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Mietrecht / Miete / Mietvertrag / Mietrecht / Wohnungsmiete / Wohneigentum

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Wohnungsvermietung an Sozialhilfeempfänger

Datum:
17.09.2018
Rubrik:
Berichte
Rechtsgebiet:
Mietrecht / Miete / Mietvertrag
Stichworte:
Eigenverantwortung, Mietrecht, Sozialhilfe
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Wenn das Sozialamt die Miete bezahlen soll

Einleitung

Berichte im Zusammenhang mit Sozialhilfe-Mietern und Vermietern von “Sozialhilfewohnungen“ sind mit einer gewissen Regelmässigkeit in den kommunalen Rubriken der Tageszeitungen anzutreffen.

Entweder ist von schlecht unterhaltenen „Lotterhäusern“ mit überteuerten Wohnungen der Vermieter die Rede, die zu ihrer Entlastung geltend machen, das Mieterverhalten erfordere einen Risikoaufschlag; meist bleibt strittig, ob vernachlässigter Unterhalt oder unsachgemäss Nutzung der Mieter die Ursache für die Zustände und die Gefahren sind, denen die Mieter ausgesetzt werden.

Oder Vermieter beklagen, sie seien von sozialhilferechtlich unterstützten „Mietnomaden“ heimgesucht worden, die die Wohnung beschädigt und keine Miete bezahlt hätten sowie gerichtlich ausgewiesen werden mussten.

Das Dreieck von Vermieter, Mieter und Sozialamt ist ein Spannungsverhältnis, welches in diesem Bericht dargestellt und hinterleuchtet werden soll.

Grundlagen

Nebst des Mietrechts gelten für Sozialhilfe beziehende Personen die kantonalen und kommunalen Sozialgesetze bzw. –Verordnungen, ggf. die SKOS-Richtlinien und die Amtsweisungen.

Im Einzelfall hat das Sozialamt die verwaltungsrechtlichen Handlungsformen der rechtsmittelfähigen Verfügung zu beachten.

Bedürftiger: Anspruch auf ein angemessenes, menschenwürdiges Obdach

Jede Person hat in der Schweiz Anspruch auf ein adäquates, menschenwürdiges Obdach.

Wer dafür nicht selbst aufkommen kann, wird bei der Miete von der Sozialhilfe unterstützt:

Die Sozialhilfe an die Wohnungskosten wird maximal bis zur ortsüblichen Höhe geleistet.

Bei Wohn- und Lebensgemeinschaften werden die Wohnungskosten nach Pro-Kopf-Anteilen getragen.

Ein Beitrag der nicht unterstützungsbedürftigen Person im Budget der unterstützten Person kann nur unter den Titeln Entschädigung für Haushaltführung oder Konkubinats-Beitrag angerechnet werden, sofern und soweit die Voraussetzungen dazu erfüllt sind. Ein Konkubinats-Beitrag kann nur bei einem stabilen Konkubinat angerechnet werden; ein Konkubinat (auch gleichgeschlechtliche eheähnliche Wohn- und Lebensgemeinschaft) gilt dann als stabil, wenn es mindestens zwei Jahre dauert oder die Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben.

Vgl. ferner:

Für die sozialhilfeweise Wohnungskostentragung muss ein schriftlicher Mietvertrag vorliegen.

Bedürftiger: Wohnungssuche / Wohnungsbewerbung

Die Wohnungssuche läuft in der Regel wie folgt ab:

  • Vermietungsinserat des Vermieters
  • Wohnungsbewerbung
    • Für die Prüfung der Mietbewerber, die Vergleichbarkeit und den Auswahlentscheid verlangen die meisten Vermieter und Immobilienverwalter das Ausfüllen eines Wohnungsbewerbungsformulars
    • Der Mietinteressent füllt es aus und reicht es ein
    • Bei Sozialempfängern ist die Einkommensfrage der Knackpunkt:
      • Ehrlichkeit währt am Längsten
      • Erwähnung der Sozialhilfeabhängigkeit + Beilage der Sozialamts-Bestätigung (siehe nachfolgend)
      • Es macht daher nur Sinn, wenn sich der Bedürftige für Wohnungen bewirbt, bei denen er eine Mietchance hat (ebenfalls siehe nachfolgend)
  • Wohnungsbesichtigung
  • Mietvertragsvorlage durch den Vermieter / Unterzeichnung durch den Mieter

Viele Vermieter und Immobilienverwalter lehnen – wenn auch nicht offiziell – eine Wohnungsvermietung an Bedürftige ab; die Bewerber erhalten dann eine unkommentierte Absage.

