Die Haftung aus einem unrichtigen oder unvollständigen Arbeitszeugnis gegenüber Dritten richtet sich nach OR 41:
- Schaden
- Als Schaden wird die unfreiwillige Vermögenseinbusse verstanden, die ihre Ursache im Falle von Arbeitszeugnissen oder Referenzauskünften darin hat, dass der Zeugnisaussteller
- nicht vorhandene Eigenschaften des Arbeitnehmers bescheinigt:
- Fachkenntnisse
- Fähigkeiten
- verschweigt:
- negative Eigenschaften des Arbeitnehmers
- Verfehlungen des Arbeitnehmers
- nicht vorhandene Eigenschaften des Arbeitnehmers bescheinigt:
- Als Schaden wird die unfreiwillige Vermögenseinbusse verstanden, die ihre Ursache im Falle von Arbeitszeugnissen oder Referenzauskünften darin hat, dass der Zeugnisaussteller
- Widerrechtlichkeit
- Die Widerrechtlichkeit liegt in der Regel in einem Verhaltensunrecht des Zeugnisausstellers wie die Nichterwähnung
- zB Urkundendelikte
- zB Vertrauensverletzung
- Die Widerrechtlichkeit liegt in der Regel in einem Verhaltensunrecht des Zeugnisausstellers wie die Nichterwähnung
- Kausalzusammenhang
- Als weitere Haftungsvoraussetzung muss der Geschädigte ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Arbeitszeugnis nachweisen
- Anstellungsentscheid
- Der Geschädigte muss weiter aufzeigen,
- dass die unzutreffenden Äusserungen im Arbeitszeugnis conditio sine qua non für den Anstellungsentscheid waren und,
- dass des Weiteren dieses Arbeitszeugnis nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge an sich geeignet ist, einen Schaden von der Art des eingetroffenen herbeizuführen
- Der Geschädigte muss weiter aufzeigen,
- Hypothetischer Kausalzusammenhang
- Liegt die Schadensursache in einem pflichtwidrigen Verschweigen eines Fehlverhaltens des Stellenbewerbers, so ist nach einem hypothetischen Kausalzusammenhang zu fragen:
- Es ist danach zu fragen, ob nach den allgemeinen Erfahrungen des Lebens und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Erwähnung der verschwiegenen Verfehlung die Anstellung des betreffenden Stellenbewerbers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verhindert hätte (vgl. BGE 121 III 358, Erw. 5)
- Liegt die Schadensursache in einem pflichtwidrigen Verschweigen eines Fehlverhaltens des Stellenbewerbers, so ist nach einem hypothetischen Kausalzusammenhang zu fragen:
- Verschulden
- Weiter setzt die Haftung nach OR 41 ein Verschulden des Zeugnisausstellers voraus:
- in Form von Vorsatz oder
- in Form von Fahrlässigkeit
- Vgl. BGE 121 III 350, Erw. 6c
- Weiter setzt die Haftung nach OR 41 ein Verschulden des Zeugnisausstellers voraus:
- Keine Referenzeinholung als Mitverschulden
- Hat es der neue Arbeitgeber trotz entsprechender Möglichkeit unterlassen, eine Referenz einzuholen, oder überwacht er den Arbeitnehmer nach erfolgter Einstellung ungenügend, kann ihm dies als Mitverschulden angelastet werden, was letztlich zu einer Herabsetzung der Schadenersatzpflicht des früheren Arbeitgebers führt (vgl. MÜLLER ROLAND, a.a.O., Rz 5.67).
