Einleitung
Die Prozessführung im Verantwortlichkeitsprozess wird durch folgende Aspekte geprägt:
Zuständigkeit
Verantwortlichkeitsklagen gegen den VR müssen am:
- Sitz der Gesellschaft oder
- Wohnsitz des beklagten VR
anhängig gemacht werden (Art. 40 ZPO).
Anspruchsberechtigung
Anspruchsberechtigt ist in erster Linie die Gesellschaft selbst. Unter bestimmten Voraussetzungen sind auch die einzelnen Aktionären sowie Gesellschaftsgläubiger berechtigt:
Anspruchsberechtigung | ausser Konkurs | im Konkurs |
---|---|---|
Gesellschaft | ja *Entlastungsbeschluss |
die Konkursverwaltung macht die Ansprüche der Gläubigergesamtheit geltend |
Aktionär | ja, bei direkter Schädigung; ansonsten muss Ersatz des Gesamtschadens an die Gesellschaft gefordert werden |
ja, aber erst wenn Konkursverwaltung auf die Geltendmachung verzichtet hat; einheitlicher Anspruch der Gläubigergesamtheit in der Höhe des Gesamtschadens |
Gläubiger | nur theoretisch, beim Vorliegen einer direkten Schädigung; | ja, aber erst wenn Konkursverwaltung auf die Geltendmachung verzichtet hat; einheitlicher Anspruch der Gläubigergesamtheit in der Höhe des Gesamtschadens |
Kosten des Verfahrens
In der Regel ist für die Kosten des Gerichtsverfahrens die Höhe des Streitwertes, d.h. meist des eingeklagten Schadens massgebend.
Streitverkündungsklage
Die seit 2001 geltende, gesamtschweizerische Zivilprozessordnung hat die sog. Streitverkündungsklage eingeführt (Art. 81 f. ZPO). Den Parteien eines Verantwortlichkeitsprozesses steht es damit frei, Ansprüche gegen Dritte, die sie im Falle ihres Unterliegens im Hauptprozess gegen diese (die Streitberufene) zu haben glauben, im selben Verfahren geltend zu machen.
Merkmale der Streitverkündungsklage
Lässt das Gericht die Streitverkündungsklage zu, so findet ein «Gesamtverfahren» statt, das nebst
- prozessökonomischen Vorteilen (weniger Kosten durch gemeinsame Verhandlung des Sachverhaltes vor dem Gericht des Hauptprozesses);
- die Vermeidung gegenteiliger (gleichzeitige Beurteilung verschiedener Verantwortlicher) Gerichtsurteile ermöglichen soll.
Dazu ist die Streitverkündungsklage eine bedingte Klage, da sie nur im Falle des Unterliegens im Hauptprozess zu einem materiellen Urteil führt.
Anwendungsbereich der Streitverkündungsklage
Da die Streitverkündungsklage nur Ansprüche zum Gegenstand haben kann, die eine Partei im Falle ihres Unterliegens gegen Dritte zu haben glaubt muss zwischen diesem und dem Anspruch im Hauptprozess ein sachlicher Konnex bestehen.
Beispiel:
Der für eine Streitverkündungsklage notwendige Zusammenhang zwischen den Ansprüchen ist regelmässig gegeben, wenn Regressansprüche zur Diskussion stehen. Solche können insbesondere aus der geltenden, differenzierten Solidarität unter den Organen entstehen.
Müsste ein VR im Innenverhältnis für weniger einstehen, als er dazu im Aussenverhältnis – trotz differenzierter Solidarität (individuelle Zurechenbarkeit des Schadens) – verpflichtet wird, so lässt sich u.U. ein nachträgliches Regressverfahren vermeiden. Bei Zulassung der Streitverkündungsklage kann der Belangte in demselben Verfahren vor demselben Richter weitere Haftpflichtige ins Boot holen.
Streitwert
Indirekt geschädigte Aktionäre und Gläubiger müssen – abgesehen vom Konkursfall – einen Schadenersatz an die Gesellschaft fordern, d.h. den gesamten Schaden der Gesellschaft einklagen:
- unverhältnismässig hohe Prozesskosten (Gerichts- und Parteikosten)
- Klage-Barriere für den einzelnen Aktionär/Gläubiger
ABER:
Der Richter kann die Prozesskosten nach eigenem Ermessen verteilen, sofern sich eine Partei in guten Treuen zur Prozessführung veranlasst sah (Art. 107 Abs. 1 Ziff. b ZPO).
Substantiierung
Die Gerichte verlangen von der klagenden Partei oft eine erhebliche und nur schwierig zu erbringende Begründungstiefe. Betroffen davon sind meistens folgende Schadenersatzelemente:
- Schaden
- Klassischer Schadensnachweis
- hiezu
- Haftung des Verwaltungsrates
- b2) nachfolgend
- Pflichtverletzung
- a) Nichtgenügen der Substantiierung eines pflichtwidrigen Verhaltens
- b) Zusätzliches, detailliertes Aufzeigen,
- b1) wie sich die verantwortlichen Personen hatten alternativ korrekt verhalten müssen und
- b2) dass sich mit diesem rechtmässigen Verhalten der Schaden hatten verhindern lassen
Beweislast
Grundsätzlich hat derjenige das Vorhandensein behaupteter Tatsachen zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet (Art. 8 ZGB). Der Geschädigte muss danach selbst seine Anspruchsgrundlagen beweisen:
- geldwerter Schaden;
- Pflichtverletzung;
- Zusammenhang zwischen Schaden und Pflichtverstoss;
- Verschulden des VR.
Beweiserleichterung
In vielen Fällen ist die Ermittlung der genauen Schadenshöhe äusserst schwierig. Ein ziffernmässig nicht nachweisbarer Schaden kann u.U. vom Richter geschätzt werden (Art. 42 Abs. 2 OR). Der Geschädigte hat dabei die wesentlichen Faktoren
- in Bezug auf Eintritt des Schadens
- Höhe des Schadens
soweit möglich und zumutbar zu erklären und aufzuzeigen.
Entgegnungsmöglichkeiten des VR
Sind die 4 Voraussetzungen einer Haftung (Schaden, Pflichtverletzung, Kausalzusammenhang und Verschulden) erfüllt, so hat der VR dennoch diverse Entgegnungsmöglichkeiten um seiner Ersatzpflicht zu entgehen bzw. um sie zu reduzieren.
Insbesondere stehen dem VR folgende Rechtfertigungs- und Herabsetzungsgründe bzw. Entgegnungen zur Verfügung:
- Déchargeerteilung durch die Generalversammlung
- Einwilligung des Geschädigten
- Entsprechend den Grundsätzen des Haftpflichtrechts ist eine Schädigung, in die der Geschädigte eingewilligt hatte, nicht rechtswidrig;
- Verjährung
- u.U. kann der VR Forderungen aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit nach Ablauf von 5 bzw. 10 Jahren mit der Einrede der Verjährung entgegnen;
- vgl. Verjährung
- Urteil/Vergleich
- bindet u.U. sowohl Aktionäre wie auch Gläubiger der Gesellschaft;
- z.B.: wenn der Konkursverwalter ein solches/einen solchen – im Namen der Gesellschaft – erwirkt/abgeschlossen hatte;
- Mögliche Herabsetzungsgründe entsprechend dem allgemeinen Haftpflichtrecht:
- Selbstverschulden des Geschädigten
- Drittverschulden
- leichtes Verschulden des Haftpflichtigen
- bei Gefälligkeitsleistung bzw. bei bescheidener Vergütung des Haftpflichtigen
- bei «mitwirkendem» Zufall