Für die PrHG-Anwendung bedarf es – nebst eines Herstellers und eines Produkts – des Vorhandenseins eines Fehlers
Das PrHG knüpft für die Haftung des Herstellers nicht an den Herstellungsprozess, sondern an das fehlerhafte Produkt an:
Definition des fehlerhaften Produkts
- Fehlerhaftes Produkt = Produkt, welches nicht die zu erwartende Sicherheit bietet
Grundlage
- PrHG 4
Abgrenzungen
- Abgrenzung von anderen Fehlerbegriffen
- Geschäftsherrenhaftung (Exkulpationsmöglichkeiten)
- Werkeigentümerhaftung (OR 58)
- Abgrenzung vom vertraglichen Gewährleistungsrecht (Kaufvertrag / Werkvertag)
- Fehler nach PrHG > Mangel an Sicherheit
- Ersatz von Mängelfolgeschaden
- Mangel nach Gewährleistungsrechts > Fehlen zugesicherter Eigenschaften oder zu Recht erwarteter Eigenschaften
- Primär Wiederherstellung des gestörten Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung
- Besteller Mängelrechte
- Fehler nach PrHG > Mangel an Sicherheit
Fehler-Erscheinungsformen
Umstände, die Sicherheitserwartung beeinflussen
- die Art und Weise, in der es dem Publikum präsentiert wird
- der Gebrauch, mit dem vernünftigerweise gerechnet werden kann
- der Zeitpunkt, in dem es in Verkehr gebracht wurde (vgl. PrHG 4 Abs. 1)
Fehler-Voraussetzung
- Positiv
- Mangel an Sicherheit
- Fehlerhaftigkeit i.S.v. PrHG 4 Abs. 1 auch, wenn das Produkt die erwartete Wirksamkeit nicht bietet
- Produkt mit schädigenden Eigenschaften, die es nicht haben dürfte
- Produkt, welches schützende Eigenschaften haben müsse, diese aber nicht aufweist
- Berechtigte Sicherheitserwartungen
- Fehlen der mit Recht erwarteten Sicherheit
- Person mit Sicherheitserwartungen
- Verletzung der Sicherheit, die ein durchschnittlicher Benutzer (und nicht der konkrete Anwender) unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten darf
- Dritte (innocent bystanders)
- Allgemeinheit
- Fehlerhaftes Produkt (Resultat-Fokussierung)
- Fokus auf mangelhaftes Produkt und nicht auf Herstellungsprozess oder mangelhaftes Herstellerverhalten
- Verletzung der Sicherheit, die ein durchschnittlicher Benutzer (und nicht der konkrete Anwender) unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten darf
- Fehlerhaftigkeit i.S.v. PrHG 4 Abs. 1 auch, wenn das Produkt die erwartete Wirksamkeit nicht bietet
- Mangel an Sicherheit
- Negativ
- Ein Produkt gilt nicht allein deshalb als fehlerhaft, weil später ein verbessertes Produkt in Verkehr gebracht wurde (vgl. PrHG 4 Abs. 2)
- Nichtberücksichtigung der Sorgfalt in Bezug auf Fabrikationsfehler eines Produkts
- Kein Abstellen darauf, ob es technisch möglich oder finanziell zumutbar gewesen wäre, die erkannte Gefahr zu beseitigen
- Ziel der Resultat-Fokussierung
- Dispensation des Geschädigten vom Nachweis der Sorgfaltspflichtverletzung des Herstellers (Ausschluss der Sorgfaltsfrage bei der Produktehaftung)
Wirkung
- Anspruch auf Ersatz von Mangelfolgeschäden
Prozessuales
- Allgemeines
- Der Geschädigte muss den Fehler beweisen
- Spezielles
- Kein Nachweis der Sorgfaltspflichtverletzung durch den Geschädigten
- Der Geschädigte hat die Sorgfaltspflichtverletzung des Herstellers oder dessen Hilfsperson nicht nachzuweisen
- Kein Geschäftsherren-Exkulpationsnachweis des Herstellers
- Der Hersteller kann sich nicht der Haftung dadurch entziehen, dass er den Nachweis erbringt, die erforderliche Sorgfalt aufgewendet zu haben (vgl. BGE 110 II 456
- Vgl. aber
- Kein Nachweis der Sorgfaltspflichtverletzung durch den Geschädigten
Gesetzestexte
Art. 4 PrHG Fehler
1 Ein Produkt ist fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist; insbesondere sind zu berücksichtigen:
- die Art und Weise, in der es dem Publikum präsentiert wird;
- der Gebrauch, mit dem vernünftigerweise gerechnet werden kann;
- der Zeitpunkt, in dem es in Verkehr gebracht wurde.
2 Ein Produkt ist nicht allein deshalb fehlerhaft, weil später ein verbessertes Produkt in Verkehr gebracht wurde.
Art. 5 PrHG Ausnahmen von der Haftung
1 Die Herstellerin haftet nicht, wenn sie beweist, dass:
- sie das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat;
- nach den Umständen davon auszugehen ist, dass der Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht vorlag, als sie das Produkt in Verkehr brachte;
- sie das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat;
- der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt verbindlichen, hoheitlich erlassenen Vorschriften entspricht;
- der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde, nicht erkannt werden konnte.
1bis Die Ausnahme von der Haftung nach Absatz 1 Buchstabe e gilt nicht für tierische Organe, Gewebe oder Zellen oder daraus hergestellte Transplantatprodukte, die zur Transplantation auf den Menschen bestimmt sind.
2 Die Herstellerin eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts haftet ferner nicht, wenn sie beweist, dass der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in das der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen der Herstellerin dieses Produkts verursacht worden ist.
Literatur
- WERRO FRANZ, Responsabilité produits, S. 31
- FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 196 ff.
- HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 18 f. + 92 f. zu PrHG 4
Judikatur
- BGE 110 II 456
- BGE 4A_365/2014, BGE 4A_371/2014 (Verhütungspille Yasmin: Keine Produktehaftung von BAYER)
- BGE 4A_365/2014 | bger.ch