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Konkursverwertung

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Abtretung von Rechtsansprüchen (SchKG 260)

Rechtsgebiet:
Konkursverwertung
Stichworte:
Konkursverwertung
Autor:
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
Herausgeber:
Verlag:
LAWMEDIA AG

Verzichtet die Konkursverwaltung und anschliessend die Gläubigergesamtheit auf die Geltendmachung von Ansprüchen im Namen und auf Rechnung der Konkursmasse, steht es jedem Gläubiger frei, den Anspruch im Namen der Konkursmasse (sog. Prozessstandschaft), aber auf eigene Rechnung, weiterzuverfolgen (vgl. SchKG 260 (siehe Box unten)):

  • Definition
    • Abtretung von Rechtsansprüchen = Will die Konkursverwaltung nicht in eigenem Namen und auf eigene Rechnung einen Anspruch gegenüber einem Schuldner des Gemeinschuldners durchsetzen, hat sie diesen den Gläubigern zur Selbstverfolgung im Rahmen einer sog. Prozessstandschaft „abzutreten“.
    • Abtretungsgläubiger = Konkursgläubiger, der sich einen Massaanspruch zur Selbstverfolgung gestützt auf SchKG 260 hat abtreten lassen.
  • Grundlagen
    • SchKG 260
      • mit irreführendem Gesetzeswortlaut («Abtretung von Rechtsansprüchen»)
  • Rechtsnatur
    • Allgemein
      • Selbstverfolgungsrecht der Gläubiger
        • Prozessführungsrecht für den «abgetretenen Anspruch»
      • = Vollstreckungsrechte Liquidationsmassnahme, welche an die Stelle einer Versteigerung oder eines Freihandverkaufs treten kann
        • Vgl. BGE 113 III 22.
    • Übertragung der Geltendmachungs-Kompetenz auf einen Konkursgläubiger
      • Keine Abtretung des materiellen Anspruchs wie beim zivilrechtlichen Abtretungs- bzw. Zessionsrecht
      • Vgl. hiezu
        • BGE 111 II 83
        • BGE 113 III 137
        • BGer 7B.18/2006.
    • Zivilprozessrechtlich
      • Prozessführungsrecht, welches im Prozessfall von den klagenden Gläubigern im Rahmen einer Prozessstandschaft genutzt wird.
      • Der Abtretungsgläubiger wird mit der Abtretungsurkunde ermächtigt, anstelle der Konkursmasse einen allfälligen Prozess um den (strittigen) Anspruch zu führen
      • Vgl. hiezu
        • BGE 122 III 490
        • BGer vom 27.02.1998, in: BlSchK 2002, S. 134 ff.
        • BGer 4A_215/2009
  • Ziele
    • Vermittlung des Selbstverfolgungsrechts an einzelne Gläubiger
    • Gelegenheit für die Konkursmasse, schwierig einbringliche Massagegenstände den Gläubigern nutzbar zu machen
  • Motive
    • Weiterleitung des bestrittenen Massaanspruchs zur Eigenverfolgung an einen oder mehrere (Abtretung-)Konkursgläubiger
  • Funktion
    • Nutzbarmachung eines Assets der Konkursmasse durch den/die Abtretungsgläubiger, mit dem Nebeneffekt, dass ein allfälliger Überschuss aus der Rechtsverfolgung durch den Abtretungsgläubiger
    • Diese Verwertungsart entspricht der spezialexekutionsrechtlichen Übernahme eines Anspruchs durch den Gläubiger zur Eintreibung nach SchKG 131 Abs. 2 in der Betreibung auf Pfändung
  • Wesen
    • Die Abtretung nach SchKG 260 ist ein Prozessführungsrecht, welches den Abtretungsgläubiger ermächtigt, anstelle der Konkursmasse einen allfälligen Prozess um den Anspruch zu führen (vgl. BGE 122 III 490, BGE vom 27.2.1998, B1SchK 2092, S. 134 ff., BGE 4A_215/2009).
