Gesetzliche Entscheidungsregeln
Im Gegensatz zur gesetzlichen Regelung der „übrigen Verwaltungshandlungen“ enthält gesetzliche Ordnung der „Baulichen Massnahmen“ besonders eingehende Spezialnormen:
- Gesetzliche Grundlage
- ZGB 647c
- ZGB 647d
- ZGB 647e
- Rechtsnatur
- Gesetzliche Realobligation
- Gegenstand
- Grundsatz
- Jede Art baulicher Massnahmen
- Anwendungsfälle
- Objekt-Erhaltung
- Überwachung
- Beobachtung
- Inspektion
- Kontrollmessung
- Funktionskontrolle
- Unterhalt
- Instandhaltung
- Instandsetzung (auch: Instandstellung, baulicher Unterhalt, Reparatur)
- Erneuerung
- Überwachung
- Bauliche Massnahmen für die Erhaltung einer zeitgemässen Bausubstanz
- Veränderung
- Anpassung
- Komfortsteigerung
- Anpassung an neue Vorschriften
- Anpassung des Tragwiderstandes an neue Anforderungen
- Umbau (Anpassung an veränderte Anforderungen)
- Erweiterung
- Anbau
- Aufstockung
- Vergrösserung
- Anpassung
- Veränderung
- Vgl. Immobilien renovieren: Begriffe und Abgrenzungen
- Vgl. hiezu LIVER PETER, SPR V/1, S. 67
- Objekt-Erhaltung
- Grundsatz
- Arten von baulichen Massnahmen
- Entscheid, ob eine notwendige, nützliche oder luxuriöse Massnahme vorliegt
- Würdigung aller Umstände des individuell konkreten Einzelfalls
- Möglichkeit, dass eine bauliche Massnahme gleichzeitig mehreren Baumassnahme-Arten zugeordnet werden kann
- Bauliche Massnahme gilt immer dann als luxuriös, wenn sie nur im Interesse eines oder weniger Miteigentümer liegt (vgl. BGE 136 III 261, Erw. 2.2; BGE 5A_407/2015)
Das Gesetz sieht folgende drei Untergruppen von baulichen Massnahmen vor:
Weiterführende Informationen
Subjektivistische vs. objektive Entscheidungsregeln
Prinzipien
Der Gesetzgeber hat für die Berücksichtigung der Interessenlagen der Miteigentümer bei baulichen Massnahmen auf zwei Systeme von Entscheidungsregeln abgestellt:
- Subjektivistische Eigentumsverständnis
- Fokus
- Absoluter Schutz Vermögensgegenstand
- Zustimmungserfordernis des/der betroffenen Eigentümer (Dispositionsrecht des Miteigentümers durch subjektive Bewertung über den Gegenstand zu verfügen
- Willensbildungs- bzw. Einflussnahmemittel
- Individualrechte
- Vetorechte
- Fokus
- Mehrheitsprinzip
- Fokus
- Schutz des (Verkehrs-)Wert des Vermögensgegenstandes
- Zulässigkeit von Beeinträchtigungen bis hin zur Enteignung gegen Wertersatz
- Willensbildung
- Entscheidungsfindung nach Mehrheitsprinzip
- Fokus
Entscheidungsregel-Einsatz
Die Präferenzen der beiden Entscheidungsvarianten sind abhängig von der Grösse der Miteigentümergemeinschaft:
- Grosse Miteigentümergemeinschaften
- Objektivierte Entscheidungsregeln (Mehrheitsprinzip), da solche Gemeinschaften mit ihrer Mitgliederstruktur homogene und von der Marktgängigkeit nicht stark abweichende Präferenzen haben
- Kleine Miteigentümergemeinschaften
- Subjektivistische Entscheidungsregeln (Individual- und Vetorechte), da solche Gemeinschaften eher heterogene und vom Marktinteresse abweichende Präferenzen verfolgen
Vorteile / Nachteile
Die beiden Entscheidungsregel-Systeme können zu folgenden Vor- und Nachteilen führen
- Subjektivistische Entscheidungsregeln
- Vorteile
- Möglichkeit zu einer Verhandlungslösung
- Möglichkeit, die Menge aller Zustände, in denen es nicht möglich ist, eine Eigenschaft zu verbessern, ohne zugleich eine andere verschlechtern zu müssen (Pareto-Effizienz)
- Vermeidung einer Netto-Schlechterstellung der anderen Miteigentümer durch die bauliche Massnahme
- = Gegensatz zum „Schwarz-Weiss“-Entscheid im Mehrheitsprinzip
- Möglichkeit zur Schadloshaltung
- Ausgleich des bei den anderen Miteigentümern durch die bauliche Massnahme eintretenden Minderwerts durch Geld
- Möglichkeit zu einer Verhandlungslösung
- Nachteile
- Argument der Unmöglichkeit Abgeltung immaterieller Beeinträchtigungen durch Geld
- Relativierung
- Lösung durch Befriedigung anderer Bedürfnisse des/der durch die bauliche Massnahme benachteiligten Miteigentümer
- Beiderseitige Bereitschaft zum Wertausgleich durch Geld (willingness to pay / willingness to accept)
- Relativierung
- Missbrauch des Vetorechts durch die Opposition eines Miteigentümers (Holdout-Verhalten)
- Nachweisproblematik
- Argument der Unmöglichkeit Abgeltung immaterieller Beeinträchtigungen durch Geld
- Vorteile
- Mehrheitsprinzip
- Vorteile
- Schaffung klarer Verhältnisse durch die objektive, mathematische Mehrheitsermittlung
- Nachteile
- Wohlfahrtsverlust (meist das Problem in Streitfällen)
- Wenn den unterliegenden Miteigentümern trotz Abzug des Kostenanteils eine Nutzungseinbusse entsteht, die vom Nettonutzen, den die obsiegenden Miteigentümer aus der baulichen Massnahmen ziehen, nicht aufgewogen wird
- Wohlfahrtsverlust (meist das Problem in Streitfällen)
- Vorteile
Privatautonome Entscheidungsregeln
Betrachtet man die Bestimmungen von ZGB 647c – 647e als dispositiver Natur, können – vorbehältlich ZGB 647 Abs. 2 Ziffer 1 (zwingender Natur) – die Entscheidungsregeln in der Nutzungs- und Verwaltungsordnung für die betreffende Miteigentumsgemeinschaft individualisiert werden:
Weiterführende Informationen
Literatur
- LIVER PETER, S. 67
- SCHNEIDER BENNO, Das schweizerische Miteigentumsrecht, Bern 1973, S. 123 ff.
- THURNHERR CHRISTOPH, Bauliche Massnahmen bei Mit- und Stockwerkeigentum: Grundlagen und praktische Probleme, Zürich 2010, N 336
- KOBE THOMAS / FRIEDLI DOMINIK / SCHMID SILVAN, Grosszyklische Renovationen im Stockwerkeigentum, in: SREJ 10 (2015) 39 f.
- HÄUSERMANN DANIEL M., Bauliche Massnahmen an Miteigentum zwischen Subjektivität und Objektivierung, in: SJZ 112 (2016) 141 ff.
- WERMELINGER AMEDEO, Zürcher Kommentar, N 148, 149 und 157 zu ZGB 712a
Judikatur
- BGE 5A_709/2010 vom 01.03.2011
- OGer LU, 24.01.2006 (LGVE 2006 I 11)
- OGer ZH, 09.04.2013 (LB 120061)
- BGE 136 III 261, Erw. 2.2
- BGE 5A_407/2015 vom 27.08.2015, Erw. 3.3
Links
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