Ausgangslage
Die Rohbaumiete zeichnet sich dadurch aus, dass die Mietsache vom Mieter im Grundausbau übernommen und auf eigene Kosten baulich verändert wird. Der Mieter tätigt Investitionen und schafft dadurch – bei näherer Betrachtung – eine neue Mietsache, die einen Mehrwert aufweist.
Umstrittene Mehrwertentschädigungspflicht
Umstritten ist die Frage, ob der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses ein Entschädigungsanspruch zusteht:
Für den Mehrwert infolge Mieterausbau:
- kann durch schriftliche Vereinbarung ausgeschlossen werden (siehe „Beispiel für Wegbedingung der Mehrwertentschädigungspflicht“)
- keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Rohbaumiete; OR 260a Abs. 3 findet aber analog Anwendung:
- Mietsache muss bei Beendigung des Mietverhältnisses objektiv einen erheblichen Mehrwert aufweisen
- Mehrwert ist vollumfänglich zu entschädigen, wobei dem Richter ein grosser Ermessensspielraum zukommt (vgl. ZGB 4)
Infolge nicht erfolgter Amortisation des Mieterausbaus:
- umstritten, ob gemäss OR 256 dem Mieter einen Anspruch zukommt, wenn die Investition für die Mieterausbauten bei Beendigung des Mietverhältnisses noch nicht amortisiert sind
- besser:
- Vereinbarung einer bestimmten Mindestdauer
- Vereinbarung eines Entschädigungssystems bei vorzeitiger Auflösung des Mietvertrages
Die Entschädigung an den Mieter kann dabei wie folgt geleistet werden
- Direkt durch Rückerstattung der Investitionskosten für den Ausbau
- Indirekt durch Reduktion des Mietzinses bei Beginn des Mietverhältnisses
- Berechnung des Mietzinses auf der Basis des Grundausbaus (Rohbaus); oder
- Vereinbarung eines marktüblichen Mietzinses und Reduktion nach den Grundsätzen über die Mietzinserhöhung bei wertvermehrenden Investitionen durch den Vermieter
Änderung oder Wegbedingung der Mehrwertentschädigungspflicht
Der dispositive Charakter von OR 260a Abs. 3 lässt es zu, dass die Mehrwertentschädigungspflicht schriftlich im Rohbaumietvertrag ganz wegbedungen, anders bestimmt oder präzisierend festgelegt wird.
Für Einzelheiten:
Beispiel für Wegbedingung der Mehrwertentschädigungspflicht
Der Vermieter schuldet dem Mieter bei Beendigung des Rohbaumietvertrages auch im Falle eines erheblichen Mehrwerts der Mietsache keine Entschädigung.
Die Mehrwertentschädigungspflicht gemäss OR 260a Abs. 3 wird hiermit ausdrücklich wegbedungen.
Gesetzestexte
Art. 260a OR H. Erneuerungen und Änderungen / II. Durch den Mieter
II. Durch den Mieter
1 Der Mieter kann Erneuerungen und Änderungen an der Sache nur vornehmen, wenn der Vermieter schriftlich zugestimmt hat.
2 Hat der Vermieter zugestimmt, so kann er die Wiederherstellung des früheren Zustandes nur verlangen, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist.
3 Weist die Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses dank der Erneuerung oder Änderung, welcher der Vermieter zugestimmt hat, einen erheblichen Mehrwert auf, so kann der Mieter dafür eine entsprechende Entschädigung verlangen; weitergehende schriftlich vereinbarte Entschädigungsansprüche bleiben vorbehalten.
Literatur
- SVIT, Das Schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Auflage, Zürich 2008, N 32d zu OR 256
- LACHAT DAVID / STOLL DANIEL / BRUNNER ANDREAS, Mietrecht für die Praxis, 8., vollständig überarbeitete Auflage, Zürich 2009, S. 620
Judikatur
- BGE 124 III 149 ff.
Weiterführende Informationen
- Vertragsverhandlungen allgemein
- Zu den Vertragsverhandlungen bei der Rohbaumiete
- Zur Mietvertragsbeendigung
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
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