  • Verbreitung
    • Grosse praktische Bedeutung, weil beim Konkurs das gesamte Vermögen des Gemeinschuldners zu liquidieren ist, wo sich naturgemäss auch alle Forderungen / Ansprüche befinden.
  • Erscheinungsformen
    • Aktivanspruch
      • (Regelfall)
    • Passivanspruch
      • (Ausnahmefall, der eine dominante Verfahrensstellung des allf. Abtretungsgläubigers voraussetzt, bei Konkurseröffnung hängiger Prozess)
  • Abtretungsgegenstand
    • Allgemein
      • Abtretungsgegenstand können sämtliche Vermögenswerte, die zum Bestand der Konkursmasse gehören (vgl. BGE 101 II 328)
    • Rechtsansprüche (gesetzliche Definition)
      • Das Gesetz (SchKG 260 Abs. 1) spricht einfach von «Rechtsansprüchen».
      • Dies sind grundsätzlich
        • sämtliche Vermögensrechte, die Bestandteil der Konkursmasse bilden (vgl. BGE 101 II 328)
        • Ansprüche, die der Masse originär zustehen
          • zB Masseforderungen
          • zB Anfechtungsansprüche, d.h. obligatorische Ansprüche auf Rückübertragung
        • Vgl. SchKG 209, KOV 27 Abs. 2; BGer 7B.18/2006).
    • Umfang
      • Der Umfang der Abtretung umfasst alles, was direkt oder sinngemäss dem der Masse möglicherweise zustehenden Aktivum als Vermögenswert entspricht (vgl. BGer 4A_381/2012):
        • zweifelhafte Aktiven
          • zB unsichere Forderungen
        • blosse Bestreitungsrechte
          • zB zur Abwehr unberechtigter Ansprüche gegen die Konkursmasse, ausnahmsweise auch der Aktiven- oder sogar der Passiven-Bereinigung dienend
    • Zweifelhafte Aktiven
      • Allgemeines
        • Zu den zweifelhaften Aktiven zählen vor allem bestrittene Forderungen und andere zivilrechtliche Ansprüche, die zur Konkursmasse gehören.
      • Beispiele
        • Zivilrechtliche Ansprüche
          • unsichere Debitorenguthaben
          • Masseforderungen (aus Lieferung von Waren vor bzw. nach der Konkurseröffnung)
          • Anspruch auf Einzahlung ausstehender Aktienliberierungsbeträge
          • Verantwortlichkeitsansprüche gegenüber ihren Organen (vgl. OR 757; BGer 4A_446/2009)
          • Anfechtung einer nicht gerechtfertigten Enterbung des Konkursiten sowie Geltendmachung seines Pflichtteilsrechts (ZGB 524)
          • bestrittene Admassierungsansprüche
          • zur Masse gehörenden Anfechtungsansprüche
            • zB Ansprüche aus paulianischer Anfechtung (SchKG 285 ff., ferner SchKG 256 Abs. 4)
            • zB Ansprüche aus Verrechnungsanfechtung (SchKG 214)
            • zB Anfechtung einer dolosen Ausschlagung der Erbschaft durch den konkursiten Erben (ZGB 578)
        • öffentlich-rechtliche Ansprüche
          • Ansprüche aus materieller Enteignung
        • Zivilprozess- oder Verwaltungs-Verfahren
          • Forderungen des Konkursiten, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Verfahrens sind (SchKG 207), falls die Gläubigergesamtheit auf die Weiterführung des Verfahrens verzichten.
    • Bestreitungsrechte
      • Allgemeines
        • Die Bestreitungsrechte umfassen alle auf Abwehr eines gegen die Konkursmasse erhobenen Ansprüche gerichteten Rechte.
      • Beispiele
        • Die Bestreitungsrechte betreffen namentlich die Ablehnung
          • eines Aussonderungsanspruchs ( KOV 47);
          • einer bei Konkurseröffnung bereits im Prozess liegenden Konkursforderung (SchKG 207),
            • auch einer öffentlich-rechtlichen, wobei der Abtretungsgläubiger dann in das hängige Verfahren eintritt.