Will der Bedürftige nicht eine Absage um die andere gewärtigen, empfiehlt es sich, dass er mit dem Sozialarbeiter vorgängig zusammensitzt und mögliche Objekte bzw. Vermieter evaluiert. Meistens haben die Sozialarbeiter Adresslisten mit Vermietern, die auf eine Vermietung an Sozialbezüger spezialisiert sind oder entsprechende Wohnungen im Portfolio haben.

Die Besonderheiten der Bedürftigen-Bewerbung für Wohnungen und Zimmer sind:

  • Bewerbung mit Bestätigung des Sozialamtes
    • Sozialamt-Bestätigung
      • Schweizerische Bedürftige, deren Einkommen unter Existenzminimum liegt und die Sozialleistungen vom Sozialamt beziehen, erhalten eine entsprechende Bestätigung ausgestellt
    • Bestätigungsziel
      • Die Bestätigung soll dem Vermieter glaubhaft darlegen, dass das Amt die Wohnungskosten (gemäss den Richtlinien der Schweizerische Konferenz für Sozialfürsorge (SKOS), falls die Gemeinde angeschlossen ist) finanziert
    • Bestätigungsbefristung
      • Solche Bestätigungen werden meistens auf die Dauer befristet, während der Bedürftige die wirtschaftliche Hilfe benötigt
  • Datenschutz
    • Prinzip: Keine Offenlegung der Sozialhilfeabhängigkeit
      • Ausnahme:
        • Bestätigungsschreiben des Sozialamtes
          • Verwendung durch den bedürftigen Wohnungsbewerber gilt als Datenschutz-Offenlegung
        • Die Offenlegung des Bestätigungsschreibens schafft klare Verhältnisse
        • Die Sozialamts-Bestätigung ist kein Zahlungsversprechen und damit kein Hilfsmittel für die Durchsetzung ausstehender Mietzinsansprüche
    • Arbeitgeberbestätigungen (Referenzen)
      • Vorgängige Ermächtigung durch den potentiellen Mieter
  • Betreibungsregisterauszug
      • als Zahlungsfähigkeitsnachweis
        • Sozialempfänger haben möglicherweise Betreibungen
      • für weitere Auskünfte vgl. SchKG-Akteneinsicht
  • Vermieterängste

Meistens muss der Sozialarbeiter bei der Wohnungssuche intensiv unterstützen.

Vermieter: Gegenparteien-Screening

Der Vermieter sucht einen angenehmen und sozialkompetenten Mieter, der effektiv in der Lage ist, pünktlich den Mietzins zu bezahlen.

Bei allen Geschäftspartnern, auch bei Mietern und vice versa bei Vermietern, empfiehlt sich eine sog. „Gegenparteienkontrolle“. Natürlich kann trotz des Abcheckens gewisser Anforderungen nicht ausgeschlossen werden, dass man einen Fehlgriff macht und sich besser mit der einem zu Beginn als valabel erscheinenden Person nicht eingelassen hätte.

Statt einer Content-Wiederholung sei auf folgende Mieterauswahl-Merkpunkte verwiesen:

Weiteres unter:

Mietvertrag

Die Vermietung von Wohnungen und Zimmern an Sozialhilfe beziehende Personen ist grundsätzlich den gleichen Regeln wie an andere Mieter unterworfen.

Ebenfalls wie bei der Vermietung an andere Mieter hat es der Vermieter in der Hand, nach entsprechender Verhandlung, die Parameter und die Sicherheiten – zwingende Gesetzesnormen vorbehalten – nach seinem Gusto zu bestimmen bzw. zu formulieren.

