Ein Gesellschaftsschaden kann geltend gemacht werden durch:
- Direkt Geschädigte
- Gesellschaft
- Indirekt Geschädigte
- Gläubiger
- Aktionäre
Die Art der Geltendmachung des Gesellschaftsschadens hängt davon ab, ob die Gesellschaft aufrechtstehend oder Konkurs ist:
Gesellschaft aufrechtstehend (ausser Konkurs)
Gesellschaft
- Klagerecht in eigenem Namen
- VR mit materiell-rechtlichen Verteidigungsmitteln
Aktionäre
- Klagerecht für eigene Ansprüche + ev. in Prozessstandschaft Ansprüche der Gesellschaft
- VR-Abwehrmöglichkeiten
- Bestreitung der Anspruchsvoraussetzungen
- Bei Prozessstandschaft des Aktionärs auch Erhebung der Einwendungen und Einreden bezüglich der Gesellschaft
Gesellschaft in Konkurs
Primär
- Klagelegitimation für Gesellschaftsschaden bei der Konkursverwaltung (vgl. OR 757 Abs. 1)
Sekundär
- Alle nach OR 757 Prozessführungsbefugten
- „Raschein-Praxis“ des Schweizerischen Bundesgerichts (vgl. BGE 117 II 432 ff.)
- = Ablösung des Gesellschaftsschaden durch einen deckungsgleichen „Anspruch der Gläubigergesamtheit“
- Modifikation (vgl. BGE 132 II 342, Erw. 4.4)
- Erhaltenbleiben aller ursprünglich gegenüber der Gesellschaft vorhandenen Einwendungen und Einreden zugunsten der VR-Mitglieder, sofern und soweit sie gegenüber den Gläubigern nicht ungerechtfertigt sind
- Ungerechtfertigte und deshalb ausgeschlossene Einwendungen und Einreden
- auf der Willensbildung der Gesellschaft beruhende Einwendungen und Einreden
- Einrede der Décharge
- Einrede der Einwilligung des Verletzten („volenti non fit injuria“)
- Daher: „… Für Einreden, die unabhängig von der Willensbildung der Gesellschaft vor der Konkurseröffnung bestanden haben, rechtfertigt sich dagegen der Ausschluss nicht. …“ (vgl. BGE 132 II 342 Erw. 4.4)
- auf der Willensbildung der Gesellschaft beruhende Einwendungen und Einreden
- Vorbehalt
- Modifikation der „Raschein-Praxis“ aufgrund der Klagen von Abtretungsgläubigern gemäss SchKG 260
- Anwendungsungewissheit der „modifizierten Raschein-Praxis“ gegenüber der Konkursverwaltung oder den Aktionären als weitere Klageberechtigte
- Ungerechtfertigte und deshalb ausgeschlossene Einwendungen und Einreden
- Zulassung der Verrechnung des Verantwortlichkeitsanspruchs mit einer kollozierten Forderung des beklagten Organs
- Vgl. BGE 4C.48/2005 vom 13.05.2005 + BGE 132 II 342
- Erhaltenbleiben aller ursprünglich gegenüber der Gesellschaft vorhandenen Einwendungen und Einreden zugunsten der VR-Mitglieder, sofern und soweit sie gegenüber den Gläubigern nicht ungerechtfertigt sind
Art. 757 OR
II. Ansprüche im Konkurs
1 Im Konkurs der geschädigten Gesellschaft sind auch die Gesellschaftsgläubiger berechtigt, Ersatz des Schadens an die Gesellschaft zu verlangen. Zunächst steht es jedoch der Konkursverwaltung zu, die Ansprüche von Aktionären und Gesellschaftsgläubigern geltend zu machen.
2 Verzichtet die Konkursverwaltung auf die Geltendmachung dieser Ansprüche, so ist hierzu jeder Aktionär oder Gläubiger berechtigt. Das Ergebnis wird vorab zur Deckung der Forderungen der klagenden Gläubiger gemäss den Bestimmungen des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 18892 verwendet. Am Überschuss nehmen die klagenden Aktionäre im Ausmass ihrer Beteiligung an der Gesellschaft teil; der Rest fällt in die Konkursmasse.
3 Vorbehalten bleibt die Abtretung von Ansprüchen der Gesellschaft gemäss Artikel 260 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes vom 11. April 1889.
Weiterführende Informationen
- Abtretung nach SchKG 260
- Weitere Organhaftungstatbestände
- Publikationen zur „Raschein-Doktrin“
- DOBLER SARAH / VON DER CRONE HANS CASPAR, Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen, SZW 4/2005, S. 211 ff. | rwi.uzh.ch
- WEBER ROLF H., Bundesgerichtliche Pirouetten zum Schadensbegriff im unternehmerischen Verantwortlichkeitsrecht, in: Jusletter 24.10.2005
- GLASL DANIEL, Praxisänderung zu Schaden und Aktivlegitimation in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, in: Jusletter 27. 06.2005
- GLASL DANIEL, Fall «Biber – unmittelbarer Aktionärsschaden in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, ST 9/05 S. 692 ff.
- GLASL DANIEL, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit: Bestätigung des «Biber-Entscheids; Rechtsschutzinteresse des Abtretungsgläubigers; Zulassung der Verrechnungseinrede gegen den Verantwortlichkeitsanspruch, in: Jusletter 23.10.2006
- Entscheide zur „Raschein-Doktrin“
- BGE 117 II 432
- BGE 4C.48/2005, Erw. 2.1;
- BGE 131 III 306 ff., Erw. 3.1.2 („Biber-Fall“)
- BGE 128 III 180, Erw. 2c
- BGE 127 III 347 Erw. 3b
- BGE 125 III 86 Erw. 3a
- BGE 4C.344/1998 vom 24.11.2000
- BGE 122 II 176 („X-Corporation“)
- BGE 132 II 342
- BGE 4C.
- Publikationen zum Verhältnis des zur Überprüfung der kollozierten Forderung im Verantwortlichkeitsprozess
- HÜTTE KLAUS, Zum Rechtsschutzinteresse des zu Unrecht kollozierten Gläubigers, in: Insolvenz- und Wirtschaftsrecht [IWIR] 3/2000 S. 41 ff.
- GLAS DANIEL, Die kollozierte Forderung im Verantwortlichkeitsprozess, SZW 2005 S. 157 ff.
- Bindungswirkung des Kollokationsplans
- Der Kollokationsplan hat grundsätzlich bindende Wirkung innerhalb des Konkursverfahrens, bestätigt in BGE 4C.48/2005 vom 13.05.2005 hinsichtlich der Rechte des Abtretungsgläubigers
- Weiterführende Informationen