisse während der nächsten Monate eine Zeit der Unsicherheit.

Solche Umstrukturierungen basieren in aller Regel auf dem Fusionsgesetz (FusG).

Beim Stellenabbau ist der «Arbeitnehmerschutz», der nachfolgend erläutert wird, ein prioritäres und wichtiges Thema.

Schuldnerwechsel wider Willen

Es ist denkbar, dass sich durch Fusion oder Vermögensübertragung das Haftungssubstrat der übertragenden oder der übernehmenden Gesellschaft und damit deren Bonität verändert. Eine solche Änderung führt unter Umständen gegen den Willen der anderen Vertragspartei zu einem Schuldnerwechsel.

Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz

Der Gesetzgeber hat trotz Umstrukturierungserleichterungen an den Gläubiger- und Arbeitnehmerschutz gedacht und zur Absicherung solcher Risiken Gläubigerschutzbestimmungen vorgesehen. 

Fusions-Variante

Betriebsübergang bei einer Fusion

Bei einem fusionsweisen Betriebsübergang nach OR 333 gehen die mit dem Betrieb resp. Betriebsteil verbundenen Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über, es sei denn, ein Arbeitnehmer lehne den Übergang ab.

Liegt ein Transfer-Tatbestand nach Fusionsgesetz vor (Fusion, Spaltung, Vermögensübertragung), finden die Bestimmungen in OR 333 ebenfalls Anwendung (FusG 27, 49, 76).

Bei einer Übertragung des Betriebes oder eines Betriebsteils während einer Nachlassstundung im Rahmen eines Konkurses oder Nachlassvertrages durch Vermögensabtretung übertragen, geht das Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, sofern der Arbeitnehmer den Übergang nicht ablehnt. Mit Ausnahme von Abs. 3 von OR 333 werden die Bestimmungen in OR 333 und 333a sinngemäss angewandt (OR 333b).

Konsultation Arbeitnehmervertretung

Der übertragende Arbeitgeber hat die Arbeitnehmervertretung, oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer rechtzeitig vor dem Vollzug des Übergangs zu informieren über (OR 333a):

  • den Grund des Übergangs und
  • die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer.

Sind Massnahmen beabsichtigt, welche die Arbeitnehmer betreffen, sind die Arbeitnehmer resp. die Arbeitnehmervertretung rechtzeitig vor dem Entscheid über die Massnahmen zu informieren.

Gesamtarbeitsvertrag

Ist auf das übertragene Arbeitsverhältnis ein Gesamtarbeitsvertrag anwendbar, muss der Erwerber diesen während eines Jahres einhalten, sofern er nicht vorher abläuft oder durch Kündigung endet (OR 333 Abs. 1bis).

Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers

Die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer haben das Recht, den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse abzulehnen (OR 333 Abs. 1):

  • Die Ablehnungserklärung des Arbeitnehmers kann grundsätzlich formlos erfolgen.
    • Aus Beweisgründen wird eine schriftliche Erklärung empfohlen.
  • Die Ablehnungserklärung ist wie folgt zu adressieren:
    • Vor dem Betriebsübergang
      • an den bisherigen Arbeitgeber / Veräusserer
    • Nach dem Betriebsübergang
      • an den Erwerber.

Lehnt ein Arbeitnehmer den Übergang seines Arbeitsverhältnisses ab, gilt sein Arbeitsverhältnis nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist, frühestens jedoch im Zeitpunkt des Betriebsübergangs, als aufgelöst (OR 333 Abs. 2).

Spaltungs- oder Vermögensübertragungs-Variante

Sicherstellung + solidarische Haftung

  • Sicherstellung der Forderungen
    • Spaltungs-Variante
      • Schuldenruf-Pflicht der Banken
      • Frist zur Sicherstellungsaufforderung durch den Gläubiger: binnen 2 Monate (FusG 46 Abs. 1), ab Aufforderung
    • Vermögensübertragungs-Variante
      • Keine Pflicht zum Schuldenruf der Banken
      • Frist zur Sicherstellungsaufforderung durch den Gläubiger: binnen 2 Monate (FusG 46 Abs. 1), ab Handelsregistereintrag
    • Ausnahme von der Sicherstellungspflicht
      • Dispensation von der Sicherstellung, wenn die Gesellschaft nachweist, dass keine Gefährdung bestehe (FusG 46 Abs. 2)
    • Alternative zur Sicherstellung
      • Erfüllung der Forderung (FusG 46 Abs. 3)
  • Solidarische Haftung
    • Spaltungs-Variante
      • Die Solidarhaftung erstreckt sich auf die Dauer der Verjährungsfrist der Gläubiger- oder Arbeitnehmerforderung
    • Vermögensübertragungs-Variante
      • Ansprüche gegen den übertragenden Rechtsträger verjähren spätestens drei Jahre nach der Veröffentlichung der Vermögensübertragung, FusG 75 Abs. 2)

Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Besonderen

Als Arbeitnehmerschutz bei einer solchen Umstrukturierung ist vorgesehen:

