Neben der zivil- und strafrechtlichen Verantwortlichkeit untersteht der Verwaltungsrat auch einer öffentlichrechtlichen Verantwortlichkeit. Insbesondere geht es hier um eine Haftung für
- Steuerforderungen
- Forderungen für Sozialabgaben.
Obwohl Verwaltungsräte auch dem Staat gegenüber zivilrechtlich verantwortlich sind, stehen diesem auch öffentlichrechtliche Haftungsgrundlagen zur Verfügung, die eine Geltendmachung der Verantwortlichkeit vereinfachen:
Steuerforderungen
Eine solidarische Haftung des Verwaltungsrates für Steuerforderungen ist vorgeschrieben im
- Bundesgesetz über die Verrechnungssteuer (Art. 15 VStG),
- Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer (Art. 55 DBG),
- Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (Art. 15 MWSTG).
bei
- Liquidation der Gesellschaft
- Sitzverlegung Sitz ins Ausland
Forderungen der AHV und der Pensionskasse
AHV
Verwaltungsrat und Geschäftsführung können für offene Sozialversicherungsabgaben persönlich haftbar gemacht werden (vgl. Art. 52 AHVG) wenn sie der Versicherung
- durch absichtliche oder grobfahrlässige
- Missachtung von Vorschriften
- Schaden verursachen.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat hier eine sehr strenge Praxis entwickelt. Faktisch liegt eine Kausalhaftung vor, d.h. eine Verantwortlichkeit unabhängig von einem Verschulden.
Pensionskasse
Das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) droht dem Verwaltungsrat mit Gefängnis oder Busse (Art. 76 BVG) wenn er
- als Arbeitgeber
- einem Arbeitnehmer
- Beiträge vom Lohn abzieht
- und diese dem vorgesehenen Zweck entfremdet.
Hat der eingesetzte Geschäftsführer die Weiterleitung der abgezogenen Beiträge unterlassen, so kann der Verwaltungsrat dennoch persönlich bestraft werden, bei
- vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung einer Rechtspflicht
- die Unterlassung des Geschäftsführers abzuwenden (Art. 77 Abs. 2 BVG).
Bewilligungsentzug
Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit öffentlichrechtlicher Verantwortlichkeit können auch zum Entzug von Bewilligungen führen.
Beispiele:
- Entzug der Bewilligung einer Bank durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht bei schwerer Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen (Art. 37 FINMAG)
- Entzug der Bewilligung einer Revisionsgesellschaft durch die FINMA bei schwerer Verletzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen (Art. 37 FINMAG)
- Entzug des Anwaltspatentes eines als Rechtsanwalt tätigen Verwaltungsrates bei strafrechtlicher Verurteilung (vgl. § 6f. Anwaltsgesetz Kt. Zürich)
Bürgi Nägeli Rechtsanwälte
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