Ein Haftungsausschluss bzw. Haftungsreduktion bei Selbstverschulden des Geschädigten bietet dem Hersteller ebenso eine Abwehrmöglichkeit.
Dem Hersteller stehen für einen Haftungsausschluss oder eine Haftungsreduktion im Falle eines Geschädigten-Verschuldens oder Geschädigten-Mitverschuldens verschiedene Verteidigungsmittel bzw. Verteidigungsargumente zur Verfügung:
Definition
- Selbstverschulden = ev. Haftungsbefreiung, wenn der Geschädigte alleine für durch die Produkteanwendung einen Schaden davonträgt
- Mitverschulden = Haftungsherabsetzung, wenn der Schaden durch einen Produktefehler und zugleich durch ein Verschulden des Geschädigten verursacht worden ist
Grundlagen
- PrHG 11 i.V.m. OR 43 + 44
- Auch im Anwendungsbereich des PrHG bestimmen die Normen von OR 43 + 44 den Schadenersatz und die Herabsetzung
Abgrenzung
- Abgrenzung der PrHG-Haftung von anderen Arten vertraglicher oder ausservertraglicher Haftung
- Vgl. auch Abgrenzungen
Verhalten des Geschädigten
Intensität
- Selbstverschulden
- Mitverschulden
Wirkungen
- Haftungsbefreiung
- Reduktion der Entschädigung
Haftungsbefreiung
Bedeutung
- Befreiung des Herstellers von der Schadenersatzpflicht
Selbstverschulden
- Überwiegendes Verschulden des Geschädigten
- Bei überwiegendem Verschulden wird der Kausalzusammenhang unterbrochen und der Hersteller von der Haftung befreit
- Kein überwiegendes Verschulden des Geschädigten
- Bewirkt das Geschädigten-Verschulden keine Unterbrechung des Kausalzusammenhang, so kann ein Herabsetzungsgrund vorliegen
Herabsetzung
Bedeutung
- Reduktion der Entschädigung
Mitverschulden
- Grundsatz
- Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens darf nicht leichtfertig angenommen werden
- Normaler Gebrauch
- Der normale Produktegebrauch und die Sicherheitserwartungen sollten Fehlmanipulationen zulassen
- Funktionswidriger Gebrauch
- Wird das Produkt anders als erwartet und in den Sicherheitserwartungen vorgesehen mit Schadenfolge eingesetzt, kann nicht von einem Produktefehler gesprochen werden
- Normaler Gebrauch, aber andere Schadensverursachung
- Betrifft das Mitverschulden des Geschädigten nicht den Produktegebrauch, sondern den Schaden aus anderem Grunde, so ist der Produktefehler nur eine Teilursache und der Geschädigte muss sich sein mitschädigendes Verhalten anrechnen lassen
Richterliche Schadensschätzung / Beweiserleichterung
- Der nicht ziffernmässig nachweisbare Schaden kann aufgrund von PrHG 11 i.V.m. OR 42 Abs. 2 vom Richter, mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge und auf die vom Geschädigten getroffenen Massnahmen, geschätzt werden
- Es handelt sich hierbei um eine Beweiserleichterung zugunsten des Geschädigten.
Gesetzestexte
Art. 5 PrHG Ausnahmen von der Haftung
1 Die Herstellerin haftet nicht, wenn sie beweist, dass:
- sie das Produkt nicht in Verkehr gebracht hat;
- nach den Umständen davon auszugehen ist, dass der Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht vorlag, als sie das Produkt in Verkehr brachte;
- sie das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat;
- der Fehler darauf zurückzuführen ist, dass das Produkt verbindlichen, hoheitlich erlassenen Vorschriften entspricht;
- der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt, in dem das Produkt in Verkehr gebracht wurde, nicht erkannt werden konnte.
1bis Die Ausnahme von der Haftung nach Absatz 1 Buchstabe e gilt nicht für tierische Organe, Gewebe oder Zellen oder daraus hergestellte Transplantatprodukte, die zur Transplantation auf den Menschen bestimmt sind.1
2 Die Herstellerin eines Grundstoffs oder eines Teilprodukts haftet ferner nicht, wenn sie beweist, dass der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in das der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen der Herstellerin dieses Produkts verursacht worden ist.
Art. 11 PrHG Verhältnis zu anderen Bestimmungen des eidgenössischen oder kantonalen Rechts
1 Soweit dieses Gesetz nichts anderes vorsieht, gelten die Bestimmungen des Obligationenrechts1.
2 Schadenersatzansprüche aufgrund des Obligationenrechts oder anderer Bestimmungen des eidgenössischen oder des kantonalen öffentlichen Rechts bleiben dem Geschädigten gewahrt.
3 Dieses Gesetz ist nicht anwendbar auf Schäden infolge eines nuklearen Zwischenfalls. Abweichende Bestimmungen in völkerrechtlichen Verträgen sind vorbehalten.
Literatur
- HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 2 zu PrHG 11
- WERRO FRANZ, Responsabilité produits, S. 53 ff.
- WERRO FRANZ, PEG , S. 53 f.
Judikatur
- Hughes vs. Magic Chef, Inc., 288 N.W., 2d 542 (1980)