Für die Wohnungsvermietung an Sozialhilfeempfänger stehen folgende Mietvertragsteile und Konditionen im besonderen Fokus:

  • Mieter
    • Fragestellung
      • Wer ist die Person des Mieters
        • der Bedürftige
        • die Sozialbehörde
        • Dritte (Unterstützer, Gewährspersonen)
    • Praxis Sozialbehörde
      • Je nach Behörde unterschiedlich
        • Miete durch Sozialhilfebezüger (Ziel des Sozialamtes: Steigerung der Eigenverantwortung bei gleichzeitigem Risiko der Zweckentfremdung der Sozialleistungen)
        • Miete durch das Sozialamt
    • Vermieterinteresse
      • Sozialbehörde als Wohnungsmieter
  • Mietzins
    • Mietzinshöhe
      • bis zur ortsüblichen Höhe
    • Nebenkosten
      • Effektive Wohnnebenkosten wie
        • Heizungskosten
        • Warmwasserkosten
      • Abrechnungsart
        • Akontozahlung
          • Leistung der Akontozahlungen
          • + Berücksichtigung allenfalls zu viel bezahlter Akontozahlungen
        • Schlusszahlung
          • Nachschüssige Zahlung der Nebenkosten, nach Ergebnis
    • Praxis Sozialbehörde
        • Kostennachkontrolle, v.a. in Bezug auf Nebenkosten
    • Vermieterinteresse
      • Kontinuität und Einvernehmen mit der Sozialbehörde
  • Mietzinszahlung
    • Fragestellung
      • Direktüberweisung durch Sozialamt, Garantieerklärung (Kostengutsprache) oder Mieterzahlung in Eigenverantwortung
    • Definitionen
      • Direktüberweisung durch Sozialamt =   Sozialamt bezahlt Miete an Vermieter
      • Garantieerklärung =   Verpflichtung des Sozialamtes, die Miete zu bezahlen, falls der Sozialhilfeunterstützung beziehende Mieter den Mietzins nicht zahlen sollte
      • Mieterzahlung in Eigenverantwortung =   der Sozialhilfe beziehende Mieter bezahlt die Miete in eigenem Namen und auf eigene Rechnung
    • Praxis Sozialbehörde
      • Primär auf Verlangen schriftliche und (auf ein Jahr) befristete Kostengutsprache für den Betrag einer Monatsmiete inkl. Nebenkosten, gegen Mietzinsausstands-Meldung
      • Sekundär und sehr zurückhaltend, Mietzinsausstands-Übernahme, wenn dadurch gesamthaft weniger wirtschaftliche Hilfe zu leisten ist
    • Vermieterinteresse
      • Direktzahlung durch die Sozialbehörde
      • Achtung: Bestätigungen des Sozialamtes, einen Bedürftigen zu unterstützen, sind keine Zahlungsversprechen
  • Mieterhaftpflichtversicherung
    • Fragestellung
      • Nur Mietzinskaution, Haftpflichtversicherung oder Kombi
    • Definition
      • Haftpflichtversicherung =   Versicherungsdeckung für Schadenersatzansprüche des Vermieters
      • Kombi-Versicherung =   Deckung für Schäden und ausstehenden Mietzins
    • Praxis Sozialbehörde
      • Mieterhaftpflichtversicherung ja, Finanzierung von Kombi nein
    • Vermieterinteresse
      • Must to have: Mieterhaftpflichtversicherung
      • Nice to have: Kombi-Versicherung (siehe nachfolgend)
    • Vermietermöglichkeit für Kombiversicherungen
      • Vermieter als Prämienzahler, um sicher zu sein, dass die Versicherungsprämien bezahlt werden und die Versicherungsdeckung sichergestellt ist
  • Mietzinskaution
    • Fragestellung
    • Definitionen
      • Mietzinsdepot =   Absicherung des Vermieters vor Mietzinsausfällen und Schäden am Wohnraum
      • Mietkautionsversicherung =   Versicherer steht für Mietzinsausfall und Wohnungsbeschädigung ein
      • Kombo „Haftpflichtversicherung mit Mietkaution“ =   Kombination von Mieterhaftpflichtversicherung und Mietzinssicherung auf Kautionsbasis (Vorteile: keine Abgrenzungsfragen und keine (aufwändige) Führung eines gemeinsamen Bankkontos)
    • Praxis Sozialbehörde
      • Mietzinsdepot
        • Keine Übernahme von Kosten für Mietkautionen (v.a. dann nicht, wenn die Sozialbehörde den Mietzins direkt dem Vermieter bezahlt)
        • In Fällen, wo der Bedürftige Mieter ist, befürchten Sozialämter zudem die Gefahr, dass dieser das von ihr aus Steuergeldern finanzierte Mietzinsdepot von bis zu drei Monatsmieten einkassiert
      • Garantieerklärung des Sozialamtes nach OR 111
        • Voraussetzung der Datenschutzentbindung, da der Vermieter so erfährt, dass der Mieter von der Sozialhilfe lebt
        • Nachteil für den Vermieter: Er hat im Gegensatz zum Mietzinsdepot (Bankkonto) keinen Mitzugriff, sondern kann nur, aber immerhin, einen Mietzinsausstand einfordern
        • Vorteil für den Vermieter: Die Garantie hält – ausser bei abzulehnender Befristung – über die Dauer des ganzen Mietverhältnisses an
    • Vermieterinteresse
      • Primär: Mietzins-Direktzahlung durch das Sozialamt, auch wenn kein Mietzinsdepot geleistet wird
      • Sekundär: Mietzinsdepot (gemeinsamer Zugriff mit Mieter auf vorhandene Substanz und Interesse des Mieters an einen allf. Restbetrag zu gelangen)
      • Tertiär: Sozialamts-Garantie nach OR 111, Mietkautionsversicherung oder Kombo, da hier der Deckungsabruf in den Kautionsversicherer gestellt ist
  • Untermiete
    • Fragestellung
      • Untervermietung generell erlauben, erlauben unter Zustimmungsvorbehalt oder Untervermietung verbieten
    • Definition
      • Untermiete =   Mietverhältnis zwischen Mieter als Untervermieter und einem Dritten, dem Untermieter
    • Praxis Sozialbehörde
      • Primär Mitteilungs-, sekundär Abrechnungs- und Ablieferungspflicht resp. Anrechnung des Untermieteinkommens in der Bedarfsrechnung
    • Vermieterinteresse
      • Keine Mehrabnutzung durch weitere Nutzer
      • Kein Missbrauch günstiger Miete durch Weitervermietung zu überteuertem Preis an Dritte
    • Vermietermöglichkeiten
      • „Kontrolle“ in erlaubtem Mass, ob fremde Personen ausschliesslich die Wohnung nutzen und die Melde- bzw. Genehmigungspflicht verletzt wird.