BGE 101 II 69: Ein Fall zur Veranschaulichung
Das Bundesgericht hat in einem Arbeitszeugnis-Haftpflichtfall (BGE 101 II 69) nicht nur die frühere Arbeitgeberin, sondern auch deren Präsidenten des Verwaltungsrats als Aussteller des Arbeitszeugnisses für solidarisch haftbar gegenüber der neuen Arbeitgeberin erklärt:
- Sachverhalt
- Arbeitnehmer hat CHF 25‘000 unterschlagen
- Verzicht auf Strafanzeige und Zivilklage
- Aber:
- Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Betrag von CHF 25‘000 in monatlichen Raten von CHF 500 zurückzuzahlen und innert 6 Monaten eine neue Stelle zu suchen
- Ausstellung eines sehr guten Zwischenzeugnisses durch den VR-Präsidenten, in dem festgestellt wird, der Arbeitnehmer verlasse das Unternehmen frei von jeglicher Verpflichtung
- Schlusssatz: «C’est avec plaisir que nous le recommandons vivement»
- Trotz dieser Empfehlung fand der Arbeitnehmer keine neue Stelle innert der angesetzten Frist
- Der Arbeitsvertrag wurde um ein weiteres halbes Jahr verlängert und bei Beendigung erhielt der Arbeitnehmer ein Schlusszeugnis, wiederum unterschrieben vom VR-Präsidenten
- Auch in diesem Arbeitszeugnis wurde festgestellt, dass der Arbeitnehmer seine Aufgaben stets zur vollen Zufriedenheit der Arbeitgeberin erfüllt habe und, dass er das Unternehmen ohne jegliche Verpflichtung verlasse
- Nach einer kurzen Anstellung von nur vier Monaten bei einem zweiten Unternehmen wurde der Arbeitnehmer u.a. aufgrund seiner guten Zeugnisse schliesslich von einem dritten Unternehmen angestellt
- Innerhalb Jahresfrist beging der Arbeitnehmer aber auch dort Unterschlagungen in Höhe von mehr als CHF 500‘000
- Diese deliktische Tätigkeit wurde durch den Umstand erleichtert, dass keine Detailprüfungen der Bankbelege durch die neue Arbeitgeberin stattfanden.
- Entscheid
- Auf eine entsprechende Klage hin verurteilte das Bundesgericht die frühere Arbeitgeberin und deren VR-Präsidenten solidarisch zur Bezahlung von CHF 150‘000 Schadenersatz an die neue Arbeitgeberin
- Im Mehrbetrag wurde die Klage wegen Mitverschuldens der Geschädigten abgewiesen.
- Erkenntnisse aus diesem Urteil
- Eine Schadenersatzklage wegen unvollständigem oder unrichtigem Arbeitszeugnisses kann sich nicht nur gegen die frühere Arbeitgeberin, sondern auch gegen deren Organe als Aussteller richten (= solidarische Verantwortlichkeit)
- Der Schaden aufgrund eines unvollständigen oder wahrheitswidrigen Arbeitszeugnisses besteht in der Vermögenseinbusse des neuen Arbeitgebers; zusätzlich denkbar:
- Schaden aufgrund von entgangenem Gewinn
- Heilungskosten und Genugtuung bei Verfehlung an Leib und Leben
- Die Widerrechtlichkeit ist durch die Vermögensschädigung ohne weitere Begründung gegeben
- Das Verschulden besteht in der bewusst wahrheitswidrigen Ausstellung eines Zwischenzeugnisses oder eines Schlusszeugnisses;
- Der adäquate Kausalzusammenhang dürfte durch die Aussage des neuen Arbeitgebers nachgewiesen sein, wonach er den Arbeitnehmer ohne Vorlage des unrichtigen Arbeitszeugnisses nicht eingestellt hätte und der Schaden damit nicht eingetreten wäre.
Literatur
- Ausservertragliche Haftung
- STREIFF ULLIN / VON KAENEL ADRIAN / RUDOLPH ROGER, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, N 6 ff. zu Art. 330a OR
- DUC JEAN-LOUIS / SUBILIA OLIVIER, Droit du travail – éléments de droit suisse, Nouvelle édition, Lausanne 2010, N 20 zu OR 330a
- WYLER REMY, Droit du travail, 2. Auflage, Bern 2008, S. 367
- Schaden
- STREIFF ULLIN / VON KAENEL ADRIAN / RUDOLPH ROGER, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319-362 OR, 7. Aufl. 2012, N 6 ff. zu Art. 330a OR
- WYLER REMY, Droit du travail, 2. Auflage, Bern 2008
- Widerrechtlichkeit
- —
- Kausalzusammenhang
- —
- Anstellungsentscheid
- VERDE MICHEL, Haftung für Arbeitszeugnis, Empfehlungsschreiben, Referenzauskunft und Referenzschreiben, recht 2010, 157
- Hypothetischer Kausalzusammenhang
- —
- Verschulden
- —
- Keine Referenz-Einholung als Mitverschulden
- MÜLLER ROLAND, Arbeitszeugnis, § 5, in: MÜNCH PETER / METZ MARKUS (Hrsg.), Stellenwechsel und Entlassung, Basel 2012
Judikatur
- Widerrechtlichkeit
- BGE 133 III 323, Erw. 5.1
- Hypothetischer Kausalverlauf (Verhalten bei Verschweigung der Verfehlung, nach dem normalen Lauf der Dinge und der allgemeinen Erfahrung des Lebens)
- BGE 121 III 358, Erw. 5
- Verschulden
- BGE 121 III 350, E. 6c
- Haftpflichtige, auch VR der Zeugnisausstellerin
- BGE 101 II 69