Unternehmerische Tätigkeit ist zwangsläufig mit Risiken (und Chancen) verbunden. Mögliche Gefahren für die Rentabilität der Gesellschaft (als wichtigster Zweck einer Unternehmung) muss der Verwaltungsrat als oberste Führungsorgan zu minimieren suchen.
Die Durchführung einer gesetzlichen Risikobeurteilung bzw. der Aufbau eines internen Kontrollsystems ist Aufgabe des Verwaltungsrates (vgl. Art. 663b Ziff. 12 OR) und dient der:
- Erkennung;
- Beurteilung;
- Steuerung von Risiken
- Risikovermeidung
- Risikoverminderung
- Risikoüberwälzung
- Risikoakzeptanz
Ausgangslage
Wer nichts wagt, gewinnt nichts. – Anderseits soll jedes Risiko ausgeschaltet werden. – Mit diesen Extremen kämpfen der VR, die Geschäftsleitung und die Verantwortlichen von Einkauf, Produktion und Vertrieb täglich.
Marktwirtschaft als Risikosystem
Eine Marktwirtschaft ist ein Risikosystem per se:
- Das System des individuellen Planens kann auch schief gehen.
- Dieses Resultat wird sowohl vom Rechtssystem mit seinem Liquidations-, Sanierungs- und Konkursrecht als auch von der Praxis klar ausgewiesen.
Die Risikopolitik und das Risikomanagement dürfen daher nicht zum konservativen Stillstand führen:
- Es darf nicht unter Vorschützung des Risikobegriffs und der totalen Kontrolle der Marktwirtschaft zu entfliehen versucht werden.
- Das Unternehmen braucht Umsatz und Ertrag, um die Löhne, Kosten, Schulden und Kreditzinsen bezahlen zu können.
Geschäftsleben gilt heute als Rechtsleben
Manager und Juristen müssen sich gegenseitigverstehen und die oft abweichenden Perspektiven respektieren:
- Nur wenn die wirtschaftlichen Pläne und die rechtliche Evaluation aufeinander abgestimmt sind, lässt sich im Interesse des Unternehmens erfolgreich agieren.
Risikobeurteilung: Unabdingbare Pflicht des Verwaltungsrates
Der Verwaltungsrat (VR) hat die Pflicht,
- die Geschäfte der Gesellschaft mit aller Sorgfalt zu führen und
- die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen zu wahren (OR 717 Abs. 1).
Damit hat der VR auch eine vernünftige Risikopolitik zu betreiben.
Im Katalog der unabdingbaren Aufgaben (OR 716a Abs. 1) besteht in den Komponenten von
- Oberleitung
- Organisationsfestlegung
- Finanzplanung
- Finanzkontrolle (interne Kontrolle (IKS))
- Oberaufsicht
- Compliance-Sicherung.
Vermeidung von Klumpenrisiken
Zu beachten sind immer:
- Klumpenrisiken.
Das Eingehen von Klumpenrisiken kann zur Verantwortlichkeit führen.
- Dazu gibt uns auch die Rechtsprechung Hinweise:
- «Wie im Bankbereich […] gehört auch bei der Verwaltung einer AG eine vertretbare Risikoverteilung zu einer sorgfältigen Vermögensanlage, die ein sog. Klumpenrisiko […] verbietet.»
- Siehe Judikatur in der Box.
Unternehmensrisiken vs. Rechnungslegungsrisiken
Unabhängig der Norm von OR 663b Ziff. 12 zählen zu den Aufgaben des VR die periodischen Risikobeurteilungen im umfassenderen Sinne:
- Strategische Risiken und ihre Identifikation
- Pragmatischer Blick aufs Ganze (kein blindes Verlassen auf Modell-Systeme wie die Bestimmung etwa von “Value at Risk”)
- Nebst Trendanalysen Berücksichtigung des holistischen Blicks auf das Ganze.
Literatur
- NOBEL PETER, Risikomanagement als Aufgabe, in: Festschrift für Eugen Bucher zum 80. Geburtstag, Bern 2009, S. 546 ff.
- SCHUMPETER JOSEPH A., Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1975 (Erstausgabe 1942), S. 82-85 zu «creative destructiom»
Judikatur
- Klumpenrisiken
- Pra 76/1987 Nr. 143, Erw. 3/c.
- BGE 116 II 533
- BGE 99 II 176
- BGer 4A_223/2007 vom 30.08.2007
- BGer 6P.29/2007 vom 27.04.2007
- BGer 2A.181/2005 vom 04.01.2006
- BGer 4C.107/2005 vom 29.06.2005
- BGer 4C.292/2003 vom 25.05.2004,
- BGer 2A.590/2002 vom 22.05.2003
- BGer 2A.79/2002 vom 27.01.2003
- BGer 4C.201/2001 vom 19.06.2002
- BGer 4C.366/2000 vom 19.06.2001
- BGer 4C.275/2000 vom 24.04.2001
Weiterführende Informationen
- VR-Pflichten
- Restrukturierung
- Unternehmenssanierung
- Unternehmenskonkurs