Der Vermieter tut jedenfalls gut daran, bei Mietvertragsabschluss und seinem Vermietungsmanagement Vorkehren zu treffen, dass Mietzinszahlung und Schadensdeckung für Wohnungsbeschädigung gedeckt sind.

Vermieter: Überteuerte Wohnungen und Zimmer?

Sozialempfänger sind auf günstigen Wohnraum angewiesen.

Die Vermieter machen geltend, sie hätten bei der Vermietung günstigen Wohnraums mehr Betriebsaufwand und infolge des Verhaltens und Images der Mieterklientel eine höhere Immobilienentwertung zu verkraften.

Der gerechte Mietzins in solchen Situationen ist eine Ansichts- und Ermessenssache.

Mieten Bedürftige überteuerte Wohnungen und Zimmer, schlägt sich dies in der Gemeinderechnung nieder. Die Gemeinden sind heute nicht mehr bereit, jeden Mietzins der Bedürftigen zu refinanzieren.

Einzelne Sozialämter reagieren mit sog. „Mietzinsrichtlinien für Sozialhilfeempfänger“:

  • Richtlinien für ortsübliche Mietzinse (inkl. Nebenkosten)
    • Anzahl Bewohner
      • Referenzbetrag für die Miete nach Anzahl Personen, die im Haushalt leben
    • Lage
      • Referenzbetrag nach Gemeinde bzw. Sozialregion
  • Möblierte Zimmer
    • Grösse
      • nicht unter 10 m2
    • Fenster
      • Fensterfläche nicht weniger als 10 %
    • Ausstattung
      • Bett
      • Schrank
      • Tisch
      • Stuhl
    • Gemeinschaftseinrichtungen im Hause
      • Kochgelegenheit
      • Dusche
      • WC
      • Waschmaschine

Einzelne Gemeinde motivieren die Bedürftigen zur Bildung von Wohngemeinschaften. Andere Gemeinden wählen den Weg der direkten Zumietung von Leerstands-Wohnungen oder der Zwischenmiete bis zum Gebäudeabbruch etc.

Mieter: Anfechtung Anfangsmietzins

Wer Sozialhilfe bezieht, ist öfter in der unangenehmen Lage, aus einer Notsituation heraus eine Wohnung mieten zu müssen.

Auch für Sozialhilfebezüger gelten die mietrechtlichen Schutzbestimmungen. Gestützt auf OR 270 kann der Mieter den Anfangsmietzins innert 30 Tagen seit dem Mietantritt bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten, wenn der Mietvertragsabschluss in persönlicher oder familiärer Notlage oder wegen der örtlichen Wohnungsmarktverhältnisse erfolgte und der Mietzins gemäss Abklärung erheblich höher ist (10 % und mehr) als beim Vormieter.

