Mobbing ist systematisches Schikanieren und/oder Ausgrenzen. Wird der oder die Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gemobbt, spricht man von Bossing.
Mobbing ist gesetzlich nicht explizit geregelt. Es gilt die allg. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (OR 328; ArG 6), die Persönlichkeit und Gesundheit des Arbeitnehmers zu schützen.
Arten von Mobbing
Das systematische Schikanieren und/oder Ausgrenzen kann erfolgen:
- eines Arbeitnehmers
- durch eine Gruppe von Arbeitskollegen
- durch einen Arbeitskollegen
- durch einen Vorgesetzten
- durch den Arbeitgeber
- 2 oder mehrere Arbeitnehmer durch eine Gruppe von Arbeitskollegen
- eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber (auch bossing bezeichnet).
Massnahmen zur Verhinderung von Mobbing
Der Arbeitgeber hat
- eigenes mobben (bossing) zu unterlassen
- gegen mobbende Vorgesetzte oder Arbeitnehmer vorzugehen
- durch Weisungen
- notfalls durch Entlassung.
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verbietet ihm blosses zusehen und zu denken, der Betroffene habe sich selber zu wehren bzw. die Sache erledige sich selber. Der Arbeitgeber hat präventiv gegen Mobbing vorzugehen, zum Beispiel durch:
- Weisung
- Merkblatt / Anschlag am „Schwarzen Brett“
- Allgemeine Arbeitsbestimmungen (AAB)
- Betriebsordnung / Personalreglement
- Schulung der Führungspersonen
Intervention in der Konfliktsituation
In einer konkreten Konfliktsituation hat der Arbeitgeber alles ihm zumutbare zur Entschärfung von Situation und Sachverhalt vorzunehmen (Konfliktmanagement). Bei den zu ergreifenden (adäquaten) Massnahmen hat der Arbeitgeber einen gewissen Ermessenspielraum:
- Gespräche, ev. unter Beizug eines Dritten oder Kommunikationsexperten
- Mediation
- Weisung
- Verwarnung
- Disziplinarmassnahmen
- Versetzung
- Kündigung
Die Relation von Kündigungsfreiheit und Fürsorgepflicht in einer Mehrparteiensituation ist genau zu prüfen und die Gefahr des Vorwurfs einer missbräuchlichen Kündigung mit Ersatzzahlungsfolge zu berücksichtigen.
Ansprüche des gemobbten Mitarbeiters
Die Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Arbeitgeber kann privatrechtliche, öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Dimensionen annehmen:
- Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers, nach Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers und entsprechender Abmahnung (bei bezahltem Lohn: OR 324 Abs. 1)
- Schadenersatzanspruch aus Vertrag (OR 328 i.V.m. OR 97, für Quantitativ ev. OR 42)
- Organ- und Hilfspersonenhaftung, falls das Mobbing von einem Dritten ausgeht (ZGB 55 Abs. 2; OR 101)
- Schadenersatzanspruch ausservertraglich (OR 41)
- Genugtuungsanspruch (OR 99 Abs. 3 i.V.m. OR 47 + OR 49)
- Rechtsbehelfe aus Persönlichkeitsverletzung (ZGB 28a)
- Anzeige beim Arbeitsinspektorat (ArG 54, ev. Zwangsverwaltung oder Betriebsschliessung (ArG 52 Abs. 2))
- Haftung der Arbeitskollegen oder Dritter (OR 41 ff., OR 47 + 49 und ZGB 28a)
- Stresshaftung (ArG3 2 Abs. 1 lit. c i.V.m. OR 97, ev. OR 41 ff. und ZGB 28a)
Mobbing-bedingte Krankheit und Arbeitsunfähigkeit
Das Mobbing kann für die betroffene Person gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen, welche zur Arbeitsunfähigkeit führen. Für eine gewisse Zeit besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber dem Arbeitnehmer:
Kündigung / Freistellung / Aufhebungsvereinbarung
In einem Mobbing-Konflikt ist stets zu prüfen, wem oder, ob allen streitinvolvierten Mitarbeitern gekündigt werden soll. Zu beachten ist, dass eine Kündigung missbräuchlich sein kann, wenn sie aus einem in OR 336 genannten Motiven ausgesprochen wird und gegen den sachlichen Kündigungsschutz verstösst:
Üblicherweise wird aus Kosten-/Nutzen- und Risikogründen zu einer ordentlichen Kündigung mit Freistellung gegriffen oder, sofern und soweit möglich zu einer einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (Aufhebungsvereinbarung):
In eskalierenden Fällen können sogar fristlose Kündigungen zum Thema werden:
- Fristlose Entlassung des Mobbingtäters
- Fristlose Entlassung des Mobbingopfers
- Fristlose Kündigung durch das Mobbingopfer
Der Individualität des Einzelfalls ist immer Rechnung zu tragen.