          • einer Masseverbindlichkeit
            • zB eines Expertenhonorars
          • einer gegen die Masse selbst erhobenen Steuerforderung und dergleichen
          • einer Begünstigungsklausel in der Lebensversicherung (vgl. BGE 81 III 140, BGE 105 III 133).
      • Bestreitung von Konkursforderungen
  • Formelle Voraussetzungen
    • Allgemeines
      • Die Abtretung materiell vorhandenen Inventaranspruchs setzt formell voraus:
        • Verzicht der Gläubigergesamtheit auf die Geltendmachung des Anspruchs im Namen und auf Rechnung der Konkursmasse (1),
        • das Abtretungsbegehren (2) eines legitimierten Gläubigers (3) und
        • die Abtretungsverfügung/-urkunde der Konkursverwaltung (4).
    • 1) Verzicht der Gläubigergesamtheit auf die Geltendmachung des Anspruchs im Namen und auf Rechnung der Konkursmasse
      • Gläubigergesamtheits-Verzicht
        • Die «Gesamtheit der Gläubiger» verzichtet – in der Regel auf Antrag der Konkursverwaltung – auf die Geltendmachung eines Massaanspruchs im Namen und auf Rechnung der Konkursmasse (vgl. SchKG 260 Abs. 1).
      • Beschlussfassung
        • Ausreichend ist ein Mehrheitsbeschluss
          • der zweiten Gläubigerversammlung (bzw in dringenden Fällen der ersten Gläubigerversammlung; BGE 138 III 219)
          • durch Gläubigerzirkular (BGE 118 III 59, BGE 116 III 101 f.)
          • auf dem Weg der Publikation (BGE 136 III 636) oder
          • im summarischen Konkursverfahren ausnahmsweise anlässlich einer ausserordentlichen Gläubigerversammlung (BGE 138 III 223).
      • Stellungnahmerecht aller Gläubiger
        • Alle Gläubiger haben Gelegenheit zu erhalten, zur Frage des Verzichts Stellung zu nehmen.
        • Bei Verletzung des rechtlichen Gehörs wäre
          • die Abtretung nichtig (BGE 118 III 59, BGE 134 III 75)
          • die Nichtigkeit wäre auch im Abtretungsprozess von Amtes wegen zu berücksichtigen (BGE 136 III 537).
    • 2) Abtretungsbegehren eines legitimierten Konkursgläubigers
      • Begehren
        • Ein Konkursgläubiger muss die Abtretung verlangt haben.
      • Zeitpunkt
        • Das Abtretungsbegehren kann gestellt werden an der
          • zweiten Gläubigerversammlung selbst oder
          • binnen 10 Tagen danach gestellt werden
            • (vgl. KOV 48 für eine streitige Aussonderung)
          • im Anschluss an ein Gläubigerzirkular im Zirkularbeschlussverfahren
        • Fristansetzung für die Stellung des Abtretungsbegehrens
          • Im Falle eines Zirkularbeschlusses wird die Frist meist im gleichen Gläubigerzirkular angesetzt (BGE 136 III 538).
        • Spätere Anspruchsentdeckung
          • Wird ein streitiger Anspruch erst später entdeckt, kann das Abtretungsverfahren noch später, auch noch nach Abschluss des Konkursverfahrens eingeleitet werden (vgl. SchKG 269).
    • 3) Legitimation des Konkursgläubigers
      • Legitimationsanknüpfung
        • Zugelassener Konkursgläubiger
          • Zum Abtretungsbegehren legitimiert ist jeder Konkursgläubiger, welcher im Kollokationsplan definitiv oder nur pro memoria, da seine Forderung zB Gegenstand eines Prozesses ist (BGE 128 III 291) — vorgemerkt ist.
        • Abgewiesener Gläubiger
          • Einem abgewiesenen Gläubiger darf eine bedingte Abtretung nicht verwehrt werden,
            • sofern er den Entscheid rechtzeitig angefochten wurde,
              • mit Beschwerde und / oder
              • Kollokationsklage
          • Obsiegen
            • Die Abtretung wird unbedingt, wenn seinem Beschwerde- oder Kollokationsbegehren entsprochen wurde.