Die Anfechtung und Herabsetzung des Mietzinses ist an die vorgenannten Voraussetzungen gebunden, deren Details nachgelesen werden können unter:

Nur selten kommt es zu Anfangsmietzinsanfechtungen durch Sozialhilfe beziehende Personen: Entweder findet eine mittelbare Mietzinskontrolle durch das Sozialamt statt, welches Mietzinse nur bis zur ortsüblichen Höhe anrechnet bzw. überhöhte in der Bedarfskalkulation herabsetzt. Oder der Mieter ist froh, dass er überhaupt ein Dach über dem Kopf hat und sich daher nicht mit dem Vermieter anlegen will.

Sozialamt: Anweisung an Sozialhilfe-Mieter, eine günstigere Wohnung zu suchen

Die SKOS-Richtlinien geben keine Auskunft darüber, wie hoch die Mietkosten sein dürfen.

Die Sozialbehörde prüft jeweilen aufgrund von Recherchen in Immobilienportalen und aufgrund ihrer Kenntnis des lokalen Immobilienvermietungsmarktes, ob im Preissegment ortsüblicher Mietzinse aktuell genügend freie Wohnungen verfügbar sind und, ob es für die unterstützte Person zumutbar ist, in eine günstigere Wohnung umzuziehen.

Im Sozialhilferecht gilt das Individualitätsprinzip (Einzelfallbeurteilung).

Bei der Einzelfallprüfung sind die individuellen Verhältnisse des Bedürftigen zu prüfen:

  • Grösse und Zusammensetzung der Familie
  • Verwurzelung der betroffenen Person bzw. ihrer Familie am betreffenden Ort
  • Alter der zu unterstützenden Person bzw. ihrer Familie
  • Gesundheit der Person
  • Grad der sozialen Integration.

Sind alle Voraussetzungen (Vorhandensein günstigerer Wohnungen, Umzugszumutbarkeit, individuelle Verhältnisse etc.) erfüllt, kann das zuständige Sozialamt mittels Auflage die unterstützte Person zur Suche einer günstigeren Wohnung in der Unterstützungsgemeinde mit dem Hinweis anhalten, dass ansonsten mit einer Herabsetzung des Mietzinses auf das ortsübliche Mass zu rechnen sei. Damit einer solchen Kürzung die rechtliche Wirkung zukommt, hat sie rechtskonform zu erfolgen, nämlich durch:

  • Verfügung der Auflage, eine günstigere Wohnung zu suchen
  • Verfügung der Auflage, die Mietkosten auf den ortsüblichen Mietwert zu kürzen

Der Mieter muss dann entscheiden, ob er eine andere, günstigere Wohnung sucht oder, ob er eine Mietzinsherabsetzung in der Sozialhilfe-Berechnung akzeptieren kann bzw. will.

In der Sozialhilfepraxis werden überhöhte Wohnungskosten solange übernommen, bis eine zumutbare günstigere Wohnung gefunden ist.

Für Neuzuzüger, die am früheren Wohnort von der Sozialbehörde unterstützt wurden, werden im Falle nahtloser Weiterführung der Unterstützung nur die ortsüblichen Mietkosten (gegenüber der weiter verpflichteten Sozialbehörde) übernommen.

Der Bedürftige darf nicht mittelbar über unrealistisch tiefe Wohnungskosten zum Verlassen des Sozialrayons gezwungen werden.

Vermieter: Risiko Mietzinsausfall

Erfahrungsgemäss kann rund ein Drittel der Sozialhilfeempfänger nicht zuverlässig mit Geld umgehen. Für diese Personen ist nicht nur die wirtschaftliche Eingliederung schwierig, sondern auch das Erhalten eines Jobs, wird doch für Angestellte die Selbständigkeit im Umgang mit Geld vorausgesetzt.

Die Personen, die zur Risikogruppe der überschuldungspotentiellen Personen zählen, haben mit der (rechtzeitigen) Mietzinszahlung meistens ein Problem.

Zählt der Mieter zu jenem Drittel, der mit Geld nicht umgehen kann und bezahlt die Sozialbehörde zur Stärkung der Eigenverantwortung des Bedürftigen den Vermieter nicht direkt, beginnt beim Zahlungsrückstand das bekannte „Entmietungs-Karussell“ (Mietzinsinkasso, Kündigungsandrohung, Zahlungsrückstandskündigung nach OR 257d, Ausweisung, Obdachlosigkeit, erneute Wohnungssuche usf.).

