ÜBERSICHT ZUM INTERNATIONALEN ERBRECHT
Das internationale Erbrecht regelt verschiedene Rechtsfragen bei grenzüberschreitenden Erbrechtsfällen.
EINLEITUNG
Bei internationalen Sachverhalten, die von einem Gericht oder einer Behörde in rechtlicher Hinsicht zu prüfen sind und insbesondere auch bei international-erbrechtlichen Sachverhalten, stellt sich vorab immer die Frage, welche Gerichte/Behörden welches Staates überhaupt zuständig sind und welches nationale (innerstaatliche) Recht auf den konkreten Fall Anwendung findet.
Daneben sind v.a. auch die Bedingungen bzw. Voraussetzungen, unter welchen ein Staat eine Entscheidung eines anderen Staates anerkennt, wichtiges Thema international-(erb-)rechtlicher Sachverhalte.
Aufgrund der Souveränität der Staaten steht es in der Kompetenz jedes einzelnen Staates, in seiner nationalen Rechtsordnung Regeln vorzusehen, die für solche internationale Sachverhalte die Zuständigkeitsfrage und Frage des anwendbaren Rechts für sein Territorium bestimmen. Aufgrund des Territorialitätsprinzips sind jedoch ausländische Staaten an diese nationalen Regeln eines anderen Staates nicht gebunden.
Mittels bilateraler Staatsverträge können zwei Staaten gemeinsame bzw. abgestimmte Regelungen treffen; mehrere Staaten zusammen können dies durch sog. multilaterale Staatsverträge tun.
Die EU hat mit der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) mit Wirkung auf Erbfälle ab 17. August 2015 eine solche Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts vorgenommen.
Der auf dieser Webseite publizierte Teil „Fokus Schweiz“ befasst sich mit den Fragen
- der Zuständigkeit schweizerischer Gerichte und Behörden,
- dem anwendbaren nationalen Recht,
- und der Anerkennung ausländischer Entscheidungen,
aus schweizerischer Perspektive, d.h. aus der Sicht der schweizerischen Rechtsordnung für Erbfälle mit einem rechtsrelevanten Schweiz-Ausland-Bezug (dem Internationales Privatrecht der Schweiz).
Gerade aber auch für die Nachlassplanung ist es wichtig, dass die Sicht des ausländischen Staates, aufgrund dessen überhaupt ein rechtsrelevanter Auslandbezug vorliegt, in die Betrachtung miteinbezogen wird, d.h. es ist zu prüfen, ob dieser ausländische Staat aufgrund der für ihn geltenden Rechtsordnung für Erbfälle mit Ausland-, bzw. Schweiz-Bezug, eine Regelung vorsieht, welche mit der schweizerischen Regelung harmonisiert oder aber stattdessen in Konflikt steht und welche faktischen und/oder rechtlichen erblasserischen Vorkehrungen im Rahmen der Nachlassplanung ratsam sind.
Der auf dieser Webseite publizierte Teil „Fokus EU“ umreisst die Fragen der Zuständigkeit, des anwendbaren Rechts und der Anerkennung ausländischer Entscheidungen aus der Sicht gemäss der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) und im Teil „Fokus NON-EU“, werden übersichtsmässig die entsprechenden Fragestellungen für Staaten ausserhalb der EU beleuchtet.
Im Teil „Anwendungsbeispiele“ werden für in der Praxis oft anzutreffende Sachverhaltskonstellationen die schweizerischen Regelungen mit den Regelungen des ausländischen Staates (EU / Non-EU) gegenübergestellt und gewisse sich daraus ergebende Fragestellungen umrissen.
Nebst den durch die Rechtsordnungen der betroffenen Staaten bedingten unterschiedlichen Sichtweisen rechtlicher Art, können auch die Perspektiven der von einem international-erbrechtlichen Sachverhalt betroffenen Personen sehr unterschiedlich sein. Je nach Person und deren Interesse an einem international-erbrechtlichen Sachverhalt ergeben sich unterschiedliche Fragestellungen.
Beispiele:
- Der Erblasser, welcher zu Lebzeiten im Rahmen seiner Nachlassplanung seinen Nachlass regeln und i.d.R. eine Nachlassspaltung oder ein Forum Running der Erben verhindern, aber auch (bei einer entsprechenden Wahlmöglichkeit) das für seine Begünstigungsabsicht geeignetste materielle Erbrecht wählen möchte.
- Der gesetzliche Erben, welcher durch eine Verfügung von Todes wegen des Erblassers in seinem Pflichtteilsrecht verletzt
- Der vollständig übergangene Erbe, der sein Recht nach dem Erbgang aktiv (als Kläger) durchsetzen möchte.
- Der vom Erblasser in Überschreitung der Verfügungsbefugnis begünstigte Erbe oder Vermächtnisnehmer.
- etc.
Es ist daher in jedem konkreten Einzelfall die in der Rechtslehre für die Anspruchsprüfung geltende Frage zu stellen: Wer will was, von wem, woraus?
Weitere Perspektiven ergeben sich aufgrund des für eine ganzheitliche Nachlassplanung zwingend notwendigen Einbezugs weiterer relevanter Rechtsgebiete. Allen voran:
- Ehegüterrecht;
- Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht;
- Gesellschaftsrecht (vgl. Einfache Gesellschaft, Kollektivgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit Beschränkter Haftung)
- etc.
So kann es z.B. sein, dass aus isolierter erbrechtlicher Sicht, die Rechtswahl eines ausländischen Erbrechts vorteilhaft erscheint, dies jedoch nicht mehr bei Mitberücksichtigung von Aspekten des (ausländischen oder schweizerischen) Ehegüterrechts. Oder eine Wohnsitz- und/oder Vermögensverlegung in einen anderen Staat würde zwar materiell-erbrechtliche Vorteile mit sich bringen (z.B. Wegfall des Pflichtteilsrechts), hingegen aus erbschaftssteuerrechtlicher Hinsicht gravierende Nachteile verursachen.