          • Unterliegen
            • Die Abtretung fällt dahin, wenn sein Beschwerde- oder Kollokationsbegehren abgewiesen wurde.
          • Vgl. BGE 48 III 88, BGE 128 III 291.
        • Gläubiger mit verspäteter Forderungsanmeldung
          • Selbst ein Gläubiger, der seine Forderung verspätet eingibt (SchKG 251), kann noch die Abtretung verlangen (vgl. BGer 7B.94/2003).
      • Mehrere Abtretungsgläubiger
        • Wenn mehrere Konkursgläubiger die Abtretung ein und desselben Anspruchs verlangen, wird er ihnen gemeinsam abgetreten.
      • Kein Abtretungsgläubigerrecht
        • Ein Konkursgläubiger, gegen den sich der abzutretende Anspruch richtet, ist nicht zur Stellung des Abtretungsbegehrens legitimiert.
          • Eine Abtretung wäre nichtig, weil sie die Geltendmachung des Anspruchs obsolet machen würde (BGE 54 III 211, BGE 107 III 93, BGer 7B.18/2006).
    • 4) Abtretungsverfügung/-urkunde der Konkursverwaltung
      • Allgemeines
        • Die Abtretung nach SchKG 260 ist durch die Konkursverwaltung förmlich zu verfügen.
        • Bezüglich der Abtretung nach Konkurseröffnung entdeckter Forderungen vgl. SchKG 269.
      • Abtretungsurkunde (Formular)
        • Für die Abtretungsverfügung wird von der Konkursverwaltung regelmässig ein Formular verwendet:
          • Bescheinigung
            • In der Abtretungsurkunde wird bescheinigt, dass der Abtretungsgläubiger befugt ist, den Anspruch gütlich oder prozessual geltend zu machen.
          • Geltendmachungsfrist
            • Mit der Abtretungsurkunde wird i.d.R. Frist angesetzt,
              • binnen welcher der Anspruch geltend zu machen ist,
              • und der Widerruf der Abtretungsverfügung angedroht wurde, falls der Abtretungsgläubiger nicht rechtzeitig handle.
          • Bekanntgabe der Mitgläubiger, die gleichzeitig die Abtretung verlangten
            • Verlangten mehrere Gläubiger die Abtretung, werden sie angewiesen, im Prozessfall als Streitgenossen aufzutreten.
          • Beschwerderecht
            • Gegen die Abtretungsverfügung kann bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden (vgl. SchKG 17)
              • Der Gläubiger kann zB beanstanden, dass die Voraussetzungen zur Abtretung fehlten.
            • Vgl. https://law.ch/lawinfo/schkg-beschwerde/
          • Zivilrecht
            • Der Zivilrichter darf die konkursrechtliche Gültigkeit der Abtretung nach SchKG 260 — Nichtigkeit vorbehalten — nicht überprüfen, wenn es zum Prozess um den abgetretenen Anspruch kommt (vgl. BGE 113 III 22, BGE 132 III 346)
  • Unmittelbare Wirkungen
    • Allgemeines
      • Dem Zweck entsprechend bewirkt die Abtretung nach SchKG 260 einzig, dass das Recht auf Geltendmachung eines der Masse zustehenden Anspruchs (auf Eintreibung oder Abwehr) —insbesondere das Prozessführungsrecht — auf den Abtretungsgläubiger übergeht.
    • Zuständigkeitsausschluss der Konkursverwaltung
      • Ohne Zustimmung des Abtretungsgläubigers darf die Konkursverwaltung den Anspruch nach erfolgter Abtretung nach SchKG 260 nicht mehr verwerten (vgl. BGE 115 III 76), obwohl sich an der Zugehörigkeit des Anspruchs zur Konkursmasse nichts ändert.
    • Exklusive Rechtszuständigkeit des Abtretungsgläubigers
      • Es ist nach erfolgter Abtretung ausschliesslich Sache des Abtretungsgläubigers, den streitigen Anspruch anstelle der Masse mit allen rechtlichen Mitteln, offensiv oder defensiv, geltend zu machen.