  • Bestimmungen zum Übergang des Arbeitsverhältnisses
    • Gegenstand
      • Alle arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen nach Obligationenrecht
      • Im Falle einer mit der Umstrukturierung verbundenen Massentlassung gelten die allgemeinen Massenentlassungsregeln
    • Arbeitsrechtliche Nebenfolgen
      • Obwohl in der Umstrukturierungsgesetzgebung die sozial-, ausländer- und steuerrechtlichen Aspekte nicht berücksichtigt werden, sind diese gleichwohl zu beachten
      • Es wird sich weisen müssen, ob angesichts der verschärften Einwanderungserlasse und –Praxis in einer „Switzerland-Entity“ ein gleiches Mass an ausländischen Arbeitnehmern beschäftigt werden kann, wie ehemals in einer „Global Bank“
  • Information und Konsultation der Arbeitnehmervertretung
    • Adressaten
      • Arbeitnehmervertretung(en)
      • bei Unternehmen ohne Arbeitnehmervertretung: alle Arbeitnehmer
    • Konsultationszeitpunkt
      • vor Fassung des Umstrukturierungsbeschlusses
    • Rechtsbehelf der Arbeitnehmer
      • Begehren bei Gericht, die Eintragung der Umstrukturierung im Handelsregister zu untersagen (sog. Handelsregistersperre)
      • Angesichts der weitreichenden Folgen einer Handelsregistersperre ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, die Informations- und Konsultationsrechte der Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer zu wahren
  • Sicherstellung der Forderungen aus dem Arbeitsvertrag
    • Voraussetzung
      • Verschlechterung Arbeitgeberbonität
    • Arbeitnehmerrecht
      • Recht auf Sicherstellung seiner Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Fälligkeit bzw. bis zur Ablehnung des Übergangs bzw. bis zur ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
    • Arbeitgeberrecht
      • Recht auf Nachweis, dass die Forderungserfüllung nicht gefährdet sei.

Ablehnungsrecht des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer hat das Recht, den Übergang des Arbeitsverhältnisses abzulehnen und das Arbeitsverhältnis auf den Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist aufzulösen. Das Ablehnungsrecht ist an keine gesetzliche Frist gebunden. In der Praxis wird davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber nach Abschluss des Konsultationsverfahrens dem Arbeitnehmer eine Frist von einem Monat setzen darf, binnen der er den Übergang des Arbeitsverhältnisses ablehnen darf.

Veränderungen und Absicherung

Übertragende und übernehmende Gesellschaft haben in der Folge verschiedene Schicksale, erfahrungsgemäss verschiedene Organe und es können sich auch unterschiedliche Unternehmenskulturen entwickeln. Die übertragende Gesellschaft fühlt sich dem nicht mehr bei ihr arbeitendem Personal weniger verpflichtet, als wenn sie mit diesem noch operabel tätig sein muss. Auch wird sich mit der Zeit niemand mehr an den „übertragenen Mitarbeiter“ und seine Fähigkeiten und Vorzüge erinnern und eine Qualifikation von Leistung und Verhalten vornehmen können. Dem Arbeitnehmer ist empfohlen, seine Absicherungen wie bei einem Stellenwechsel vorzunehmen (siehe Box). Nicht im Umstrukturierungsprozess geregelt sind sodann bestimmte praktische, aber sich unmittelbar auf den Arbeitnehmer auswirkende Themen. Der Arbeitnehmer muss sich überlegen, ob er die Initiative ergreifen und die Themen beim neuen Arbeitgeber ansprechen will, sofern und soweit dieser ihm nicht zuvor kommt (siehe Box).

 Praktische Massnahmen zur Klärung fluider Punkte
(aus Sicht des Bankmitarbeiters)
Gegenstand Übertragende Gesellschaft Übernehmende Gesellschaft
Überstunden / Überzeit Überstunden- und Überzeit-Auszug verlangen Überstunden- und Überzeit-Auszug der übertragenden Gesellschaft genehmigen lassen
Ferien Ferienguthaben-Auszug verlangen Ferienguthaben-Auszug der übertragenden Gesellschaft genehmigen lassen
Arbeitszeugnis Zwischenzeugnis verlangen
Datenschutz / Datenlieferungen an ausländische Staaten Anfrage, wie der bisherige Arbeitgeber Datenlieferungen organisiere (Eigenherausgabe oder Herausgabe über die übernehmende Gesellschaft) + Aufforderung zur Information im gegebenen Fall
Personaldossier Einsichtnahme vor Übergabe an die übernehmende Gesellschaft Einsichtnahme zur Vollständigkeitskontrolle
Bonusrecht Bestätigung, dass

  • der Bonus Lohncharakter hat
  • die Bonusermessens-Faktoren a) Erfolg und b) Leistung per Übernahme für die Phase bei der übertragenden Gesellschaft als erfüllt gelten würden
  • keine Bonuskürzungsgründe vorliegen würden
Anfrage, ob Inhalt der Bestätigung der übertragenden Gesellschaft anerkannt wird
Vergütungssystem Offenlegung Parteiwechsel- und Übergangsveränderungen bzw. abreden Offenlegung Parteiwechsel- und Übergangsveränderungen bzw. abreden
Massgebend sind immer die konkreten Verhältnisse zwischen den Arbeitsvertragsparteien; bei Kaderfunktionen ist davon auszugehen, dass die neue Arbeitgeberin mit dem Kadermitarbeiter eine Individualvereinbarung zur Rechtsnachfolge bzw. Neugestaltung des Arbeitsverhältnisses abschliessen wird.

Jeder Arbeitnehmer muss für sich entscheiden, ob der (neue) Arbeitgeber die Klärungsabsichten des Arbeitnehmers als Misstrauen empfinden wird.

Fazit

Aus Rechtssicherheitsgründen wickelt sich der Übergang des Arbeitsverhältnisses binnen kurzer Zeit ab. Verpasst der Arbeitnehmer die Wahrung seiner „Umstrukturierungsrechte“, bleibt ihm immer noch die Möglichkeit, sich durch ordentliche Kündigung vom „neuen Arbeitgeber“ zu trennen und sein Glück bei einem andern Arbeitgeber zu suchen.

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