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Erbrecht

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«Wussten Sie…?» …dass die Einlieferung eines Testaments Bürgerpflicht ist und, dass diese im Gesetz für Erbverträge nicht vorgesehen ist?

Datum:
29.07.2022
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Erbrecht
Stichworte:
Bürgerpflicht, Erbverträge, Testament
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Ausgangslage

Sofern und soweit Testamente nicht dem Notariat oder dem beurkundenden Notar resp. der Schweizerischen Zentrale Testamentsregister (ZTR) zur Aufbewahrung mit Einlieferungsauftrag übergeben wurde, stellt sich stets die Frage, ob das Testament vom Finder pflichtgemäss der Eröffnungsbehörde eingereicht wird oder wurde.

Bei Erbverträgen ist die Rechts- und Sachlage etwas anders. Hiezu auch nachfolgend.

Agenda

Einlieferungspflicht (ZGB 556 Abs. 1)

Das Gesetz schreibt in ZGB 556 Abs. 1 vor, dass für Testamente und ähnliche Schriftstücke, auch wenn sie als ungültig erachtet werden, der zuständigen Behörde einzuliefern sind.

Norm

Die Testaments-Einlieferungspflicht ist in ZGB 556 Abs. 1 und 2 geregelt.

Normzweck 

Ziel des Gesetzgebers war es, sicherzustellen, dass die Eröffnungsbehörde (ZGB 557)

von einer letztwilligen Verfügung (sprich «Testament») Kenntnis erhält. 

Einlieferungsfrist?

Die Einlieferungspflicht besteht

  • unbefristet,
  • auch nach durchgeführter Erbteilung, haben doch Besserberechtigte Anspruch ihre Rechte wahrnehmen zu können.

Die Einlieferungspflicht steht in keinem Zusammenhang mit der Gültigkeit der letztwilligen Verfügung (Testament) und es gibt daher

  • keine Maximalfrist, nach deren Ablauf der Finder von der Einlieferungspflicht befreit wäre.

Verletzung der Einlieferungspflicht

Die Verletzung der Testaments-Einlieferungspflicht kann nach sich ziehen:

Einzuliefernde Schriftstücke

Allgemein

Für die Einlieferungspflicht sind nicht wesentlich,

Die Gültigkeit des Dokuments als letztwillige Verfügung (Testament) ist nicht vom Einliefernden, sondern von der Behörde von Amtes wegen zu beurteilen, welcher das Dokument einzuliefern ist.

Entscheidend ist,

  • dass der Erblasser im Dokument Anordnungen für den Fall seines Todes getroffen hat.

Sind mehrere letztwillige Verfügungen (Testamente) vorhanden,

  • sind alle einzureichen (vgl. ZGB 557 Abs. 3).

Testament oder ähnliche Schriftstücke

Der Einlieferungsbehörde einzureichen sind alle Dokumente, die in irgend einer Form mit dem präsumtiven Tod des Erblassers zu tun haben.

Vollmachten post mortem + Anweisungen des Kunden an seine Bank

Die Einlieferungspflicht beschlägt auch

Auch solche Dokumente sind, sei es im Original oder in Kopie, der Einlieferungsbehörde einzureichen.

Erbverträge

Allgemeines

In der Lehre war bisher unbestritten, dass Erbverträge nicht der testamentarischen Einlieferungspflicht unterworfen sind. Neuerdings zeichnet sich eine Entwicklung in Richtung Einlieferungsobliegenheit ab; die Lehre ist weiterhin uneinheitlich.

Vgl. im Einzelnen: BSK-KARRER/VOGT/LEU, N 13 zu Art. 556 ZGB; EMMEL, Praxiskommentar Erbrecht, Rz 8 zu Art. 556 ZGB

Bezüglich der Erbverträge (ZGB 512 ff.) besteht nach diesem neueren Teil der Lehre eine» echte Gesetzeslücke», welche vom Richter auszufüllen ist; bei dieser Betrachtungsweise dürften Erbverträge einzuliefern sein:

  • Wer vorsichtig sein will, reicht einen Erbvertrag ebenfalls zur Eröffnung ein, ausser die Erbvertragsparteien hätten für diesen Ablebensfall eine Eröffnung ausdrücklich ausgeschlossen.