    • Akteneinsicht / Aktenherausgabe
      • Die Konkursverwaltung hat dem Abtretungsgläubiger alle dienlichen Unterlagen auszuhändigen.
    • Debitor cessus
      • Der «debitor cessus» kann weiterhin befreiend an die Konkursmasse leisten, wobei die Abtretung dann gegenstandslos wird.
      • Der „debitor cessus“ ist gegenüber dem Abtretungsgläubiger auf die Einreden beschränkt, die er gegenüber dem Konkursiten oder der Konkursmasse besitzt (vgl. BGE 106 II 145, BGE 136 III 107 betreffend Verantwortlichkeitsansprüche gemäss OR 757).
    • Einreden
      • Allgemein
        • Einreden gegenüber dem Abtretungsgläubiger persönlich kann der Abtretungsschuldner nicht erheben:
          • Keine Verrechnungseinrede
          • Keine Infragestellung der Anspruchsgrundlage des Abtretungsgläubigers, wie
            • Konkursforderung
            • Kollokationsverfügung
          • Keine Bestreitung der Gültigkeit der Abtretungsurkunde
          • etc.
      • AG-Konkurs
        • Im Konkurs über eine Aktiengesellschaft (AG) ist folgendes zu beachten:
          • Bei Abtretung eines Verantwortlichkeitsanspruchs gegen ein Organ darf dem Abtretungsgläubiger die Einrede der Décharge nicht entgegengehalten werden (obwohl es um eine Einrede gegen die Konkursitin geht;
            • Vgl. OR 758; BGE 117 II 432, 440, BGE 122 III 169, BGE 132 III 349).
          • Gleiches gilt bei Abtretung an einen Aktionär, der dem Entlastungsbeschluss nicht zugestimmt hat.
            • Die Aktivlegitimation setzt eine rechtskräftige Kollokation voraus
              • Vgl. BGE 132 III 347, 575.
    • Stellung des Abtretungsgläubigers sonst im Verfahren
      • Für den Abtretungsgläubiger ändert sich materiell-rechtlich in seiner sonstigen Verfahrensstellung nichts:
        • Verfahrensteilnahme neben allen übrigen Gläubigern
        • Teilnahme am Konkurs- und am allgemeinen Verwertungsergebnis
        • Gebundenheit an eine mit dem Gemeinschuldner abgeschlossene Schiedsvereinbarung (BGE 136 III 107).
    • Erfolglosigkeit der Abtretungsbemühungen
      • Bleiben die Bemühungen des Abtretungsgläubiger auf Geltendmachung der Abtretungsansprüche erfolglos, hat er weiterhin Anspruch auf seine Konkursdividende.
    • Keine selbständige Weiterveräusserung des Abtretungsrechts möglich und zulässig
      • Der Abtretungsgläubiger kann den Abtretungsanspruch, weil er einzig über ein Prozessführungsrecht verfügt, für sich allein nicht weiterveräussern oder zessionsweise (ohne die Hauptforderung) abtreten.
      • Das ihm nach SchKG 260 abgetretene Verfolgungs- oder Verteidigungsrecht ist an die Konkursforderung des Abtretungsgläubigers gebunden.
        • Es kann infolgedessen nicht als selbständiges Recht, von seiner Konkursforderung losgelöst, weiterübertragen werden.
        • BGE vom 27.2.1998, BlSchK 2002, S. 134 ff.
      • Als Nebenrecht geht das Abtretungsrecht mit der Konkursforderung auf einen Singular- oder Universalsukzessor über (vgl. BGer 4C.263/2004).
    • Veränderungen beim Abtretungsgläubiger
      • Abtretungsgläubiger stirbt
        • Stirbt der Abtretungsgläubiger, so vererbt sich das abgetretene Prozessführungsrecht mit der Konkursforderung an seine Rechtsnachfolger.
      • Abtretungsgläubiger fällt in Konkurs
        • Wird über das Vermögen des Abtretungsgläubigers der Konkurs eröffnet, wird das Abtretungsrecht zusammen mit der Konkursforderung in die Konkursmasse des Abtretungsgläubigers gezogen
          • In einem solchen Konkurs kann das Abtretungsrecht wiederum Gegenstand einer neuen Abtretung nach SchKG 260 werden.