Hat es in der Wohnung noch weitere Personen wie Untermieter, Gebrauchsleihenutzer oder Besetzer hat der Vermieter dies bei der Ausweisung entsprechend zu berücksichtigen.

Obwohl das Sozialamt dem Mieter im Ausweisungsfalle eine Notwohnung zur Verfügung stellen müsste, ist ein „Entmietungs-Karussell“ für alle Beteiligten natürlich unbefriedigend.

Der Vermieter sollte daher baldmöglichst das Sozialamt über die Zahlungsrückstände informieren. Auch wenn das Amt in der Regel keine Mietzinsausstände übernimmt, wird es vieles unternehmen, um eine Zahlungsrückstandkündigung zu vermeiden. Eine Nachzahlung wird vor allem dann geprüft, wenn dadurch mutmasslich weniger wirtschaftliche Hilfe zu leisten ist.

Das Sozialamt strebt zwar den eigenverantwortlichen Einsatz der Sozialhilfemittel und eine gewisse Freiheit des Bedürftigen an, ist aber gleichzeitig verpflichtet, den Missbrauch der Sozialhilfegelder zu verhindern. Dieser Aspekt ist vielfach Grundlage für ein aus dem Lot geratendes Dreieck von Mieter – Vermieter – Sozialamt.

Detailinformationen zum Ausweisungsverfahren:

Vermieter: Risiko Wohnungsbeschädigung

Der Mieter ist bekanntlich verpflichtet, die Mietsache sorgfältig zu gebrauchen und auf die Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht zu nehmen (OR 257f). Eine Verletzung der Sorgfaltspflichten macht den Mieter gegenüber dem Vermieter schadenersatzpflichtig.

Der Vermieter kann sich durch entsprechende Konditionenaushandlung schützen bzw. die Schadenersatzleistung ganz oder teilweise absichern, durch:

Siehe auch oben unter „Mietvertrag“.

Weiteres unter:

Vermieter: Optik der Immobilienverwaltungen

Die Praxis und Erfahrungen der Immobilienverwaltungen sind unterschiedlich. Entsprechend auch das Vermietungsverhalten:

  • Keine Vermietung mehr an Sozialhilfebezüger
    • Gründe
      • Hohe Mietzinsausstände
      • Stark beschädigte Wohnungen
      • Ausweisungen (Exmissionen)
  • Vermietung an Sozialhilfebezüger, aber nur unter Bedingungen
    • Mietpartei
      • nur noch Dritte als Mieter (Sozialamt, Gewährspersonen)
    • Mietzinszahlungen
      • Direktzahlungen der Sozialbehörde
    • Mieterhaftpflichtversicherung
      • Abschluss und Nachweis (Policenvorlage)
  • Vermietung an Sozialhilfebezüger wie an Dritte

Aus Sicht der Immobilienbewirtschafter zeigen sich die Sozialbehörden für die Anmietung initiativ; es würde aber oft die Nachbetreuung vermisst. Die Immobilienverwalter wünschen sich daher mehr Unterstützung von den Sozialarbeitern.

Exkurs: Sozialhilfebezüger als Untervermieter

Wer kennt sie nicht, die Story der Sozialhilfeempfänger von Mumbai, die offenbar von der Behörde schöne Stadtwohnungen erhalten haben und diese, statt sie selber zu nutzen, vermieteten und weiter (finanziell abgesichert) im Slum leben.

Im Mietvertrag kann die Untermiete verboten oder von der Zustimmung abhängig gemacht werden.

Ist die Sozialbehörde Mieterin der betreffenden Wohnung, fehlt dem Bedürftigen die rechtliche Grundlage diese unterzuvermieten. Eine ganze oder teilweise Nutzungsweitergabe würde ausservertraglich erfolgen und ggf. als ungerechtfertigte Bereicherung gelten.

Ist der Bedürftige selber Mieter und wird der Mietzins – bloss, aber immerhin – mittelbar oder unmittelbar von der Sozialbehörde bezahlt, muss er die Zustimmung beim Vermieter einholen. Ob er dies tut und, ob er die Untermiete-Mietzinseinnahmen der Sozialbehörde meldet, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen und hängt davon ab, welche Verwendungsauflagen das Amt machte. Jedenfalls dürfte die Sozialbehörde in einem solchen Fall die Untervermietungs-Nettoerlöse in die Bedürftigkeitsrechnung einstellen.