Prozessrechtliche Aspekte
Die Zivilprozessverfahren in Mobbing-Streitfällen unterscheiden sich kaum von den allgemeinen prozessualen Abläufen eines Arbeitsprozesses:
- Schlichtungsverfahren
- Gerichtliches Mediationsverfahren
- Entscheidverfahren
Strafrechtliche Aspekte
Mobbingverhalten kann auch strafrechtlich relevant werden, namentlich im Rahmen nachgenannter Straftatbestände:
- Verleumdung (StGB 174)
- Beschuldigungen, Verdächtigungen, Weitergabe ehrenrühriger Tatsachen gegenüber einem Drittem, der die Mitteilung zur Kenntnis genommen hat
- Vorsatzerfordernis
- Üble Nachrede (StGB 173)
- Beschuldigungen, Verdächtigungen, Weitergabe ehrenrühriger Tatsachen gegenüber einem Drittem, der die Mitteilung zur Kenntnis genommen hat
- Behauptung braucht nicht unwahr zu sein
- Beschimpfung (StGB 177)
- Kundgabe einer negativen bzw. verachtenden Beurteilung zum Betroffenen durch den Täter
- Vorsatzerfordernis
- Drohung (StGB 180)
- In-aussichtstellen von Nachteilen, die der Täter von seinem Willen abhängig macht
- Vorsatzerfordernis
- Nötigung (StGB 181)
- Beschränkung der Handlungsfreiheit des Opfers durch Androhung von Gewalt und ernstlicher Nachteil oder anderer Nötigungsmittel
- Vorsatzerfordernis
- Einfache Körperverletzung (StGB 123)
- Schädigung von Körper und Gesundheit des Opfers, auch der Psyche
- Vorsatzerfordernis
- Sexuelle Belästigung (StGB 198)
- Vornahme sexueller Handlungen vor jemand anderem oder tätliche bzw. verbale Belästigung
- Vorsatzerfordernis
Literatur
- BIELI BELINDA, Mobbing aus Sicht des Schweizer Arbeitsrechts, Zürich / St. Gallen 2016, 152 S.
- GEISER THOMAS, Rechtsfragen der sexuellen Belästigung und des Mobbings, in: ZBJV 2001, S. 429 ff.
- REHBINDER MANFRED / KRAUSZ ALEXANDER, Psychoterror am Arbeitsplatz, in: ArbR 1996, S. 17 ff.
- SCHILLER-STUTZ KLAUS, Mobbing und Arbeitsplatzkonflikte – Psychosozialen Stress erkennen – konstruktiv lösen – vorbeugen, 4. Auflage, Zürich 2018
- STREIFF ULLIN / VON KAENEL ADRIAN / RUDOLF ROGER, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, 7., vollständig überarbeitete und stark erweiterte Auflage, Zürich 2012, N 17 zu OR 328
- WAEBER BERNARD, Le mobbing ou harcèlement psychologique au travail, quelles solutions?, in: AJP 1998, S. 792 ff.
- WYLER REMY, Droit du travail, 2. Auflage, Bern 2008, S. 324 (zur Beweisthematik)
Judikatur
- Mobbing-Definition etc.
- BGE 8C_446/2010 vom 25.01.2011, Erw. 4.1
- BGE 8C_826/2009 vom 01.07.2010, Erw. 4.2 = JAR 2011, S. 260
- BGE 1C_156/2007 vom 30.08.2007, Erw. 4.2 = SAE 2008, S. 16
- BGE 4A_128/2007 vom 09.07.2007, Erw. 2.1
- Hohe Anforderungen an Mobbing
- BGE 4A_26/2010 vom 25.08.2010
- Kein Mobbing, mangels systematischen Vorgehens
- BGE 8C_358/2009 vom 08.03.2010, Erw. 5.3 = JAR 2011, S. 142
- Kein Mobbing, wenn bloss schlechte Arbeitsatmosphäre oder Arbeitskonflikt
- BGE 4A_115/2011 vom 12.09.2011, Erw. 3
- BGE 1C.156/2007 vom 30.08.2007, Erw. 4.2 = SAE 2008, S. 16
- BGE 4C.414/2005 vom 29.03.2006, Erw. 3.1
- BGE 2P.39/2004,vom 13.07.2004, Erw. 4.2
- Kein Mobbing, wenn Arbeitnehmer an seine Arbeitspflichten erinnert und arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht werden
- BGE 4A_115/2011 vom 12.09.2011, Erw. 3
- BGE 4A_32/2010 vom 17.05.2010, Erw. 3.3.4 = JAR 2011, S. 203
- BGE 8C_446/2010 vom 25.01.2011, Erw. 4.1
- BGE 2A_770/2006 vom 26.04.2007, Erw. 4.1
- BGE 4C.404/2005 vom 10.03.2006 = JAR 2007, S. 211, Erw. 3
- CA GE, in: JAR 2006, S. 445, Erw. 2.1
- Kein Mobbing, wenn dem Arbeitnehmer Zielvorgaben gesetzt werden und dadurch ein Druck entsteht
- BGE 8C_446/2010 vom 25.01.2011, Erw. 4.2.3
- Kein Mobbing, wenn der Vorgesetzte nicht in vollem Umfang seinen Pflichten gegenüber dem Untergebenen nachkommt
- BGE 4C.109/2005 vom 31.05.2005, Erw. 4
- Kein Mobbing bei unangemessenem Führungsstil
- Beweisfragen (Beweisschwierigkeiten wegen schwieriger Fassbarkeit von Mobbingtatbeständen)
- Entscheide, die schlüssige Kette verlangen
- BGE 1C.418/2008 vom 27.05.2009 = JAR 2010, S. 324
- BGE 4C.109/2005 vom 31.05.2005, Erw. 4 = ARV 2005, S. 253 = JAR 2006, S. 250
- BGE 2P.207/2002 vom 20.06.2003, Erw. 4.2
- Schlüssige Kette als Beweiserleichterung dürften nicht überschätzt werden
- BGE 4A_245/2009 vom 06.04.2010 = JAR 2011, S. 162
- BGE 4A_128/2007 vom 09.07.2007
- TC VD, in: JAR 2010, S. 628
- Entscheide, die schlüssige Kette verlangen
- Schadenersatz und Genugtuung
- BGE 125 III 73 = JAR 1999, S. 223 = Pra 1999, Nr. 112
- BGE 127 III 351 = ARV 2001, S. 118 = JAR 2002, S. 2007