      • Abtretungsgläubiger wird gepfändet
        • Die Pfändung des abgetretenen Prozessführungsrechts ist nicht möglich, sondern setzt die Pfändung der Konkursforderung voraus (vgl. BGE 109 III 29).
      • Abtretungsgläubiger verliert Konkursgläubigerstellung
        • Das Recht des Abtretungsgläubigers fällt dahin, wenn er seine Eigenschaft als Konkursgläubiger verliert.
  • Mittelbare Wirkungen
    • Allgemeines
      • Nach erfolgter Abtretung kann und muss nun der Abtretungsgläubiger (oder sein Rechtsnachfolger) handeln
    • Geltendmachung des Abtretungsanspruchs
      • Der Abtretungsgläubiger ist legitimiert für:
        • Geltendmachung des ihm abgetretenen Rechtsanspruchs
        • Vorgehen des Abtretungsgläubigers nach eigenem Gutdünken
        • Ermächtigung, aber keine Verpflichtung, den Prozessweg zu beschreiten
          • Prozessanhebung
          • Eintreten und Weiterführung eines vor oder nach Konkurseröffnung angehobenen Prozesses
    • Verzicht auf die Prozessführung + Abschluss eines Vergleichs
      • Der Abtretungsgläubiger kann sich zu folgendem entscheiden:
      • Der vergleichsbereite Abtretungsgläubiger darf sich mit dem «debitor cessus» auf eine gütliche Einigung verständigen, welche ihm für seine Konkursforde rung eine möglichst gute Deckung bietet.
    • Keine Rechtswahrungspflicht für die übrigen Konkursgläubiger
      • Der Abtretungsgläubiger ist nicht verpflichtet, darüber hinaus die Interessen der übrigen Gläubiger, welche auf die Geltendmachung des Anspruchs verzichtet haben, wahrzunehmen.
    • Mehrere Abtretungsgläubiger
      • Rechtsnatur
        • Die mehreren Abtretungsgläubiger stehen zueinander nicht in einem Gesamthandverhältnis (vgl. BGE 107 III 95, BGE 121 III 294).
      • Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Gläubigers
        • Jeder der mehren Abtretungsgläubiger kann frei entscheiden, ob er prozedieren will oder nicht;
        • Die prozesswilligen Abtretungsgläubiger bilden im Falle eines gerichtlichen Vorgehens eine «(uneigentliche) notwendige Streitgenossenschaft» in dem Sinne, dass sie den ihnen von der Masse abgetretenen Anspruch in einem einheitlichen Verfahren geltend machen müssen, welches ein einheitliches Urteil erlaubt (vgl. BGE 121 III 490 ff., BGE 136 III 535).
    • Eintreibungs-Obliegenheit, auftragsähnliche
      • Rechtsnatur
        • Die Abtretung nach SchKG 260 enthält eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Auftrag im Sinne von OR 394 ff. als Inkassomandat,
          • doch zeigen die mittelbaren Wirkungen erhebliche Unterschiede.
      • Handeln auf eigene Rechnung + Gefahr
        • Anders als ein Beauftragter handelt der Abtretungsgläubiger
          • In eigenem Namen
          • Zum eigenen nutzen
          • auf eigene Gefahr
        • BGE 109 III 29
        • Der Abtretungsgläubiger trägt einerseits das Risiko und zieht andererseits den allf. Gewinn aus seinem optimistischen Vorgehen.
      • Kosten eines Prozessverlusts
        • Die Kosten eines verlorenen Prozesses wie auch alle Kosten einer erfolglosen Rechtsverfolgung gehen zu Lasten des Abtretungsgläubigers (vgl. BGE 102 III 30, BGE 105 III 140).
      • Keine Ansprüche gegen die Konkursmasse
        • Anders als der typische Beauftragte hat der Abtretungsgläubiger trotz aller Sorgfalt gegen die Konkursmasse keinen Anspruch
          • auf Auslagenersatz oder
          • auf Entschädigung seiner Bemühungen.