Weiteres zu den mietrechtlichen Aspekten der Untermiete unter:

Exkurs: Sozialhilfebezüger als Nachmieter

Will ein Mieter vorzeitig ausziehen, gelten die Regeln der vorzeitigen Rückgabe des Mietobjektes (OR 264).

Der bisherige Mieter wird im Falle vorzeitiger Rückgabe nur dann von seiner Mietzinszahlungspflicht befreit, wenn er dem Vermieter einen zumutbaren Ersatzmieter vorschlägt, der Ersatzmieter bereit ist, den Mietvertrag zu gleichen Konditionen zu übernehmen und der Vermieter – nach mindestens einmonatiger Prüfdauer – ohne triftigen Grund einen zumutbaren Ersatzmieter ablehnt.

Der Vermieter kann – wie dies von professionellen Immobilienverwaltungen praktiziert wird – einen Nachmieter ablehnen und selber neu vermieten. Meistens wird dann die Verfügbarkeitsdauer bis zum vertraglichen Auszugszeitpunkt zur Wohnungsüberholung eingesetzt. Die Tragung des Mietzinsausfalls ist Einigungs- bzw. Streitsache.

Schlägt der bisherige Mieter eine Sozialhilfe beziehende Person als Nachmieter vor, ist es Sache des Vermieters, die vorgeschlagenen Nachmieter auf ihre Miettauglichkeit und Zahlungsfähigkeit zu überprüfen.

Mieter – Vermieter – Sozialamt / Symbiose mit Defizitangst des Vermieters?

Das eingangs erwähnte Spannungs-Dreieck von Mieter – Vermieter – Sozialamt prägt das Mietverhältnis während der ganzen Dauer.

Die Vermieter erhalten meist nicht zu wenig Geld, wenn sie preiswerte Wohnungen und Zimmer an Sozialempfänger vermieten. Oft verursachen solche Mietverhältnisse beim Vermieter und dessen Immobilienbewirtschafterin im Verhältnis zum Durchschnittsmieter nennenswerten Mehraufwand.

Der Konflikt im Sozialmietverhältnis hängt vielfach von der Grundsatzfrage „Mietzinsdirektzahlung oder Eigenverantwortung“ ab:

  • Sozialbezüger sollen lernen, mit den Unterstützungsgeldern eigenverantwortlich umgehen zu können
    • Das Selbstverantwortlichkeitsziel und das Vorhaben, den Bedürftigen wirtschaftlich zu integrieren, schliessen die Direktzahlung des Mietzinses durch das Sozialamt an den Vermieter aus
    • Eine Unfähigkeit des Mieters, mit Geld umzugehen bzw. eine Zweckentfremdung der vom Sozialamt anteilsmässig für die Wohnungsmiete zur Verfügung gestellten Mittel begründet dann den Konflikt mit dem Vermieter
  • Direktzahlungen stellen zuverlässig die Mietzinstilgung sicher
    • Mietzins-Direktzahlungen erscheinen das geeignetste Mittel zur Vermeidung von Zahlungsverzugskündigungen und zur Reduktion der Vermieterängste vor Mietzinsausfällen
    • Generelle Direktzahlungen würden die Ausgrenzung der Bedürftigen bei der Wohnungssuche reduzieren.

Wichtig sind also:

  • Die faire Verteilung von Rechten und Pflichten
  • Die Sicherstellung der Mietzinszahlung und der allf. Schadensdeckung
  • Die störungsfreie Wohnungs- oder Zimmernutzung

Das allerwichtigste ist aber eine funktionierende Kommunikation zwischen Vermieter und Behörde (Sozialarbeiter), aber auch beider mit dem Mieter.

Medienmitteilungen und eigene Erfahrungen im Zusammenhang mit krassem Fehlverhalten von Sozialmietern lösen bei den Vermietern immer wieder Skepsis und Angst aus, auf Schäden und unbezahlten Mieten sitzen zu bleiben.

Es ist jeder Vermieter in der Wahl seiner Mieter frei. Erfahrungsgemäss können auch Mieter in Nadelstreifenanzügen mit Krawatte und Doktorwürde den Vermieter schädigen.

Quelle

LawMedia-Redaktionsteam

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