Ungeeignete Verwertungshandlungen der Konkursverwaltung können auch eine vermögensrechtliche Verantwortlichkeit in Form der bundesrechtlich vorgesehenen Haftung des Staates, d.h. des Kantons, in dem der Konkurs eröffnet wurde, auslösen:
- Definition
- Staatshaftung = Einstehen des Staates für einen durch obrigkeitliches Handeln eines Beamten oder einer Magistratsperson einem Dritten entstandenen Schaden.
- Grundlagen
- SchKG 5 – 7, analog Haftung aus unerlaubter Handlung von OR 41
- Voraussetzungen
- Es werden für eine Staatshaftung des Kantons vorausgesetzt:
- Vermögensschaden
- Amtshandlung
- Handelndes Organ gemäss SchKG 5 Abs. 1
- Widerrechtliche Amtshandlung (Rechtsgut- oder Normenverletzung)
- Adäquater Kausalzusammenhang zwischen widerrechtlicher Amtshandlung und Schaden (vgl. BGer 5A_306/2007).
- Nicht erforderlich:
- Verschulden des handelnden Konkursorgans, da der Kanton von Bundesrechts wegen rein kausal haftet (vgl. SchKG 5 Abs. 1).
- Keine Haftbarmachung bei gesetzmässigem Handeln
- Für gesetzmässiges Handeln im Rahmen der Amtspflicht kann niemand haftbar gemacht werden.
- Es werden für eine Staatshaftung des Kantons vorausgesetzt:
- Verantwortungsträger
- Ausschliesslich und direkt der Kanton
- Der geschädigte hat gegenüber dem fehlbaren Beamten keinen Anspruch (Exklusivität der Staatshaftung; vgl. SchKG 5 Abs. 2).
- Schadenersatz-Geltendmachung
- Da der Staatshaftungsanspruch auf öffentlichem Recht gegen den Staat (Kanton) basiert, ist der Schadenersatzanspruch grundsätzlich auf dem Verwaltungsweg nach kantonalem Recht geltend zu machen.
- Weiteres (Instanzenzug, Verjährung, Regress des Staates auf den Fehlbaren etc.)ist im individuell konkreten Einzelfall zu prüfen.
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D. Haftung
1. Grundsatz
Art. 5 SchKG
1 Der Kanton haftet für den Schaden, den die Beamten und Angestellten, ihre Hilfspersonen, die ausseramtlichen Konkursverwaltungen, die Sachwalter, die Liquidatoren, die Aufsichts- und Gerichtsbehörden sowie die Polizei bei der Erfüllung der Aufgaben, die ihnen dieses Gesetz zuweist, widerrechtlich verursachen.
2 Der Geschädigte hat gegenüber dem Fehlbaren keinen Anspruch.
3 Für den Rückgriff des Kantons auf die Personen, die den Schaden verursacht haben, ist das kantonale Recht massgebend.
4 Wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, besteht zudem Anspruch auf Genugtuung.
2. Verjährung
Art. 6 SchKG
1 Der Anspruch auf Schadenersatz verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte von der Schädigung Kenntnis erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.
2 Hat die Person, die den Schaden verursacht hat, durch ihr Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.
3. Zuständigkeit des Bundesgerichts
Art. 7 SchKG
Wird eine Schadenersatzklage mit widerrechtlichem Verhalten der oberen kantonalen Aufsichtsbehörden oder des oberen kantonalen Nachlassgerichts begründet, so ist das Bundesgericht als einzige Instanz zuständig.
Literatur
- VOCK DOMINIK / MEISTER-MÜLLER DANIELE, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, 2., überarbeitete Auflage, Zürich / Basel / Genf 2018, § 7, S. 43 ff.
- AMONN KURT / WALTHER FRIDOLIN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9., vollständig aktualisierte Auflage, Bern 2013, § 5, N 6 ff.
Judikatur
- Rechtsgrundlagen
- BGE 126 III 431 (Rechtsnatur)
- BGer 5A_54/2008 (subsidiäre, analoge Anwendung der Regeln von OR 41)
- Haftungsvoraussetzungen
- BGE 80 III 53 (Schadensberechnung + Festsetzung der Ersatzpflicht, mangels eigener SchKG-Normen, nach den privatrechtlichen Vorschriften von OR 42 ff.)
- BGer 7B.90/2003 (fehlendes Rechtsschutzinteresse)
- BGE 131 IV 35 (Hilfsperson)
- BGE 120 Ib 248 ff. (Haftung für Konkursrichter als Vollstreckungsorgan)
- BGer 5A_306/2007 (Rechtsanwendung)
- BGer 5A_229/2009 (erfülltes Tatbestandsmerkmal der Widerrechtlichkeit)
- BGer 5A_306/2007 (Kausalzusammenhang)
- Verantwortungsträger
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- Geltendmachung des Schadenersatzes
- BGE 126 III 437 (Auswirkungen der SchKG-Revision auf das Staatshaftungsrecht)