      • Haftung des Abtretungsgläubigers gegenüber der Konkursmasse
        • Allgemeines
          • Der Abtretungsgläubiger haftet der Masse für allen Schaden, den er verschuldet (vgl. BGE 102 III 31):
            • zB wegen Verjährenlassen des Anspruchs
            • zB wegen Verwirkenlassen des Klagerechts infolge Säumnis
            • zB weil der Masse die ihr zustehende Möglichkeit, den Anspruch allenfalls doch noch als bestrittenes Recht durch Versteigerung oder Freihandverkauf zu verwerten, durch das Abtretungsgläubigerverhalten verloren geht (vgl. SchKG 260 Abs. 3 (siehe Box unten)).
          • Der Schadenersatzanspruch der Konkursmasse gegen den Abtretungsgläubiger kann einem anderen Konkursgläubiger abgetreten werden.
        • Schranken der Haftung
          • Wegen der bloss eigenen Interessenwahrung wird der Abtretungsgläubiger nicht schadenersatzpflichtig.
    • Prozess- bzw. Vergleichserfolg
      • Der Abtretungsgläubiger hat Anspruch auf einen allf. Prozessgewinn, und zwar vor allen übrigen Gläubigern, welche auf die Geltendmachung des abgetretenen Rechts verzichtet hatten.
      • Was er hereinbringt, dient primär zur vollen Deckung der ihm erwachsenen Kosten und sekundär zur Deckung seiner eigenen Konkursforderung.
    • Überschuss über Kosten und Konkursforderung hinaus
      • Allgemeines
        • Ein allfälliger Überschuss verbleibt der Konkursmasse (vgl. SchKG 260 Abs. 2 (siehe Box unten); BGE 113 III 137, BGE vom 27.2.1998, BlSchK 2002, S. 134 ff., BGer 5A_720/2007).
      • Teilung unter mehreren Abtretungsgläubigern
        • Anspruch nur der handelnden Abtretungsgläubiger
          • Von mehreren Abtretungsgläubigern haben natürlich nur diejenigen Anspruch auf die vorzugsweise Befriedigung aus dem Abtretungsgewinn, die wirklich gehandelt und an der Rechtsverfolgung teilgenommen haben.
        • Verteilung nach dem Rangverhältnis
          • Das Ergebnis wird unter den mehreren Abtretungsgläubigern, die an der Rechtsverfolgung teilgenommen haben, nach dem unter ihnen bestehenden Rangverhältnis verteilt (vgl. SchKG 219).
      • Teilung bei Naturalergebnis als Prozessgewinn
        • Verwertung der Sache durch die Konkursverwaltung
          • Besteht der Prozessgewinn nicht in Geld, sondern in einer Sache, muss diese allerdings abgeliefert und vorerst von der Konkursverwaltung verwertet werden.
        • Verteilung aus dem Verwertungserlös
          • Erst der aus dem Verwertungsergebnis erzielte Erlös wird nach SchKG 260 Abs. 2 unter die Abtretungsgläubiger verteilt.
      • Teilung bei aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüchen
        • Besondere Teilungsregeln gelten bei der Abtretung eines aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsanspruchs:
          • Tritt ein Aktionär als Kläger auf, so fällt der Prozessgewinn nur insoweit in die Konkursmasse, als er nach Befriedigung allfälliger Abtretungsgläubiger auch die Beteiligung des klagenden Aktionärs übersteigt.
          • Das Gesetz stellt mit OR 757 Abs. 2 (siehe Box unten) das Risikokapital ausnahmsweise über das Fremdkapital.
  • Dauer der Abtretung
    • Allgemeines
      • Als konkurs rechtliche Liquidationsmassnahme hat die Abtretung des Prozessführungsrechts – wie das Konkursverfahren selbst – in absehbarer Zeit ein Ende zu finden.
    • Befristung
      • Die Konkursverwaltung setzt daher dem Abtretungsgläubiger in der „Abtretungsurkunde“ eine angemessene Frist zur Anhebung der Klage.
