Allgemein
Eine allgemeine Verpflichtung, entdeckte strafbare Handlungen zur Anzeige zur bringen, besteht in der Strafprozessordnung (StPO) besteht nicht, auch nicht für den Geschädigten etc.
Anzeigepflicht der Behörden
«Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.» (StPO 302 Abs. 1; siehe Box unten).
Kurz das Wesentlichste:
- Anzeigepflicht der Behörden
- Fokus
- Straftaten, die den Behördenmitgliedern
- bei der amtlichen Tätigkeit festgestellt wurden oder
- gemeldet wurden, der zuständigen Behörde anzuzeigen, sofern und soweit sie für die Strafverfolgung nicht selber zuständig sind (StPO 302 Abs. 1)
- Straftaten, die den Behördenmitgliedern
- Fokus
- Kantonale Einführungsgesetze
- Kantonale Einführungsgesetze können vorsehen:
- Umfassende Anzeigerechte und / oder
- beschränkte Anzeigepflichten
- Kantonale Einführungsgesetze können vorsehen:
- Amtsgeheimnis / Berufsgeheimnis
- Kontroverse Situation, wenn Behördenmitglieder einerseits zur Geheimniswahrung und Entbindung verpflichtet sind (StPO 171 Abs. 2 lit. a)
- Eingriff in die Privatautonomie
- Die generelle Anzeigepflicht ist nicht unproblematischer Eingriff in die Privatautonomie, die eine situative Handhabung einschränkt (Informationen vom Hörensagen, Gerüchte, blosse Indizien, geeigneter Zeitpunkt der Anzeige usw.)
Literatur
- OBERHOLZER NIKLAUS, Grundzüge des Strafprozessrechts, 4. Auflage, Bern 2020, Ziffer 26, Seite 545 f., Rz 1766 ff.
Weiterführende Informationen
Art. 302 StPO Anzeigepflicht
1 Die Strafbehörden sind verpflichtet, alle Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben oder die ihnen gemeldet worden sind, der zuständigen Behörde anzuzeigen, soweit sie für die Verfolgung nicht selber zuständig sind.
2 Bund und Kantone regeln die Anzeigepflicht der Mitglieder anderer Behörden.
3 Die Anzeigepflicht entfällt für Personen, die nach den Artikeln 113 Absatz 1, 168, 169 und 180 Absatz 1 zur Aussage- oder Zeugnisverweigerung berechtigt sind.
Art. 171 StPO Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund eines Berufsgeheimnisses
1 Geistliche, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Verteidigerinnen und Verteidiger, Notarinnen und Notare, Patentanwältinnen und Patentanwälte, Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, Chiropraktorinnen und Chiropraktoren, Apothekerinnen und Apotheker, Psychologinnen und Psychologen sowie ihre Hilfspersonen können das Zeugnis über Geheimnisse verweigern, die ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut worden sind oder die sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben.51
2 Sie haben auszusagen, wenn sie:
a. einer Anzeigepflicht unterliegen; oder
b. nach Artikel 321 Ziffer 2 StGB52 von der Geheimnisherrin, dem Geheimnisherrn oder schriftlich von der zuständigen Stelle von der Geheimnispflicht entbunden worden sind.
3 Die Strafbehörde beachtet das Berufsgeheimnis auch bei Entbindung von der Geheimnispflicht, wenn die Geheimnisträgerin oder der Geheimnisträger glaubhaft macht, dass das Geheimhaltungsinteresse der Geheimnisherrin oder des Geheimnisherrn das Interesse an der Wahrheitsfindung überwiegt.
4 Das Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200053 bleibt vorbehalten.
51 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des Gesundheitsberufegesetzes vom 30. Sept. 2016, in Kraft seit 1. Febr. 2020 (AS 2020 57; BBl 2015 8715).