Die Verjährungswirkung folgt spezifischen Grundsätzen und hat Eigenheiten:
Grundsätze
Wirkung bei Vertragsabschluss
- Der Schuldner kann ab Beginn der Verjährungsfrist auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten (OR 141 Abs. 1)
- Beginn der Verjährungsfrist bestimmt Zeitpunkt des zulässigen Verzichts
- Grundsätzlich ab Fälligkeit (OR 130 Abs. 1)
- Ab Kündbarkeit (OR 130 Abs. 2)
- Periodische Leistungen (OR 131)
- Siehe im Übrigen >> Beginn der Verjährungsfrist
- = kein „Verzicht vor Beginn der Verjährungsfrist“
- = in der Regel kein Verzicht bei Vertragsabschluss
- zum alten Recht
- BGE 132 III 239, Erw. 3.3.7
- BGE 4A_221/2010, Erw. 3
- Beginn der Verjährungsfrist bestimmt Zeitpunkt des zulässigen Verzichts
Wirkung bei laufender Verjährungsfrist
- Der Schuldner kann während laufender Verjährung einseitig oder vertraglich auf die Verjährungseinrede verzichten
- zum alten Recht
- BGE 132 III 226 ff. = Pra 2006 Nr. 146 S. 999 ff. (Änderung der Rechtsprechung)
Wirkung nach eingetretener Verjährung
- Nachträglicher Verzicht
- Der Schuldner kann nach eingetretener Verjährung auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten (OR 141 Abs. 1 e contrario)
- zum alten Recht
- Der Schuldner kann nach eingetretener Verjährung auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten (OR 141 Abs. 1 e contrario)
- Nachträgliche Verhandlungen
- Aus folgenden Handlungen kann nicht ein Verzicht auf die Verjährung gefolgert werden:
- Blosse Verhandlungen
- Vergleichsofferten
- Forderungsanerkennung (vgl. BGE 4A_275/2010, Erw. 3)
- Selbst eine Berufung auf die Verjährungseinrede ist in einem solchen Stadium nicht rechtsmissbräuchlich
- hiezu
- Aus folgenden Handlungen kann nicht ein Verzicht auf die Verjährung gefolgert werden:
Einrederecht des Schuldners
Dauerndes (peremptorisches) Leistungsverweigerungsrecht
- Ausgehend von der Rechtslage, dass die Verjährung nicht zum Erlöschen der Forderung führt, ist es die Obliegenheit des Schuldners sein Einrederecht (Verjährungseinrede) zu nutzen, sollte der Gläubiger seine verjährte Forderung doch noch geltend machen
Rechtsnatur
- Mutation der Forderung zur Naturalobligation
Bedingte Durchsetzbarkeit (Bedingung: Verjährungseinrede)
- Die Forderung bleibt bestehen und ist nur noch bedingt gerichtlich durchsetzbar
- Durchsetzbarkeit für Gläubiger
- Schuldner erhebt Verjährungseinrede nicht und blockiert die gerichtliche Durchsetzung nicht
- Gläubiger kann eine verjährte Forderung trotz Verjährungseinrede mit einer Gegenforderung des Schuldners verrechnen (OR 120 Abs. 3)
- Nichtdurchsetzbarkeit für Gläubiger
- Schuldner erhebt Verjährungseinrede und blockiert damit das Gerichtsverfahren
- Durchsetzbarkeit für Gläubiger
Weitere Detailinformationen
Erhalten bleibende Erfüllbarkeit der Forderung
Definition
- = Recht des Schuldners auf (freiwillige) Leistung
Konsequenzen
- Leistungsrecht
- Der Schuldner kann die geschuldete Leistung trotz – bekannter oder nicht bekannter – Verjährung erbringen
- Kein Rückforderungsrecht nach Erfüllung einer verjährten Schuld
- Ein Rückforderungsrecht unter dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung hat der ehemalige Schuldner nicht (vgl. OR 63 Abs. 2)
- Rechtsfolgen
- Verrechnung einer verjährten Verrechnungsforderung
- Verrechnungstatbestand
- Eine verjährte Forderung kann verrechnet werden, wenn sich die verjährte Verrechnungsforderung und die Hauptforderung verrechenbar gegenüberstanden (vgl. OR 120 Abs. 3)
- Weitere Detailinformationen
- Verrechnungstatbestand
- Einrede des nicht erfüllten Vertrages
- Der Gläubiger eines Leistungsanspruches kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (OR 82) auch dann vorbringen, wenn seine (Geld-)Forderung (längst) verjährt ist
- Geltendmachung des Pfandrechts trotz verjährter Pfandforderung
- Das Fahrnispfandrecht einer verjährten pfandgeschützten Forderung kann weiterhin geltend gemacht werden (vgl. OR 140)
Erlöschen der Nebenrechte
- Mit der Hauptforderung verjähren auch die akzessorischen (Neben-)Rechte und Zinsansprüche (vgl. OR 133)
Verjährungswirkungen im Prozess
Gesetzestexte
Art. 142 OR
VIII. Geltendmachung
Der Richter darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen
Art. 133 OR
II. Wirkung auf Nebenansprüche
Mit dem Hauptanspruche verjähren die aus ihm entspringenden Zinse und andere Nebenansprüche.
Art. 140 OR
VI. Verjährung bei Fahrnispfandrecht
Durch das Bestehen eines Fahrnispfandrechtes wird die Verjährung einer Forderung nicht ausgeschlossen, ihr Eintritt verhindert jedoch den Gläubiger nicht an der Geltendmachung des Pfandrechtes.
Art. 63 ZPO Rechtshängigkeit bei fehlender Zuständigkeit und falscher Verfahrensart
1 Wird eine Eingabe, die mangels Zuständigkeit zurückgezogen oder auf die nicht eingetreten wurde, innert eines Monates seit dem Rückzug oder dem Nichteintretensentscheid bei der zuständigen Schlichtungsbehörde oder beim zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung.
2 Gleiches gilt, wenn eine Klage nicht im richtigen Verfahren eingereicht wurde.
3 Vorbehalten bleiben die besonderen gesetzlichen Klagefristen nach dem SchKG.
Art. 64 ZPO Wirkungen der Rechtshängigkeit
1 Die Rechtshängigkeit hat insbesondere folgende Wirkungen:
- der Streitgegenstand kann zwischen den gleichen Parteien nicht anderweitig rechtshängig gemacht werden;
- die örtliche Zuständigkeit bleibt erhalten.
2 Für die Wahrung einer gesetzlichen Frist des Privatrechts, die auf den Zeitpunkt der Klage, der Klageanhebung oder auf einen anderen verfahrenseinleitenden Schritt abstellt, ist die Rechtshängigkeit nach diesem Gesetz massgebend.
Literatur
- Allgemein
- FURRER ANDREAS / MÜLLER-CHEN MARKUS, Obligationenrecht – Allgemeiner Teil, 2. Auflage, Zürich 2012, 21/111 – 115, S. 609 f.
- Einrederecht des Schuldners
- GAUCH PETER / SCHLUEP WALTER R. / EMMENEGGER SUSAN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, ohne ausservertragliche Haftpflicht, Band II, 10. Auflage, Zürich 2014, N 3362
- Erhalten bleibende Erfüllbarkeit der Forderung
- GAUCH PETER / SCHLUEP WALTER R. / EMMENEGGER SUSAN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, ohne ausservertragliche Haftpflicht, Band II, 10. Auflage, Zürich 2014, N 3370