    • Unbenutztes Verstreichenlassen der Abtretungsfrist
      • Lässt der Abtretungsgläubiger die Frist unbenutzt verstreichen, ist die Konkursverwaltung befugt, die Abtretung zu widerrufen und die Abtretungsurkunde zurückzuverlangen (vgl. BGE 121 III 293).
    • Stillschweigende Fristverlängerung
      • Solange die Konkursverwaltung die Abtretung nicht ausdrücklich widerruft, gilt die Frist für die Geltendmachung des Abtretungsanspruchs jeweils als stillschweigend verlängert (BGE 64 III 110, BGer 5C.54/2007).
    • Widerruf vor Fristablauf
      • Tilgung des Abtretungsschuldners ohne Zutun des Abtretungsgläubigers
        • Nur ausnahmsweise darf die Abtretung vor Ablauf der Frist widerrufen werden, wenn der „Abtretungsschuldner“ den strittigen Anspruch erfüllt, bevor der Abtretungsgläubiger etwas zur Geltendmachung unternommen hat.
        • Folge: Gegenstandslosigkeit der Abtretung.
      • Leistung des Abtretungsschuldners aufgrund des Abtretungsgläubigerwirkens
        • War eine Abtretungsgläubiger-Massnahme für die Leistung des Abtretungsschuldners kausal, würde es gegen Treu und Glauben verstossen, wenn die Konkursverwaltung die Abtretung widerrufen und den Abtretungsgläubiger so um seine Früchte bringen könnte (BGE 84 III 40, BGE 102 III 32).
    • Konkurswiderruf oder Konkurseinstellung mangels Aktiven
      • Selbstverständlich verliert die Abtretung ihre Wirksamkeit, falls der Konkurs widerrufen oder eingestellt wird (BGE 109 III 29).
  • Nach dem Widerruf der Abtretung oder Rückgabe der Abtretungsurkunde durch den Abtretungsgläubiger
    • Die Konkursverwaltung kann versuchen, den Anspruch doch noch zu versteigern oder freihändig zu verkaufen (vgl. SchKG 260 Abs. 3).
      • Paulianische Anfechtungsansprüche dürfen nicht weiter veräussert werden (vgl. SchKG 256 Abs. 4).
    • Gelingt die Verwertung des Anspruchs nicht, so fällt das Verfügungsrecht darüber von der Masse auf den Konkursiten (natürliche Person) zurück:
      • Der Konkursbeschlag an diesem Anspruch erlischt diesfalls.
    • Im Konkursinventar ist ein nicht mehr zu verfolgender Aktivanspruch abzuschreiben.
  • Abtretungsdesinteresse der Gläubiger
    • Ablehnung der Rechtsverfolgung im Namen und auf Rechnung der Masse durch die Gläubigergesamtheit
      • Grundsatz
        • Die Konkursverwaltung darf selbst den strittigen Anspruch nicht geltend machen, weil die Gläubigergesamtheit das Gegenteil beschlossen hat
      • Ausnahme
        • Rückkommen der Gläubiger auf ihren Verzicht (vgl. BGer 7B.18/2006).

Weitere Detailinformationen unter:

Literatur

  • KUKO SchKG-BÜRGI, Art. 260 SchKG, 2. Auflage, Basel 2014
  • AMONN KURT / WALTHER FRIDOLIN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9., vollständig aktualisierte Auflage, Bern 2013, § 47 N 27 + N 30 ff.
  • LORANDI FRANCO, Abtretung gemäss Art. 260 SchKG an mehrere Gläubiger, AJP 2019, 281 ff.
  • LORANDI FRANCO, Abtretung gemäss Art. 260 SchKG an mehrere Gläubiger, AJP 2019, 281 ff.
  • MILANI DOMINIK, Die Koordination unter mehreren Abtretungsgläubigern nach Art. 260 SchKG, BlSchK 2019, 145 ff.
  • SCHLAEPFER RALF, Abtretung streitiger Rechtsansprüche im Konkurs, Diss. Zürich 1990

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