Klärung der Einlieferungspflicht im Erbvertrag

In aller Regel werden im Erbvertrag AufbewahrungEinlieferung und Eröffnung einerseits wegen kantonaler Beurkundungsvorgaben (ZH) und andererseits wegen dieser Lücke geklärt. Dabei lässt sich auf die konkreten Verhältnisse bzw. den Willen der Erbvertragsparteien Rücksicht nehmen:

  • Einlieferung nur beim Nachableben des Erblassers
  • Einlieferung beim gleichzeitigen oder Nachableben des Erblassers in Bezug auf eine Erbvertragspartei
  • Einlieferung in allen drei Ablebensfällen (Vorableben, gleichzeitiges Ableben und Nachableben)
  • Verzicht auf Einlieferung und Eröffnung
  • etc.

Oft wird dabei auch geklärt, wo die Urkunde hinterlegt wird; übernimmt der pot. Erblasser die Aufbewahrung selber, so verlangt der beurkundende Notar in der Regel die Abgabe einer Befreiungserklärung.

Kombinierte Erbverträge mit jederzeit frei widerrufbaren Verfügungen (Testamenten)

Enthält ein Erbvertrag – unabhängig davon, ob im Vertragstitel erwähnt – letztwillige Verfügung, so besteht für solche Dokumente eine Einlieferungspflicht nach ZGB 556.

Eheverträge

Es besteht keine (bundesrechtliche) Pflicht zur Einreichung von

Gemäss Lehre und Rechtsprechung besteht weder eine Gesetzeslücke, noch eine Regelungskompetenz der Kantone.

Sofern und soweit diese Dokumente indessen letztwillige Abreden – oder je nach Lehrmeinung – erbvertragliche Vereinbarungen enthalten, sind diese der zuständigen Behörde einzureichen.

Ob und inwieweit eine sog. fakultative Einlieferung und Eröffnung notwendig und/oder nützlich ist, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden.

Einlieferungspflichtige Personen (ZGB 556 Abs. 2)

Jedermann

Einlieferungspflichtig ist, wer eine letztwillige Verfügung (oder – je nach Lehrmeinung – einen Erbvertrag)

  • in Verwahrung genommen hat;
  • auffindet
    • zB Erben, die die Wohnung räumen
    • zB Räumungsinstitute, die vor der Hausratsentsorgung die Akten des Erblassers aussortieren o.ä.

Die Einlieferungspflicht gilt als

  • allgemeine Bürgerpflicht;
  • Pflicht der Hinterlegungsstellen.

Amtsstellen

Einlieferungspflichtig sind auch die Urkundsbeamten (zB Notare),

  • die den Willen des Erblassers (oder – je nach Lehrmeinung – Parteiwillen bei einem Erbvertrag) öffentlich beurkundet haben;
  • bei denen die Urkunde hinterlegt ist.

Daher entlasten sich die Urkundsbeamten durch einen Disclaimer in der Urkunde, wenn das Dokument nicht bei ihnen hinterlegt, sondern vom Erblasser (oder – je nach Lehrmeinung – von den Parteien bei einem Erbvertrag) mit zu sich, zur eigenverantwortlichen Verwendung und Aufbewahrung mitgenommen werden.

Hinterlegungsmöglichkeit

Die Kantone haben dafür zu sorgen, dass letztwillige Verfügungen einer Amtsstelle zur Verwahrung gegeben werden können:

  • im Original oder in Abschrift
  • offen oder verschlossen.

Vgl. ZGB 504 Abs. 2.

Die Hinterlegungsstelle trifft eine Pflicht zur Registerführung über Ein- und Ausgänge.

Für Auslandschweizer soll die Möglichkeit bestehen, ihr Testament bei ihrer Heimatgemeinde zu hinterlegen.

Schweizerische Zentrale Testamentsregister (ZTR)

Bei der „Schweizerischen Zentrale Testamentsregister (ZTR)“ des Schweizerischen Notarenverbands können Dokumente, die bei einem Notar, Rechtsanwalt oder Amtsstelle in der Schweiz hinterlegt sind, gemeldet und registriert werden:

Die ZTR nimmt jedoch selber keine Testamente zur Hinterlegung entgegen.

s.e.&o. – Keine Gewähr für die Richtigkeit.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam

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